Blick in den Abgrund: Jakutiens bekanntester Krater wächst und wächst (FOTOS)

Reise
JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Finden wir im Permafrostboden der Republik Sacha (Jakutien) in Sibirien das Tor zur Hölle? Dieser tiefe Krater, bekannt als Batagaika Megaslump, wird immer größer. Wie ist er entstanden und welche Gefahren birgt er?

Wenn Sie neben dem Batagaika-Krater stehen, können Sie seltsame Knack- und Knallgeräusche hören. Dann gehen Sie einen Schritt weiter und plötzlich sind keine Bäume mehr zu sehen und Sie stehen auf einem Felsvorsprung. Sie haben ihr Ziel erreicht, den Rand des Kraters. Es fühlt sich jedoch an, wie der Rand der Erde. Unter ihren Füßen tut sich im Permafrostboden eine 100 Meter tiefe Schlucht auf. Es scheint, als würden jeden Moment die Wände in sich zusammenfallen. Manchmal brechen Eisplatten von der Größe eines Autos vom Rand ab und donnern in die Tiefe.  

Einheimische nennen den Batagaika-Bruch auch das „Tor zur Hölle“ oder bezeichnen ihn als „Tür in eine andere Welt“. Leider hat diese Vertiefung keine magische Entstehungsgeschichte. Es ist ein künstlich verursachter Riss in der Erdoberfläche. Nur aufgrund seiner beeindruckenden Größe wird er als Krater bezeichnet. 

In den späten 1930er Jahren wurde in der Region um den Fluss Batagaika Zinn abgebaut. Später, in den 1960er Jahren, wurden dort massive Rodungsarbeiten durchgeführt, was zu Bodenerosion führte. Anfangs war es nur eine kleine Schlucht, aber diese weitete sich teils aufgrund der Temperaturverhältnisse in diesem Gebiet immer mehr aus. 

„Die Entwaldung unter Permafrostbedingungen zieht schnell katastrophale Folgen nach sich. Die hydrologische Situation änderte sich. Die Abflüsse werden umgeleitet, die Oberfläche verändert sich, wird schutzlos und der Permafrost taut“, erklärt Alexei Lupatschow, Senior Fellow des Instituts für Bodenkunde der Russischen Akademie der Wissenschaften, der am  Batagaika-Krater forscht. 

Der Boden sackte schnell ab und bald entstand ein Trichter. Im Winter sinken die Temperaturen in Jakutien unter -45-50 °C. Aber im Sommer verschärft die Hitze die Situation noch weiter und schmilzt den offen liegenden Permafrost weg.

Heute ist der Riss rund einen Kilometer lang, 800 Meter breit und 100 Meter tief und damit das größte Permafrost-Thermokarst-Sinkloch der Welt. Seine Form erinnert an ein gigantisches Weichtier. Einheimische fragen sich, was wohl passieren wird, wenn es den Kirgiljach-Gipfel erreicht. Die Antwort darauf gibt es bereits. 

„Im Durchschnitt wächst der Bruch jährlich um 10 bis 15 Meter", sagt einer der Regierungsinspektoren, die regelmäßig am Rand patrouillieren, und fügt hinzu, „es ist ein sehr langsamer Prozess, und es gibt keinen Grund zur Sorge.“ Lupatschow stimmt ihm zu: „Das Phänomen stellt keine Gefahr für den Planeten dar. Die einzige reale Gefahr besteht darin, hineinzufallen und sich die Knochen zu brechen.“ 

Der Riss erfreut sich jedoch großer Aufmerksamkeit. 2017 widmete die Zeitschrift „Quaternary Research“ dem Krater eine große Story. Aufgrund der Eisschmelze und der regelmäßigen Erdrutsche enthüllte der Mega-Bruch alte Eis- und Bodenschichten, die die Untersuchung der biologischen und klimatischen Eigenschaften unseres Planeten ermöglichen. Die älteste der Schichten soll 600.000 bis 650.000 Jahre alt sein. Wissenschaftler glauben, dass dieser 100 Meter tiefe Graben die gesamte Erdgeschichte offenbaren könne.  

Auf dem Grund finden sich Überreste von Mammuts (in Jakutien finden sich 60 bis 80 Prozent aller weltweiten Mammutknochen), Lemmingen, Bisons und anderen historischen Tierarten.  Der Ort zieht paläontologische Expeditionen aus der ganzen Welt an. Im Sommer ist das nicht ungefährlich. Das Eis schmilzt schnell und es kommt oft zu erneuten Brüchen. Leider hat das keine allzu abschreckende Wirkung. Viele Einheimische riskieren ihr Leben und steigen unerlaubt in das Loch, und zwar in der Hoffnung, vielleicht auf einen Stoßzahn oder einen anderen historischen Schatz zu stoßen, der ihnen viel Geld bringen wird. 

Es ist schwer zu sagen, wann der Expansionsprozess sein Ende erreicht haben wird. Aber eine Grenze gibt es, etwa wenn endlich felsiger Grund erreicht wird. Die Grube wird womöglich irgendwann zu einer überwucherten sehr tiefen Schlucht. Aber bis dahin können noch weitere 100 Jahre vergehen. 

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