Russland hat neue Bedingungen für den Einsatz von Atomwaffen genannt

Sputnik
Die Nuklearpolitik des Landes bleibt weiterhin „defensiv“, aber Russland stellt eine Reihe neuer Bedingungen, unter denen ein Atomschlag möglich ist.

Mitte Juni 2020 billigte der russische Präsident Wladimir Putin die „Grundlagen der staatlichen Politik der nuklearen Abschreckung“. Das Dokument benennt alle Fälle von Moskaus Einsatz von Atomwaffen unter den Bedingungen internationaler Spannungen. Es ist bemerkenswert, dass der Text der russischen Nukleardoktrin (wie dieses Dokument genannt wird) erstmals öffentlich herausgegeben wurde.  

Sein Inhalt kann auf der Website des Kremls nachgelesen werden.  

Unter welchen Bedingungen wird Russland Atomwaffen einsetzen?

Moskau betont, dass seine Nuklearpolitik defensiv bleibt.  

„Russland betrachtet Atomwaffen ausschließlich als Mittel der Abschreckung, deren Einsatz die Ultima Ratio ist, und unternimmt alle notwendigen Anstrengungen, um die nukleare Bedrohung zu verringern und eine Verschärfung der zwischenstaatlichen Beziehungen zu verhindern, die zu militärischen Konflikten, auch nuklearer Art, führen könnte“, heißt es in der Nukleardoktrin.  

Gleichzeitig weist er auf eine Reihe von Situationen internationaler Spannungen und direkter Konfrontation hin, in denen Russland Atomwaffen einsetzen wird.  

Erstens handelt es sich um „den Aufbau von Mehrzweckstreitkräften, zu denen auch Kernwaffen-Trägerfahrzeuge gehören, auf den an Russland und seine Verbündeten angrenzenden Gebieten und in den angrenzenden Seegebieten“.

Zweitens „die Stationierung von Raketenabwehrsystemen und -einrichtungen, Marschflugkörpern und ballistischen Raketen mittlerer und kleinerer Reichweite, hochpräzisen nichtnuklearen und Hyperschallwaffen, unbemannten Drohnen und gelenkten Energiewaffen durch Staaten, die Russland als potenziellen Feind betrachten“.

Drittens „die Schaffung und Stationierung von Raketenabwehr- und -angriffssystemen im Weltraum“.

Viertens „der Besitz von Kernwaffen und/oder anderen Arten von Massenvernichtungswaffen durch Staaten, die gegen Russland und/oder seine Verbündeten eingesetzt werden können, sowie die Mittel zur Lieferung dieser Waffen“.

Fünftens „die unkontrollierte Verbreitung von Atomwaffen, ihrer Trägersysteme, Technologie und Ausrüstung für ihre Herstellung“.

Und sechstens „die Stationierung von Atomwaffen und ihrer Trägersysteme auf dem Territorium von Nicht-Kernwaffenstaaten“.

Moskau weist auch auf weitere Situationen hin, in denen es bereit ist, „extreme Maßnahmen“ zu ergreifen.

Dazu gehört „der Erhalt zuverlässiger Informationen über den Abschuss ballistischer Raketen, die das Territorium Russlands und/oder seiner Verbündeten angreifen“, sowie unter den Bedingungen, „dass der Feind nukleare oder andere Massenvernichtungswaffen auf dem Territorium des Landes und seiner Verbündeten einsetzt“.

Darüber hinaus wird der Befehl zum Einsatz von Atomwaffen im Falle „feindlicher Einflussnahme auf kritische staatliche und militärische Einrichtungen der Russischen Föderation, deren Störung zur Unterbrechung der Reaktion der Nuklearstreitkräfte führen wird“ sowie im Falle einer „Aggression unter Einsatz konventioneller Waffen, die die Existenz des russischen Staates an sich bedroht“ gegeben.

Beurteilung durch Militärexperten

Das neue Dokument ist die Quintessenz all dessen, worüber der russische Präsident Wladimir Putin und die Militärführung des Landes in den letzten Jahren gesprochen haben.

„Alles, was früher in verschiedenen Reden einzeln aufgeführt war, spiegelt sich jetzt in der nationalen Sicherheitsstrategie wider. Wir sprechen offen über unsere Absichten, dafür zu sorgen, dass es im Westen keine Spekulationen oder Behauptungen gibt, dass Russland „um der Deeskalation willen [den internationalen Konflikt] eskaliert“, sagte Wiktor Murachowski, Chefredakteur von Arsenal Otetschestwó (dt.: Arsenal des Vaterlands), gegenüber Russia Beyond.

Ihm zufolge ermutige die Veröffentlichung der Grundprinzipien der Nuklearpolitik des Staates im Jahr 2020 dessen Partner dazu, das Abkommen zur offensiven Rüstungsreduzierung (START-3) zu verlängern, da dieses in einem Jahr auslaufen wird und Russland und die USA ihre Atomwaffenarsenale unbegrenzt vergrößern können.

Gegenwärtig haben Russland und die Vereinigten Staaten ihre Atomwaffenarsenale und die Zahl ihrer nuklearen Sprengköpfe auf 1.550 und die Zahl ihrer Trägersysteme (ballistische Interkontinentalraketen, ballistische U-Boot-Raketen und schwere Bomber) auf 700 begrenzt.  

Welche Art von Atomraketen hat Russland? 

Laut der WebsiteStrategítscheskoje jádernoje wooruschénije Rossíi (dt.: Strategische Nuklearwaffen Russlands) sind derzeit folgende Raketen bei der Russischen Föderation im Einsatz:

  • 46 ballistische Interkontinentalraketen R-36M2 (Nato-Code: SS-18Mod. 5 bzw. 6 / Satan) mit jeweils 10 Sprengköpfen;
  • 2 Stratosphären-Gleitflugkörper Awangard – Rakete UR-100NUTTH (Nato-Code: SS-19 Mod. 4 / Stiletto);
  • 45 mobile Bodenkomplexe Topol (Nato-Code: SS-25 / Sickle);
  • 60 silobasierte Komplexe Topol-M (Nato-Code: SS-27/ Sickle-B);
  • 18 mobile bodengestützte Raketensysteme Topol-M (Nato-Code: SS-27 Mod. 1/ Sickle-B);
  • 135 mobile und 14 Minenkomplexe mit Raketen vom Typ RS-24 Jars (Nato-Code: SS-27 Mod. 2/ Sickle-B) mit jeweils 4 Sprengköpfen;

Von diesen Raketen sind die Raketen vom Typ R-36M2 und Topol bald „abgeschrieben“ und werden durch das neueste Modell der Rakete Jars, die sowohl in den Raketensilos der „Vorbewohner“ als auch auf Fahrzeugn platziert wird, sowie durch die Silo-basierte RS-28 Sarmat (Nato-Code: SS-X-30 / Satan 2) mit bis zu jeweils 15 MIRV-Sprengköpfen ersetzt.

>>> Wie man einen Atomkrieg in Moskau übersteht

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