„Es ist wirklich eine erstaunliche Erfahrung! Das Äußere wird dem Inneren in keiner Weise gerecht. Drinnen erwartet Sie ein spektakuläres russisches Erlebnis. Erstaunliche russische Grandiosität mit beeindruckendem historischen Dekor“, so beschreiben die Leute heute das Sandunow-Badehaus oder einfach Sanduny. Seit dem ersten Tag seiner Eröffnung im Jahr 1808 macht es genau denselben Eindruck.
Es war auf höchstem Niveau ausgestattet, und die Inneneinrichtung wurde mit einem Palast verglichen. Doch trotz der hochrangigen und vornehmen Gäste – von den Staatsbeamten über Leo Tolstoi bis hin zu den Großfürsten Romanow – war dieser Ort nie nur für die Aristokratie da. Vele einfache Leute kamen hierher, um zu baden.
Die Sandunow-Bäder wurden zu Ehren ihrer Gründer, der Schauspieler des Hoftheaters Sila Sandunow und Jelisaweta Uranowa, benannt. Die Zarin Katharina II. war eine große Bewunderin ihrer Arbeit und als das Paar heiratete, schenkte sie ihnen eine prächtige Diamantkette.
Um die finanzielle Situation der Familie zu verbessern, eröffnet Sandunow sein eigenes Geschäft in Moskau. Dazu sparte er Geld von seinem Schauspielergehalt, verkaufe das Geschenk der Zarin und gab die gesamte Summe aus, um ein Grundstück in der Nähe des Bolschoi-Theaters und des Kremls zu kaufen. Ursprünglich plante er den Bau von Geschäften oder einer Wohnsiedlung, aber schließlich entschied er sich für das Badehaus.
1808 war das Badehaus fertiggestellt, und „ganz Moskau strömte hinein“. „Seit ihrer Eröffnung wurden die Sandunow-Bäder zum Zentrum des gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt: so etwas wie ein englischer Club für den Adel und eine Klinik für das gemeine Volk“, schrieb Giljarowskij in seinem Werk Moskau und die Moskauer über sie.
Jede Klasse hatte ihre eigene Sauna in den Sanduny: Wohlhabende gingen für 5 Rubel in die Abteilung für Adlige. Arbeiter und Arme besuchten für 5 Kopeken die Abteilung für das einfache Volk. Das Wasser, die Heizung und der Dampf waren die gleichen, nur die Einrichtung war unterschiedlich.
Die Annehmlichkeiten für den Adel waren zu dieser Zeit eine Sensation: Bis dahin hatten die Badehäuser nur herkömmliche Trennwände, die Männer und Frauen voneinander separierten, aber jetzt war das Badehaus in eine Männer- und eine Frauenabteilung unterteilt – eine Innovation von Sandunow. Für den Adel wurden separate Räume mit weichen Liegen, sauberen Laken, verspiegelten Umkleidekabinen, silbernen Waschbecken und Dienern geschaffen. Und weil es angenehm war, dort Zeit zu verbringen, war das Badehaus bald kein Club mehr. Die Sanduny wurden von der literarischen und politischen Elite aufgesucht. Alexander Puschkin, Leo Tolstoi und Anton Tschechow, die nebenan wohnten und gerne hierherkamen, duschten in der noblen Badeanstalt.
Die Sanduny wechselten im 19. Jahrhundert mehrmals den Besitzer, aber die Zeit verging und sie wurden immer baufälliger. Ihr Ruf als Badehaus war zwar immer noch gut, aber sie verloren an Beliebtheit, als modernere Bade-Komplexe in Moskau entstanden.
Ende des Jahrhunderts war Wera Firsanowa, die Tochter eines der reichsten Moskauer Geschäftsleute, Iwan Firsanow, Eigentümerin der Sanduny Ihr Ehemann Alexej Ganezkij überredete die Erbin, viel Geld in die „Ruinen“ zu investieren und an ihrer Stelle „einen Bade-Palast zu bauen, wie ihn Moskau noch nicht gesehen hat und nicht sehen wird“. Für die Sanduny begann ein zweites Leben.
Der Plan für den Wiederaufbau war grandios. Ganezkij reiste in die Türkei und nach Irland, um von den Erfahrungen in Übersee zu lernen. Er engagierte einen der besten Wiener Architekten der damaligen Zeit, Boris Freudenberg, und brachte die besten Materialien für die Ausstattung des „Palastes“ mit: Marmor und Granit aus Italien und Norwegen, Fliesen und Kacheln aus der Schweiz und England. Eigens für die Sanduny wurde ein eigenes Heizkraftwerk gebaut – es war erst das dritte in Moskau zu dieser Zeit – und die Wasserversorgung erfolgte über amerikanische Wasserfilter.
Die neuen Sanduny öffneten 1896 ihre Pforten und „halb Moskau“ kam, um ihre Pracht zu sehen. Ein arabischer Innenhof, ein maurischer Saal, ein gotischer Saal, irische und russische Dampfbäder, ein antiker Pool, Stuck- und Marmortreppen, Statuen und Gemälde mit vergoldetem Rahmen – all das konnte mit den reichen Villen russischer Adliger mithalten.
Nach dieser Renovierung kehrten die Sanduny in die erste Liga zurück. Der Opernsänger Fjodor Tschaljapin, der die Sanduny regelmäßig besuchte und Sterlet-Fischsuppe bestellte, nannte sie das Zaren-Badehaus, und er hatte Recht – sogar die Großfürsten Romanow kamen hierher, um ein Dampfbad zu nehmen.
Als die Kommunisten an die Macht kamen, verlor Moskau fast seine Sanduny – all der Glanz passte nicht zur neuen Ideologie und galt als bürgerlich-dekadent.
Es gelang jedoch, das Badehaus zu retten (auch, weil viele Parteifunktionäre hierherkamen – es lag in der Nähe des Kremls). Während der Sowjetzeit wurde jedoch keine Rekonstruktion durchgeführt, wodurch die Innenräume der Sanduny stark gelitten haben. Die Restaurierung des historischen Badehauses wurde erst in den 1990er Jahren in Angriff genommen und viele Innenräume wurden in den 2000er Jahren nach Schwarz-Weiß-Fotos wiederhergestellt. Heute sind die am besten erhaltenen Innenräume aus dem 19. Jahrhundert die der gehobenen Männersauna – hier werden sogar Führungen angeboten.
In den Bädern gibt es immer noch verschiedene Kategorien, aber sie heißen jetzt erste und höchste Klasse.
„Die erste Klasse hat ein milderes, feuchteres Dampfbad, während unsere höhere Klasse ein heißeres, stärkeres Dampfbad hat. In beiden Kategorien gibt es immer viele Gäste. Es gibt Frauen, die schon seit 20 Jahren hierherkommen. In der ersten Klasse gibt es einen sozialen Tag, an dem es Vergünstigungen für Rentner gibt. Dann kommen diejenigen, die schon hierher kamen, als sie noch in Gemeinschaftswohnungen ohne Badezimmer lebten“, sagt Alexandra Gorjatschewskaja, eine ältere Mitarbeiterin des Badehauses, die in der höchsten Klasse tätig ist.
Unter den Stammgästen der Sanduny gibt es die verschiedensten Menschen – junge Frauen, die hier Wellness-Prozeduren genießen (das Badehaus hat ein umfangreiches Angebot an Dienstleistungen: angefangen beim Saunieren selbst bis hin zu Peeling, Maniküre, Friseur usw.), berühmte Schauspieler und Künstler, Geschäftsleute, Büroangestellte, Sportler, Ballerinas des Bolschoi-Theaters und andere mehr.
Wie auch früher gibt es in den Sanduny ein Restaurant, das russische Gerichte serviert. Zusätzlich zu den öffentlichen Saunen für Männer und Frauen gibt es Separees in unterschiedlichem Design, die stundenweise gebucht werden können: das sowjetische, Kamtschatka-,Römische, Baikal- und Kaufmanns-Separee. Jedes hat seine eigene Sauna, einen Pool, eine Lounge und einen Ruheraum.
„Kunststoffpantoffeln, Laken und einen Besen können Sie sich direkt vor Ort ausleihen. Ich rate Ihnen, eine Mütze für Ihren Kopf und einen Bademantel mitzubringen, falls Sie einen brauchen. Sie können Ihr eigenes Wasser mitbringen oder sich aus der recht preiswerten Minibar bedienen. Wir haben Tee, Pfannkuchen mit Kaviar und Lachs und Honig bestellt“, berichtet Valentina aus Moskau.
Und um seiner Gesundheit nicht zu schaden, erinnert der Saunameister daran, was mit der russischen Banja unvereinbar ist: „Du darfst nicht ins Dampfbad gehen, wenn du Fieber, Entzündungen, offene Wunden oder schwere chronische Krankheiten hast. Alkohol und Saunieren sollten überhaupt nicht miteinander kombiniert werden! Es sollte die gleiche Regel gelten wie für Autofahrer: nicht ein Gramm Alkohol. Nachdem du in der Banja warst, gehst du nach Hause und kann dann noch etwas trinken“, sagt Alexej Nowikow, ein Top-Saunameister für Männer.
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