Nicht nur Bären und Tiger: Russlands Ferner Osten ist die Heimat der weltweit größten Eulenart

Wissen und Technik
AJAJ KAMALAKARAN
In der Region Primorje leben zwischen 200 und 400 Riesen-Fischuhus. Naturschützer engagieren sich, um diese wunderschönen Eulen vor dem Aussterben zu bewahren.

Wenn es um die Fauna des russischen Fernen Ostens geht, denken viele Menschen vor allem an Großkatzen. Bekannt sind internationale Artenschutzprogramme zur Rettung des Sibirischen (Amur) Tigers und des ebenfalls stark gefährdeten Amur-Leoparden. Diese Raubkatzen sind die inoffiziellen Maskottchen der östlichen Wälder Russlands. In der Taiga der Region Primorje, einem Gebiet, das an Nordkorea, China und das Japanische Meer grenzt, lebt jedoch auch die größte Eulenart der Welt, der Riesenfischuhu (wissenschaftlicher Name Bubo blakistoni).

Die Tiere haben eine Flügelspannweite von etwa 1,80 Meter und werden über 60 Zentimeter groß. Das Weibchen ist viel größer als das Männchen und bringt bis zu viereinhalb Kilogramm auf die Waage.

Ihr Lebensraum erstreckt sich bis nach Hokkaido, Japan und in die chinesische Provinz Heilongjiang. Der Riesen-Fischuhu wird auf der russischen Roten Liste gefährdeter Arten geführt. In Russland erstreckt sich sein Lebensraum im Norden bis nach Magadan und im Osten bis nach Sachalin und auf die südlichen Kurilen, wo eine Unterart lebt.

Riesen-Fischuhus sind eine sesshafte Art und sie verlassen ihr gewohntes Territorium nur, wenn sie extremer Hunger plagt.

Woher hat diese große Eulenart ihren wissenschaftlichen Namen? Der britische Naturforscher Thomas Blakiston, der in Japan lebte, entdeckte den seltenen Vogel als erster. 1883 fing er ein Exemplar auf Hokkaido ein. Dieses wurde später vom Stahlfabrikanten und Amateur-Ornithologen Henry Seebohm Blakiston-Fischuhu genannt. Der wissenschaftliche Name für Uhu ist Bubo.  

Riesen- oder Blakiston-Fischuhus jagen in Ufernähe von Flüssen. Sie suchen Fische statt Mäuse. Auf ihrem Speiseplan stehen Fische, Lachs-Laich, Krebstiere und auch Frösche.

Im russischen Fernen Osten gefrieren die obersten Flussschichten in den Wintermonaten. Der Riesen-Fischuhu findet fließendes Wasser dort, wo die Strömung besonders stark ist oder wo warmes Quellwasser aufsteigt. Ein paar Meter offenes Wasser reichen aus, um den Winter zu überstehen. In den kältesten Monaten jagen die Eulen zusätzlich kleinere Vögel.

Nach den Schätzungen von Naturschützern leben noch 3.700 Riesen-Fischuhus weltweit in freier Wildbahn. In Primorje gibt es geschätzt noch zwischen 200 und 400 Exemplare.   

Gefährdete Spezies

Die Expansion der Holzindustrie und der Bau von Dämmen in Primorje haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Art als gefährdet gilt. Die kommerzielle Fischerei stellt ebenfalls eine Bedrohung für diese Vögel dar, da viele Riesen-Fischuhus bei der Jagd in Lachsfallen geraten und ertrinken.

Obwohl es illegal ist, Riesen-Fischuhus zu jagen, berichten Nachrichtenagenturen aus dem russischen Fernen Osten gelegentlich, dass Jäger die seltenen Tiere schießen. Biologen in Primorje gehen davon aus, dass es keine gezielte Jagd nach Riesen-Fischuhus ist, sondern die Jäger lediglich auf einen großen Vogel anlegen, den sie in der Ferne sehen. Wenn sie dann erkennen, dass sie einen Riesen-Fischuhu erlegt haben, lassen sie den Vogel einfach zurück.  

Der Klimawandel ist eine weitere Herausforderung. Im Jahr 2016 zerstörte ein Taifun 1.600 Quadratkilometer Wald im Sichote-Alin-Biosphärenreservat der Region Primorje, einem wichtigen Rückzugsgebiet der Vögel.

„Primorje liegt zum größten Teil in der gemäßigten Zone. Mensch und Tier müssen sich hier die Ressourcen teilen“, schreibt der Biologe Jonathan Slaght aus Minnesota in seinem 2020 erschienenen Buch „Owls of the Eastern Ice: A Quest to Find and Save the World’s Largest Owl“ (zu Deutsch „Eulen im östlichen Eis: Die Herausforderung, die größte Eulenart der Welt zu finden und zu retten“ - Das Buch ist nicht auf Deutsch erschienen). „Es gibt Fischer und Lachse, Holzfäller und Fischeulen, Jäger und Tiger. Viele Teile der Welt sind zu urban oder übervölkert, als dass solche natürlichen Systeme existieren könnten. In Primorje bewegt sich die Natur in einem Fluss miteinander verbundener Teile.“ Biologe Slaght, Koordinator für Russland und Nordostasien bei der amerikanischen Naturschutz-Stiftung Wildlife Conservation Society, glaubt, dass mit entsprechendem Management des Zusammenlebens der Riesen-Fischuhu gerettet werden könne.

Naturliebhaber und Fotografen, die diese großen Vögel einmal in freier Wildbahn erleben möchten, sollten die Region Primorje im Winter besuchen. Dann sind die vor neugierigen Blicken gut getarnten Riesen-Fischuhus bei ihrer Jagd auf den gefrorenen Flüssen leichter zu entdecken.

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