Der Schrecken des Zweiten Weltkrieges: Fünf Fakten über die Katjuscha

Katjusha-Raketenwerfer auf dem Roten Platz, 24. Juni 1945.

Katjusha-Raketenwerfer auf dem Roten Platz, 24. Juni 1945.

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„Es gab viele Menschen, die wegen des sowjetischen Raketenfeuers wahnsinnig wurden”, sagte ein deutscher Unteroffizier in Gefangenschaft während der Gegenoffensive der Roten Armee. Er bezog sich auf die schreckliche Katjuscha.

1. Streng geheim

Die neue Waffe wurde den höchsten sowjetischen Funktionären kurz vor dem Krieg präsentiert. Zunächst beeindruckte sie das Gerät, einige Projektile, die auf einen einfachen Lastwagen geschraubt waren, nicht besonders. Aber als die Projektile abgefeuert worden, waren alle überwältigt. Der erste, der die Sprache wiederfand, war der Verteidigungsminister Semjon Timoschenko. Er wies seinen Stellvertreter ärgerlich zurecht: „Warum haben Sie mir nicht berichtet, dass wir eine solche Waffe besitzen?” Die endgültige Entscheidung, die Produktion der Katjuscha zu beginnen, wurde am Vortag der Überquerung der sowjetischen Grenze durch deutsche Truppen getroffen – am 21. Juni. Nur Stunden vor dem Ausbruch des Krieges gab Stalin der Massenproduktion grünes Licht.

Die neue Waffe war ein streng geheimes Projekt. Jede Katjuscha war mit einem Sprengstoffsatz ausgestattet, damit die Waffe zerstört werden konnte, bevor die Deutschen die Chance hatten, sie zu erbeuten. Katjuscha-Regimenter wurden „Gardemörser” genannt, damit es nicht offensichtlich war, dass sie den Raketenwerfer besaßen.

2. „Unbekannte Waffe”

Der offizielle Name der Waffe lautete BM-13. BM stand übersetzt für Kampfmaschine und die Zahl 13 bezog sich auf das Kaliber der Raketen. Die erste Versuchseinheit bestand aus sieben BM-13s unter dem Befehl des Hauptmanns Iwan Flerow und wurde zum ersten Mal am 14. Juli in der weißrussischen Stadt Orscha 500 Kilometer westlich von Moskau im Gefecht eingesetzt. Orscha war ein großer Verkehrsknotenpunkt, den die Wehrmacht bereits eingenommen hatte.

Zahlreiche Streitkräfte und viel Munition konzentrierten sich hier. In ihrem ersten Einsatz übertraf die Katjuscha alle Erwartungen der sowjetischen Militärführung – Orscha wurde dem Erdboden gleich gemacht. Raketenwerfer bombardierten die Gegend und zogen sich schnell zurück. Der Chef des Generalstabes der Wehrmacht, Franz Halder, schrieb über den Zwischenfall in sein Tagebuch:

„Die Russen setzten eine bisher unbekannte Waffe ein. Ein Feuersturm von Geschossen brannte den Bahnhof von Orscha, alle Streitkräfte und militärisches Gerät nieder. Metall schmolz und die Erde brannte.”

3. Schnell und wütend

Der Schock und das Ausmaß der Zerstörung waren hauptsächlich der Fähigkeit der Katjuschas  zu zuschreiben, innerhalb weniger Sekunden mehrere Tonnen Sprengstoff abzufeuern und damit ein weites Gebiet abzudecken. Eine Schlagkraft solcher Intensität war vergleichbar mit dem Feuer 70 schwerer Artilleriegeschütze zusammen. Anders als herkömmliche Artilleriegeschütze waren die BM-13-Regimenter mobil und konnten sich rasch zwischen verschiedenen Punkten bewegen. Das erschwerte ihre Lokalisierung. Katjuscha-Raketenwerfer waren außerdem darauf ausgelegt, nur minimale Spuren zu hinterlassen, deshalb war es schwierig, die Lage der Batterie auszumachen und einen Gegenschlag durchzuführen. Von 1942 an wurden sie auf amerikanische Studebaker-Lastwagen montiert, die die Sowjetunion als Teil des Leihgabeprogramms erhalten hatte. Mit ihrer Leistungsstärke und Schnelligkeit waren sie ideal für die Katjuschas.

Nachdem die Waffen ihre Wirksamkeit in der Schlacht um Orscha unter Beweis gestellt hatten, wurden mehrere neue Einheiten von Raketenwerfern gebildet und an die Front geschickt. Die Katjuscha wurde zu einer weitverbreiteten sowjetischen Waffe und für Russen eines der vielen Symbole des Zweiten Weltkrieges.

Die Batterie von Hauptmann Flerow kämpfte bis zum frühen Oktober beim Versuch, den Vorstoß der Wehrmacht auf Moskau aufzuhalten. Dann wurde die Einheit in der Stadt Wjasma 300 Kilometer westlich von Moskau eingekreist. Die Soldaten feuerten all ihre Geschosse ab und sprengten die Maschinen. Den Deutschen gelangt es nicht, die Ausrüstung einzunehmen oder die Mannschaft gefangen zu nehmen, da die Einheit kämpfte, bis der letzte Mann fiel – dafür wurde Hauptmann Flerow nach seinem Tod geehrt.

4. Der deutsche Versuch einer Kopie scheiterte

Die Deutschen waren erpicht darauf, die neue russische Waffe zu studieren, aber lange Zeit konnten sie keine erbeuten. Man sagt, die Deutschen wären so beflissen gewesen, die Waffe zu bekommen, dass der berühmte Nazikommandeur Otto Skorzeny speziell mit dieser Aufgabe bedacht wurde. Als die Nazis schließlich doch eine Katjuscha in die Finger bekamen, stellten sie fest, dass sie sie nicht nachbauen konnten. Man sagt, was die Deutschen nicht entwickeln konnten, war ein spezielles Puder, welches in sowjetischen Raketen verwendet wurde. Es hinterließ keine Spur und ermöglichte der Rakete einen langen und stabilen Flug.

Die Deutschen hatten ihre eigene Version eines Raketenwerfers, den Nebelwerfer, einen sechsläufigen Mörser. Jedoch konnte dieser nicht so viele Raketen abfeuern wie die Katjuscha, die normalerweise 16 Raketen lud. Außerdem war er nicht beweglich, hatte eine geringere Reichweite und hinterließ einen langen Schweif am Himmel, der seinen Standpunkt verriet. Den Deutschen gelang es daher nicht, ihr eigenes mehrläufiges Raketensystem zu entwickeln.

5. Mädchenname

Warum nannte man den Raketenwerfer Katjuscha? Nun, ein damals beliebtes Lied hieß Katjuscha. Es war der Name eines Mädchens, die Verniedlichungsform von Ekaterina oder Katja, das ihren Freund vermisste, der im Wehrdienst zum Grenzschutz entsandt worden war. Eine andere Theorie besagt, der Buchstabe „K” sei als Hinweis auf den Herstellungsort, die Komintern-Fabrik in Woronesch, auf dem Rahmen der Maschinen platziert worden. Laut der dritten Theorie war Katjuscha der Name der Freundin eines russischen Soldaten, der die Waffe bediente.

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