Solana: „Queen Anne“ aus Deutschland im Wolga-Boden
Lilly und Queen Anne fühlen sich wohl an der Wolga. Landwirt Thorsten Mahr schaut ihnen tief in die Augen. In einem Dorf nahe der Autostadt Togliatti gedeihen die beiden ausgesprochen gut. Sie sind zwei von mehr als zwanzig Kartoffelsorten, die Mahrs Arbeitgeber Solana seit Anfang der Neunzigerjahre nach Russland gebracht hat. Die „Augen“ sind Vertiefungen, aus denen später Keime, also neue Kartoffeln wachsen. Sie zu züchten und als Pflanzgut an Landwirte zu verkaufen, ist das Kerngeschäft des Saatgutherstellers Solana mit Sitz in Hamburg.
In Russland macht er guten Umsatz, denn die russische Landwirtschaft boomt. Die Regierung möchte, dass sich das Land möglichst selbst mit Lebensmitteln versorgt und fördert dazu heimische Agrarbetriebe. Doch damit diese ihre Felder bestellen können, brauchen sie neben modernen Maschinen auch Saatgut, das hohe Erträge verspricht. Dieses liefert Solana in Form von Pflanzkartoffeln. Das sind Knollen, die nicht zum Verzehr, sondern zum Anbau an Landwirte verkauft werden.
Kunden hat das Unternehmen heute „von Kaliningrad bis Kamtschatka“, sagt Burkhard Flüß, Generaldirektor von Solana RUS, und sorgt dafür, dass die deutschen Kartoffeln auch in der schweren, schwarzen Erde an der Wolga Wurzeln schlagen. „Wir sind in Russland einer der fünf größten Importeure von Pflanzgut“, so Flüß. Der Großteil wird nicht direkt verkauft, sondern erst auf Feldern vor Ort vermehrt.
Wie sie bei den Russen ankommen, erfährt man direkt auf den Höfen. Hier verkaufen ihre Mitarbeiter einen Teil der zu groß geratenen Knollen als Speisekartoffeln an Dorfbewohner. Die Frauen zahlen, die Männer laden die Dreißig-Kilo-Säcke in den Kofferraum, bis die Hinterachse fast den Boden berührt. Lilly geht gut, auch Queen Anne ist gefragt. „Weil sie schmecken“, sagt eine Verkäuferin, und weil man daraus alles zubereiten könne: Püree, Suppe, Auflauf – ein Leben ohne Kartoffeln, das sei ja ganz und gar undenkbar!
Josef Gartner: Vom bayerischen Fassadenbauer und dem höchsten Turm Europas
Am westlichen Stadtrand von Sankt Petersburg sieht es aus wie im biblischen Babel. Ein gewaltiger Turm wächst gen Himmel. Das höchste Gebäude Europas. Aus aller Welt kommen Ideen und Material für die neue Zentrale von Gazprom: Der Architekt ist Brite, am Kellergeschoss arbeitete eine Firma aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Den sichtbarsten Teil des 462 Meter hohen Turms aber, die Glasfassade, lieferte das bayerische Unternehmen Josef Gartner. Für die Verglasung der Innen- und Außenwände hat seine Firma 16 600 Einzelteile aus Aluminium, Stahl und Glas angefertigt. Laien würden dazu „Fenster“ sagen.
Der Name Gartner ist vor allem Branchenkennern ein Begriff. Doch die Gebäude, für die das Unternehmen gläserne Gewänder geschaffen hat, kennen Millionen: die Elbphilharmonie in Hamburg oder den 299 Meter hohen Commerzbank Tower in Frankfurt am Main. Jetzt verkleidet Gartner in Sankt Petersburg den Turm des Lachta-Zentrums, benannt nach dem Stadtteil am Finnischen Meerbusen.
Das vor 150 Jahren gegründete Unternehmen aus Gundelfingen an der Donau, das seit 2001 zum italienischen Konzern Permasteelisa gehört, hielt schon in den vergangenen Jahrzehnten Ausschau nach Projekten in Russland. „Dann fragte Gazprom an, ob wir die Fassade der neuen Zentrale bauen können“, sagt Andreas Bachmann, Generaldirektor von Gartner in Russland. „Wir nutzten das Projekt als Einstieg in den russischen Markt.“
Nach der weltweilten Finanzkrise, die Russland 2009 besonders hart traf, schloss Bachmann dann Verträge für drei weitere Großprojekte: den Neubau des weltberühmten Mariinski-Theaters in Sankt Petersburg sowie im Moskauer Business-Viertel Moscow City für das Penthouse auf dem Mercury City Tower und für den Evolution Tower . Auf den ist das Team von Gartner besonders stolz, denn mit seinen zwei ineinander gedrehten „DNA-Strängen“ hat er sich schon jetzt zum Wahrzeichen Geschäftsviertels gemausert.
Insgesamt 35 Unternehmensporträts, Interviews mit den Schlüsselfiguren im deutsch-russischen Geschäftsfeld und vieles mehr können Sie im Sammelband „Die Russland-Meister“ der AHK Russland sowie der dazugehörigen Webseite www.russlandmeister.ru nachlesen.
Hier geht's zu den ersten beiden Teil der Serie - über Siemens und Volkswagen sowie VNG und Wintershall in Russland: