Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch: Im Straßentest auf Augenhöhe

Wissen und Technik
VICTORIA ZAVYALOVA
Ein Moskauer Unternehmen entschloss sich kurzerhand zu einem Test: Wie würden sich ihre intelligenten Fahrsysteme im Vergleich zum Menschen schlagen? Noch sind die Unterschiede minimal – aber wie lange noch?

Eigentlich wollten die russischen Entwickler gar nicht die Intelligenz fahrerloser Fahrzeuge analysieren. “Wir wollten nur unser neues System “C-Pilot” testen”, erzählt Juri Minkin, Chef der Abteilung für fahrerloses Fahren bei Cognitive Technologies, im Gespräch mit Russia Beyond. Während der Tests aber entschieden sich die Entwickler dazu, die Aufnahmefähigkeit des intelligenten Systems mit der eines Menschen zu vergleichen.

Untersucht wurden nur all jene Funktionen, die Künstliche Intelligenz und der Mensch gemein haben. Gegen das System traten 17 Freiwillige an, allesamt Studenten an Moskauer Universitäten. Getestet wurde auf den Straßen der russischen Hautstadt, auch Fußgänger und Straßenschilder wurden in die Aufgaben integriert. Um die Umstände besonders realistisch zu gestalten, wurde zudem auch in komplizierten Bedingungen wie Regen oder wechselnden Lichtverhältnissen getestet.

“Die Teilnehmer waren aufgefordert, alle Gegenstände auf der Straße zu benennen, und auch die Reaktionen des intelligenten Systems wurden gemessen”, erklärt Minkin. „Neben den Freiwilligen waren jeweils noch ein Fahrer und ein Ingenieur mit im Auto.“

Beinahe gleichauf

Vorbereitet wurde der Testlauf so, dass nie mehr als drei Objekte gleichzeitig erkannt werden mussten. Auf 27 öffentlichen Routen wurde gefahren, auf denen sich jeweils rund 30 bis 35 Objekte befanden. Sowohl die Freiwilligen als auch das System mussten diese bei Geschwindigkeiten zwischen 50 und 60 Kilometern in der Stunde identifizieren.

Die Ergebnisse zeigen, dass das intelligente System und Menschen bei guten Wetterbedingungen beinahe identische Ergebnisse erzielen: In mehr als 99 Prozent aller Fälle konnten sie Straßenschilder, andere Fahrzeuge oder Fußgänger identifizieren.

Das System performte jedoch besser, wann immer Objekte teilweise verdeckt waren. Der Vorteil lag dabei nicht in einer qualitativ besseren Erkennung, sondern der Geschwindigkeit. So kann das System auch teilweise verdeckte Straßenschilder innerhalb weniger Sekunden identifizieren.

“Wir haben Routen ausgewählt, auf denen die Schilder teilweise von Bäumen, Autos und anderen Hindernissen verdeckt waren. Man konnte sie erst erkennen, wenn das Auto sehr nah herangefahren war”, schildert Minkin das Vorgehen. „Die menschlichen Testpersonen erkannten die Schilder ein wenig später als das System.“

Der Unterschied aber ist minimal: Er lag zwischen 0,5 und einer Sekunde, bei einer 99-prozentigen Erkennungsrate. Dennoch existiert der Unterschied und Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasend schnell.

Was passiert bei schlechtem Wetter?

Bei Regen schlägt das intelligente System seinen menschlichen Gegner: Schilder und Autos werden zu je 98,3 und 98 Prozent erkannt. Bei Menschen waren es je 97 und 97,5 Prozent.

Wenig überraschend aber können Menschen bei schlechtem Wetter andere Menschen deutlich besser erkennen. Ihnen gelang dies in 99,2 Prozent der Fälle, das System kam nur auf 98 Prozent.

„Menschen sind schwer zu erkennen, weil sie ganz verschiedene Formen haben“, erklärt Minkin. „Sie können laufen, Händchen halten, etwas tragen. Bei gutem Wetter konnte das System diesen Nachteil ausgleichen, aber bei schlechtem Wetter setzt sich der Mensch dann doch durch.“

Bei wechselnden Konditionen, zum Beispiel im Zwielicht, benötigen Menschen immer eine Weile, um sich anzupassen. In allen Kategorien hätten die Probanden langsamer reagiert als das intelligente System, sagt Minkin. Der Unterschied habe aber nie mehr als eine Sekunde betragen. Die Experten von Cognitive Technologies glauben jedoch, dass Systeme der Künstlichen Intelligenz mit der Weiterentwicklung von Sensoren immer besser werden – und das Duell auf der Straße mittelfristig für sich entscheiden, „genauso wie es auch beim Schach war“.