/ Reuters
Nachdem die Türkei im November 2015 einen russischen Jagdbomber abgeschossen hatte, verhängte Moskau ein Handelsembargo gegen Ankara, führte eine Visumpflicht für türkische Staatsbürger ein und untersagte in Russland den Verkauf von Urlaubsreisen in die Türkei.
Nach einer Entschuldigung des türkischen Präsidenten haben Russland und die Türkei ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen wiederaufgenommen, doch die Visumpflicht und das Handelsembargo bestehen zumindest teilweise weiterhin. Bei dem anstehenden Moskau-Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan soll nun die vollständige Normalisierung des bilateralen Verhältnisses diskutiert werden.
„Die Türkei möchte, dass Russland alle Wirtschaftssanktionen gegen Ankara und die Visumpflicht für türkische Bürger abschafft“, sagt Kerim Has, Russland- und Eurasien-Experte beim türkischen Thinktank Usak. „Doch Moskau ist daran nicht interessiert. Vielleicht werden die Sanktionen auf bestimmte Güter und die Visumpflicht aufgehoben, eine vollständige Abschaffung des Embargos wird es aber nicht geben“, ist er überzeugt.
Auch Kerim Has sagt: „Syrien wird bei dem Treffen das wichtigste Thema sein.“ Vier Punkte müssten zur Sprache gebracht werden: „Erstens, die weitere Zusammenarbeit in Aleppo und den umliegenden Gebieten. Zweitens, Ausweitung der Friedensgespräche um weitere Akteure wie Katar und Saudi-Arabien. Drittens, Möglichkeiten der türkisch-russischen Zusammenarbeit bei der Befreiung von Rakka und Manbidsch, nachdem die Türkei die Operation bei al-Bab beendet hat. Und viertens, Russlands Position zu kurdischen Einheiten, die in Syrien kämpfen“, erklärt der Analyst.
Der russische Syrien-Beobachter Anton Madrassow nennt einen weiteren möglichen Punkt: den politischen Übergangsprozess in Syrien. „Verhandlungen erfordern Zugeständnisse und Kompromisse. Russland und die Türkei müssen darüber reden, wie sie Einfluss auf Damaskus und die Opposition ausüben können, um Anknüpfungspunkte zu finden“, meint der Experte.
Schritte zu einer Annäherung sind aber bereits gemacht worden. Der russische Föderationsrat, das Oberhaus des Parlaments, hat vergangene Woche ein Abkommen mit der Türkei ratifiziert, das die gegenseitige Unterstützung und Auslieferung von Straftätern garantiert. Damit sei für die Türkei die Grundlage geschaffen worden, die Mitglieder der beiden Vereinigungen auch auf russischem Boden zu verfolgen, sagen Experten.
Moskau bestätige mit diesem Abkommen seine Absicht, „sowohl bei der Terrorbekämpfung als auch bei der Auslieferung von potenziellen Unruhestiftern“ zusammenzuarbeiten, sagt Juri Mawaschew, Chefanalyst am russischen Türkei-Zentrum.
Schließlich könnte auch der Waffenhandel auf der Agenda des Treffens stehen. Im vergangenen November hatten ranghohe russische Beamte und der türkische Verteidigungsminister erklärt, dass Ankara mit Moskau über den Kauf des Flugabwehrsystems S-400 verhandle. Eine konkrete Entscheidung diesbezüglich steht jedoch noch aus. Deshalb könne der Export von S-400-Systemen bei den kommenden Gesprächen der beiden Staatschefs in Moskau zum Thema werden, mutmaßt der türkische Russland-Experte Salih Yilmaz.
Der russische Türkei-Analyst Juri Mawaschew hält jedoch dagegen: „Die Gespräche über den Kauf des russischen S-400-Systems sind reine Augenwischerei. Solche Absichtsbekundungen gab es von türkischer Seite schon mehrmals.“ Ankara werde bei der militärischen Zusammenarbeit weiterhin auf die USA setzen, glaubt der Experte, eine Kooperation mit Russland werde sich in Grenzen halten.
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