Das Coronavirus hat den größten Teil der Welt in die Selbstisolation gezwungen. Nun müssen sich auch Unternehmen anpassen. In Russland war dies am deutlichsten in Moskau zu spüren. In diesem bedeutenden Geschäfts- und Tourismuszentrum haben die Behörden in der letzten Woche Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. Moskaus Bürgermeister Sergei Sobjanin hat am 16. März ein Dekret erlassen, nach dem Ansammlungen von mehr als 50 Personen verboten sind und Unternehmen ihre Angestellten ins Homeoffice schicken sollten. Lebensmittelgeschäfte und Restaurants verzeichnen einen raschen Anstieg bei Online-Bestellungen.
Einige Unternehmen konnten von der Situation profitieren. Sie nutzten die öffentliche Hysterie und verkauften T-Shirts mit der Aufschrift „F*ck Virus“ oder „strategische“ Waren wie Buchweizen oder Schutzmasken. Andere erlebten einen plötzlichen Umsatzeinbruch
„Einer unserer Partner hat ein Busunternehmen. Seit Jahresbeginn sind die Aufträge um 80 Prozent zurückgegangen. Er fürchtet, dass sein Geschäft bald nicht mehr existieren wird“, sagt Ildar Ginijatow, Chief Marketing Officer bei Brizo, einem Anbieter von Kundenbeziehungsmanagementsystemen für kleine und mittlere Unternehmen.
Ist die Lage wirklich so dramatisch? Wie gehen die Unternehmen mit der Situation um? Wir haben russische und ausländische Unternehmer gebeten, uns ihre bisherigen Erfahrungen mitzuteilen.
„Es ist für jeden schwierig“
Die Veränderungen im Verbraucherverhalten kamen ziemlich plötzlich, sagt Jinny Lien Ngo aus Hanoi, die ein vietnamesisches Restaurant in Moskau besitzt. Seit Mitte März bleiben die Gäste vermehrt aus, sowohl die Russen, die üblicherweise zu Geschäftsessen kommen, als auch die Vietnamesen.
„Draußen fühlte es sich immer noch so an, als würde in Moskau alles normal laufen. Das Wochenende kam und wir hatten deutlich weniger Gäste. Normalerweise haben wir dann ein volles Haus. Wir haben Mahlzeiten zum Mitnehmen vorbereitet und unseren Vorrat an vietnamesischen Zutaten aufgefüllt. Es kamen immer weniger Gäste. Aber noch war niemand ernsthaft besorgt.“
Dann kam die russische Maßnahme zur Einschränkung des internationalen Verkehrs mit Vietnam, was auch dazu führte, dass das Restaurant keine Zutaten aus dem Ausland mehr bestellen konnte. „Nun gibt es Berichte, dass alle Restaurants schließen müssen. Die Schüler gehen nicht mehr zur Schule und ihre Eltern arbeiten von zu Hause aus. Mittwoch waren wir einkaufen, die Preise sind gestiegen. Es ist eine schwierige Zeit für alle, und unser Geschäft ist keine Ausnahme “, sagt Jinny Lien Ngo.
Sie setzt mit ihrem Team nun auf Lieferservice, hat die Speisekarte ausgeweitet und versucht alles, um Kosten zu senken. Die nächsten Wochen und Monate werden hart, bevor wir wieder das vorherige Niveau erreichen können. Wir können nur das Beste hoffen“, sagt sie.
„Wir zahlen eine gigantische Miete“
„Jeden Tag haben wir mit Unbehagen auf die Gewinnentwicklung geschaut, aber, ehrlich gesagt, noch konnten wir glücklicherweise keinen signifikanten Rückgang feststellen“, berichtet Sascha Lamm, die zusammen mit ihrem halbdeutschen Ehepartner Willi in Moskau eine Konditorei betreibt.
Was sich geändert hat, ist das prozentuale Verhältnis zwischen den Gewinnen ihres Offline-Cafés und denen der Online-Lieferungen. „Der April ist für die Süßwarenindustrie nach den Feiertagen im Februar und März normalerweise ein Monat der Verlangsamung. Im Moment ist also alles, was wir beobachten, eher normal. Wenn sich die Situation jedoch verschlechtert, werden wir in Betracht ziehen, einen kostenlosen Lieferservice und Rabatte anzubieten, um zumindest unsere Produktionskosten decken zu können. Wir müssen eine gigantische Miete zahlen, und eine beträchtliche Summe fließt in die Bezahlung der Gehälter. Die Produktionskosten für unsere Desserts sind ziemlich hoch.“
Sascha bewertet die jüngste Aussetzung der obligatorischen Versicherungsprämien durch die Behörden (die die Arbeitgeber normalerweise an die Sozialfonds zahlen müssen) positiv. Noch besser fände sie, wenn die Regierung kleinen und mittleren Unternehmen bei der Zahlung der teuren Mieten in Moskau unter die Arme greifen würde. „Wenn es eine Möglichkeit gibt, eine Senkung auszuhandeln, wäre das großartig. Wir werden alle überleben und weiterarbeiten.“
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„Es wird jede Branche treffen“
Debesh Sharma aus Singapur, Gründer und CEO von Azent, einem Portal für Touristen und Geschäftsleute, um die besten und günstigsten Hotels in Russland zu finden, gibt zu, dass sein Unternehmen wie viele andere in der Reisebranche tätige Unternehmen auch vor großen Herausforderungen steht.
Für ihn ist es nun vor allem wichtig, liquide zu bleiben. Alle müssten sich nun überlegen, wie Kosten minimiert werden könnten. Alle müssten den Gürtel enger schnallen, um diese Durststrecke durchzustehen. „Dies ist nicht nur für kleine Unternehmen eine Herausforderung, sondern auch für größere. Tatsächlich vermute ich, dass für kleinere Unternehmen mit flacheren hierarchischen Strukturen und minimalem bürokratischen Aufwand die Entscheidungsfindung in diesen Zeiten einfacher ist“, meint Sharma. Er findet, dass die russische Regierung in dieser Situation schnell und besonnen gehandelt habe.
Interessant werde es jedoch erst später: „Ich bin gespannt, was passiert, wenn es wirklich ernst wird. Wie gut die Maßnahmen in der Realität greifen. Es muss allen klar sein, dass dies ein Schock für die gesamte Wirtschaft ist. Wenn Sie mich nach meiner ehrlichen und unvoreingenommenen Meinung fragen, so bin ich überzeugt, dass kein einziges Unternehmen unbeschadet aus dieser Krise hervorgehen wird!“