„Kosmonaut Juri Gagarin“: Dieses Mega-Schiff begleitete wichtige sowjetische Weltraummissionen

Alexander Moklezow/Sputnik
Dieses beeindruckende schwimmende Kontrollzentrum hatte 71 Antennen und vier riesige tonnenschwere Satellitenschüsseln an Bord.

Ab den 1950er Jahren war der Sowjetunion nichts zu aufwendig, um ihr Weltraumprogramm voranzutreiben. Sowjetische Ingenieure starteten den ersten künstlichen Satelliten, schickten erfolgreich den ersten Menschen ins Weltall und es war ein Russe, der als erster einen Weltraumspaziergang machte. 

Jede nachfolgende Mission war herausfordernder als die vorherige. Neue Ziele erforderten kreative Entscheidungen. Das galt insbesondere für die Bodenkontrolle. 

Berechnungen hatten ergeben, dass Raumschiffe, die die Erde entlang ihrer Umlaufbahn umkreisten, eine längere Zeit über dem Atlantik flogen. Währenddessen würde sich die Qualität der Kommunikation mit dem sowjetischen Bodenkontrollzentrum verschlechtern. 

Die Wissenschaftler erdachten eine clevere Lösung: Warum nicht ein schwimmendes Kontrollzentrum bauen, um die Raumflüge von jedem Punkt der Erde aus zu überwachen?  

1971 stach das Schiff „Kosmonaut Juri Gagarin“ in See. 

Das unorthodoxe Aussehen dieses absolut einzigartigen Schiffes fiel als erstes ins Auge. Es war mit einer beeindruckenden Zahl von Antennen und Satellitenschüsseln ausgerüstet. Das Schiff führte einen kompletten funktechnischen Befehls- und Messkomplex - die „Foton“ – an Bord, zur Überwachung von Raumfahrtmissionen. 

Die Ausrüstung ermöglichte es, bis zu zwei Raumfahrzeuge gleichzeitig zu beobachten, Koordinaten zu übermitteln, die Flugbahn zu ändern und via Telefon und Telegrafie Kontakt zu den Kosmonauten zu halten. Das Schiff stand auch in ständiger Verbindung mit dem Missionskontrollzentrum in Koroljow.  

Abgesehen von der reinen Flugkontrolle war die „Kosmonaut Juri Gagarin“ auch in der Lage, nach vermissten Raumfahrtgeräten zu suchen und die Rettung von Kosmonauten auf See zu überwachen.

Das Schiff beherbergte insgesamt 75 Antennen und Satellitenschüsseln unterschiedlicher Größe und Funktion. Zwei von ihnen, die auf der Brücke installiert waren, hatten einen Durchmesser von 12 Metern und wogen jeweils 180 Tonnen. Zwei weitere waren noch größer und leistungsstärker. Sie hatten jeweils einen Durchmesser von 25 Metern und ein Gewicht von jeweils 240 Tonnen.

Die enorme Menge und der spezifische Standort der Antennen verursachten bestimmte Probleme im Zusammenhang mit der Navigationsfähigkeit des Schiffes und erforderten einzigartige und konstruktive Lösungen.

Das größte Problem bestand darin, die Stabilität des Schiffes zu wahren, seine Fähigkeit, externen Kräften standzuhalten und diese auszugleichen. 

Die gigantischen Satellitenschüsseln mit ihren elektrischen Einrichtungen und Fundamenten waren nicht nur tonnenschwer, es war außerordentlich wichtig, sie an der richtigen Stelle zu platzieren, um eine sichere und stabile Navigation zu gewährleisten. Die schwersten Elemente ragten hoch über das Deck. Leichtere Elektronik und Navigationsausrüstung befand sich unter Deck. 

Beim Verbindungsaufbau mussten die Satellitenschüsseln gedreht werden. Dadurch glichen sie Segeln und hätten das Schiff zum Kentern bringen können. Bei starkem Wind wurden daher nie Kommunikationssitzungen durchgeführt.

Gyroskopische Instrumente an Bord des Schiffes meldeten den genauen Standort bis auf wenige Winkelminuten. 

Während der Kommunikation mit den Raumfahrzeugen konnte das Schiff nur eingeschränkt gesteuert werden und musste einer festgelegten Route folgen. Die Manövrierfähigkeit des Schiffes musste daher auch unter günstigen Wetterbedingungen und bei geringen Geschwindigkeiten verbessert werden.  

Um diese Aufgabe zu lösen, wurden spezielle interne Lenkvorrichtungen in Form von zwei Pflügen am Bug und achtern eingebaut. Eine solche Konstruktion erleichterte die Steuerung bei niedrigeren Geschwindigkeiten, während des Driftens und Andockens, indem die Stärke der Flut ausgeglichen wurde.

Ein solches schwimmendes Kontrollzentrum für Weltraummissionen muss autonom sein. Das Schiff befindet sich meist auf hoher See, oft Hunderte von Kilometern weit entfernt vom nächsten Hafen, wo Proviant und Kraftstoff nachgeladen werden konnten.   

Die „Kosmonaut Juri Gagarin“ hatte eine Reichweite von 20.000 Seemeilen (entspricht 37.040 Kilometern). Zum Vergleich: Die Reichweite des schweren Flugzeugträgers „Admiral Kusnezow“ beträgt nur 13.546 Kilometer. 

Die Gagarin war von großer Wichtigkeit bei den sowjetischen Weltraummissionen „Luna 20“, „Venera 8“, „Sojus“ und „Salut-7“.

Trotz seiner einzigartigen Eigenschaften fand das berühmte Schiff ein trauriges Ende. Nach dem Zerfall der Sowjetunion ging das zuvor in Odessa registrierte Schiff in die Hände der nun unabhängigen Ukraine und ihres Verteidigungsministeriums über.

Die neuen Eigner des Schiffes hatten keine Weltraumambitionen und kein eigenes Raumschiff oder Kosmodrom. Infolgedessen war die „Kosmonaut Juri Gagarin“ ohne Aufgabe. 1996 verkaufte die Ukraine das Schiff für 170.000 USD pro Tonne an die österreichische Firma Zuid Merkur.

Am 1. August 1996 wurde das Schiff zur Verschrottung nach Alang, Indien, geschickt.

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