Fußball-EM 2016: Russland nach Trainerwechsel wieder im Spiel

Leonid Sluzki kennt seine Männer sehr gut, er versteht sie, meint Fußballagent Sandor Varga.

Leonid Sluzki kennt seine Männer sehr gut, er versteht sie, meint Fußballagent Sandor Varga.

Reuters
Russlands EM-Teilnahme stand lange auf wackeligen Beinen. Nach dem Trainerwechsel von Fabio Capello zu Leonid Sluzki fing sich die Sbornaja aber wieder und buchte ihr Ticket zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich. RBTH entschlüsselt das Erfolgsgeheimnis des neuen Trainers.

In vier Qualifikationsspielen unter dem neuen Nationaltrainer Leonid Sluzki siegte das russische Team gegen Schweden (1:0), Lichtenstein (7:0), Moldawien (2:1) und Montenegro (2:0). Sluzki, der auch ZSK Moskau betreut, führte seine Mannen auf Platz 2 der Qualifikationsgruppe G. Damit ist die EM-Teilnahme gesichert. Die Playoffs sind den Russen erspart geblieben.

Unter dem vorherigen Nationaltrainer Fabio Capello war Russlands Fahrkarte zur EM zeitweise in Gefahr. Nur einmal siegte die Sbornaja in der Hinrunde – gegen Lichtenstein. Die Schweden waren der härteste Konkurrent um die beiden vorderen Tabellenplätze.

RBTH hat gemeinsam mit Sportexperten untersucht, warum Russlands Nationalmannschaft nach dem Trainerwechsel offenkundig wieder auf Erfolgskurs ist.

Kommunikation 

Sandor Varga, als Fußballagent tätig, meint: „Fabio Capello scheiterte wegen der Sprachbarriere. Es ist schwer, seine Ideen nur über einen Dolmetscher an die Spieler zu vermitteln. Capello konnte keinen Kontakt zu seinen Spielern aufbauen, die praktisch kein Englisch sprechen. Leonid Sluzki dagegen kennt seine Männer sehr gut, er versteht sie. Die Kommunikation ist einfach und ungezwungen. Es reichen oft ein Blick oder ein paar Worte.“

Psychologie

Nach der Partie gegen Lichtenstein sagte Sluzki in einem Interview: „Meine Aufgabe in der Nationalmannschaft und im Verein ist es, die Spieler aufzulockern. Nur ein tatsächlich glücklicher Mensch kann etwas auf dem Spielfeld bewirken. Und ich versuche, die Voraussetzungen für die Glückseligkeit zu schaffen.“

Der Sportjournalist Edward Serschan sagt dazu: „Unter Capello herrschte eiserne Disziplin. Sluzkis Ansatz hat frischen Wind in die Mannschaft gebracht. Die Spieler dürfen nun Videospiele während der Vorbereitungsphase spielen, sich beim Training abwechseln und zu Pressevertretern sprechen. Sluzki engagierte zudem einen Psychologen, der die Spieler während der Vorbereitung betreute und vor den wichtigen Spielen psychologische Profile seiner Schützlinge erstellte.“

Taktik

Sluzki setzte im Gegensatz zum Italiener Capello in der EM-Qualifikation nicht auf junge,  unerfahrene Spieler, sondern auf die Besten. Igor Denissow von FK Dynamo Moskau kehrte auf seine angestammte Position im Mittelfeld zurück, Stürmer Artjom Dsjuba von Zenit Sankt Petersburg erzielte die entscheidenden Treffer in den Partien gegen Schweden und Moldawien und trumpfte mit vier Toren in der Partie gegen Lichtenstein auf.

Der Fußballer Igor Janowskij, früher Mittelfeldspieler in der russischen Nationalmannschaft und beim französischen Club Paris Saint-Germain, findet das gut: „Sluzki hat jene Spieler in die Mannschaft geholt, die es verdient hatten. Capellos Entscheidungen hingegen haben oft Erstaunen hervorgerufen. Mal nominierte er Spieler, die noch nie in der A-Mannschaft ihrer Clubs gespielt hatten, mal ließ er den besten Stürmer der russischen Meisterschaft, Artjom Dsjuba, auf der Bank. Unter Sluzki sind alle wieder am richtigen Platz.“  

Geld

Während Fabio Capellos Gehalt rekordverdächtig und viel diskutiert war, spricht bei Sluzki niemand über Geld. Der Grund ist simpel: Sluzki bekommt noch kein Gehalt, für vier Qualifikationsspiele hat er darauf verzichtet. Erst danach wird es Verhandlungen geben. Der frühere russische Nationaltrainer Jurij Semin rechnet das Sluzki hoch an: „Nach der Diskussion über den millionenschweren Vertrag von Capello und mehreren Manipulationen zu diesem Thema war die Entscheidung von Sluzki vollkommen richtig. Er arbeitet für seine Idee.“

Fußball-EM 2016

Doch noch wäre es verfrüht, trotz der erfolgreichen Qualifikationsspiele in Euphorie zu verfallen.

Jurij Semin sagt: „Die Mannschaft hat zwar in vier Spielen gesiegt, aber abgesehen von Schweden waren alle anderen Gegner schwächer als Russland. Sluzki konnte seine Mannschaft mobilisieren, aber im Turnier selbst werden es die Spieler nicht leicht haben. Sluzki hat noch keine Erfahrung in der Vorbereitung einer Mannschaft für große Turniere. Ebenso könnte er nach der Saison bei ZSK Moskau keine Kraft mehr haben. Keinem Trainer gelang bisher die gleichzeitige erfolgreiche Betreuung von zwei Mannschaften.“

Die russische Fußball-Nationalmannschaft, früher als Nationalmannschaft der UdSSR, wird zum elften Mal an einer EM-Endrunde teilnehmen und liegt damit nur noch knapp hinter Deutschland mit zwölf Teilnahmen. Die Spanier waren bisher zehnmal dabei.

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