Ein düsterer dunkler Berg ragt über die hellgrüne Landschaft der dichten russischen Taiga empor. Mit seinen 40 Meter Höhe und 100 Meter Breite sieht aus wie eine gigantische Lautsprecherbox und ist eine unerwartete Sehenswürdigkeit in dieser abgelegenen Gegend in der Region Irkutsk, etwa 210 Kilometer nördlich der Stadt Bodajbo.
Bis 1949 wussten nur wenige Einheimische von ihm. Sie bezeichnen ihn als das „Nest des Feueradlers“ und dachten, es sei ein verfluchter Ort, dem selbst die Tiere meiden. Einige, die diesen Ort besuchten, starben einen merkwürdigen Tod und Haustiere verschwanden spurlos. Welches Geheimnis verbirgt sich hinter diesem Krater und gibt es eine rationale Erklärung für all diese mysteriösen Aktivitäten?
Eine seltsame Entdeckung
Der Wissenschaftler, der diese einzigartige Formation entdeckte, war der russische Geologe Wadim Kolpakow. 1949 kam er zu Recherchen hierher und konnte seinen Augen kaum trauen, als er den Krater erblickte.
„Ich dachte, ich spinne“, erinnerte er sich. „Aus der Ferne erinnerte er mich an eine riesige Grubenmine und ich fragte mich sogar, ob da Leute waren. Aber warum sollten sie dort sein? Dies ist ein undurchdringliches Gebiet, Mitten in der Taiga. Außerdem gab es hier keine Gulags – da war ich mir ganz sicher. Zweitens dachte ich, dass es sich um ein archäologisches Artefakt handeln könnte, aber die einheimischen Völker, die Ewenken und Jakuten, sind keine alten Ägypter. Sie können keine Pyramiden bauen.“
Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass es sich bei dem Krater um einen großen Hügel aus zerschmetterten Kalksteinblöcken mit einem Durchmesser von rund 160 Metern und einem geschätzten Gewicht von rund einer Million Tonnen handelte. Der Krater erhielt den Namen Patom (nach dem nahegelegenen Fluss). Bis in die Zweitausender Jahre wurde er aber aufgrund der fehlenden Finanzierung nicht gründlich untersucht.
Theorien
Das Mysterium des „Adlernestes“ hat verschiedene Theorien beflügelt: von der Landung eines UFOs bis hin zu einer unterirdischen Kernreaktion. Einige, darunter auch Kolpakow selbst, glauben, dass der Krater durch einen Meteoriten gebildet wurde, der über dem Patom-Hochland niederging – es könnte sich zum Beispiel um ein Fragment des Tunguska-Meteoriten handeln, der 1908 in der sibirischen Taiga für große Verwüstungen sorgte. Andere sind der Meinung, dass es sich bei dem Krater um eine vulkanische Struktur handelt, die sich durch Wasserdampstrahlen aus einer beträchtlichen Tiefe entlang von Störungszonen gebildet hat.
Die erste umfassende wissenschaftliche Expedition, die das Rätsel im Jahre 2005 lösen wollte, konnte keine Antworten finden. Der Expeditionsleiter starb an einem Herzinfarkt – ein schlechtes Omen, wie einige meinten.
Dennoch setzten die Wissenschaftler die Untersuchung des Gebietes fort. Die Expeditionen in den darauffolgenden Jahren (2006, 2008, 2010) waren erfolgreicher. Das gesammelte Material von der Stätte zeigte, dass sich der Krater vor etwa 500 Jahren (weit früher als der Tunguska-Meteorit) gebildet hat und dass er eine Ringstruktur mit einzelnen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten gebildeten Zonen aufweist.
Die Wissenschaftler verzichteten schließlich auf die Meteoritentheorie und die kryogene Formationshypothese (die davon ausgeht, dass der Kegel durch das Einfrieren der Grundwasserschichten entstanden ist) und kamen zu dem Schluss, dass der Patom-Krater durch eine phreatische Explosion (einer Wasserdampfexplosion im Zusammenhang mit magmatischer Tätigkeit) gebildet wurde, die entweder während des Eindringens von Magma in wasserhaltiges Gestein oder aufgrund der Verwerfung und Dekompression erhitzter wasserhaltiger Schichten auftrat.
Nichtsdestotrotz glauben einige lieber an spannendere, dafür weniger realistische Erklärungen wie ein winziges Fragment eines Neutronensterns, der auf die Erde fiel – mit einer solchen Wucht, dass er direkt durch die Erde drang und auf der anderen Seite, durch den Patom-Krater, hindurchschlug. Das ist gar nicht so weit hergeholt – zwei ähnliche Ereignisse (beide innerhalb eines Monats) wurden 1993 in verschiedenen Teilen des Planeten registriert.
Aber es gibt immer noch keine Erklärung für die merkwürdigen Vorkommnisse, die sich angeblich in der Nähe des Kraters ereignet haben. Abgesehen von der magnetischen Anomalie, die bereits bei einer der ersten Expeditionen festgestellt wurde, gibt es keinen Beleg dafür, dass sich etwas Großes im Innern des Kraters befindet.
Welcher dieser Theorien man auch immer anhängen mag – der Krater wird wohl auch in Zukunft einer der geheimnisvollsten Orte Sibiriens bleiben.