Meinung: So kämpft Russland um Anteile am globalen Rüstungsmarkt

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Die russischen Rüstungsaufträge haben ein Rekordvolumen von 53 Milliarden US-Dollar erreicht. Wie sieht die Strategie des Landes aus, um neue Kunden zu gewinnen und neue Märkte zu erobern?

Künstliche Gelenke aus Raketenverkleidungen 

Die Ausweitung des Handels mit ausländischen Partnern ist Teil der Strategie der russischen Waffenindustrie, da das Land das Projekt zur Modernisierung seiner technischen und waffentechnischen Fähigkeiten fast abgeschlossen hat. Das 10-Jahres-Programm kostete Russland astronomische 23 Billionen Rubel (rund 350 Milliarden US-Dollar). Nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu wird das Aufrüstungsprogramm im Jahr 2021 zu knapp 72 Prozent abgeschlossen sein, womit Russland an erster Stelle steht. Da sich das Projekt dem Ende zuneigt, werden jedoch auch die Investitionen in das Projekt zurückgehen. 

Präsident Wladimir Putin warnte die Rüstungsindustrie vor der Nichteinhaltung der Diversifizierung ihrer Waffen- und Ausrüstungsproduktion: Bis 2030 muss der Anteil der Rüstungsindustrie an der Produktion von Militärgütern auf 50 Prozent gesenkt werden, während der Rest der Produktion in den zivilen Sektor fließen soll. Allerdings sind die Waffenhersteller nicht sonderlich begeistert davon, für den zivilen Markt in Massen produzieren zu müssen. Und sie sind auch nicht sehr effektiv dabei. 

Natürlich gibt es auch Ausnahmen von der Regel. Seit der MAKS 2019 wirbt der Hersteller von Marschflugkörpern - „Tactical Missile Corporation" (KTRV - Mitglied der Union der Maschinenbauer Russlands) - aktiv für seine Endo-Prothetik. Das Unternehmen verfügt über das Fertigungs-Know-how zur Herstellung einer Vielzahl von Endo-Prothesen in verstärkter Kohlenstoff-Kohlenstoff-Verbundtechnologie. Der Pressemitteilung des Unternehmens zufolge ist das Material in der Lage, Temperaturen von bis zu 2.500 Grad Celsius standzuhalten, und es ist der menschlichen Knochensubstanz sehr ähnlich. Außerdem wachsen die Endoprothesen im Gegensatz zu den Titanprothesen praktisch mit dem menschlichen Organismus mit und müssen nicht regelmäßig angepasst werden. Der Direktor von KTRV, Boris Obnosow, erklärte, dass die Technologie derzeit zertifiziert wird, während die Produktionsanlagen für die Arbeit mit dieser Technologie bereits gebaut werden. Es ist nicht schwer sich ein Material vorzustellen, das dem für die Verkleidung von „Awangard", einem nuklearen Hyperschall-Gleitflugkörper, und der „Zirkon"-Rakete verwendeten Material sehr ähnlich ist.

Nischen besetzen  

Das obige Beispiel ist jedoch eher eine Ausnahme. Die Rüstungsindustrie richtet ihren Blick zunehmend auf die östlichen und westlichen Märkte, da der Binnenhandel zurückgeht. Die jahrzehntelangen Investitionen in die Modernisierung des Militärs und die Anschaffung neuer, hochmoderner Rüstungsgüter haben zu einem Überschuss im militärisch-industriellen Komplex geführt, der nur durch die Erschließung von Märkten in Übersee ausgeglichen werden kann. Das staatliche Unternehmen Rosoboronexport beschloss, russische Waren auf einem Markt zu vermarkten, der außerhalb der normalen Geschäftsbeziehungen Russlands liegt. 

Auf der Luft- und Raumfahrtmesse MAKS 2021 wurde zum Beispiel der leichte taktische Kampfjet „Checkmate“ vorgestellt - der erste seiner Art in Russland. Der Leiter des Unternehmens, Sergej Tschemesow, erklärte, das Flugzeug werde 25 bis 30 Millionen US-Dollar kosten und sei damit billiger als die Konkurrenz aus Übersee. Tschemesow hob insbesondere die französische „Dassault Rafale“ und die schwedische „Saab Gripen“ hervor, die 60 bis 90 Millionen Dollar kosten.

S-400 „Triumph“-Flugabwehrkomplex

Während einer Messe in Abu-Dhabi im Februar 2021 erklärte Industrie- und Handelsminister Denis Manturow, dass Russland und die VAE ein Joint Venture zur Erforschung und Entwicklung von Überschall-Passagierflugzeugen gründen würden. Ihm zufolge wird auf Seiten der VAE der unabhängige Fonds „Mubadala" beteiligt sein.

Anders als der Westen baut Russland bei der Wahl seiner Partner keine politischen „Pentagramme“ auf. Ankara zum Beispiel hat Russland bei Militäroperationen in Syrien mehrfach im Stich gelassen. Im Jahr 2015 schossen türkische F-16-Kampfflugzeuge eine russische Su-24M bei einem Einsatz zur Zerstörung von Terroristenstützpunkten ab, nachdem diese „versehentlich“ in den türkischen Luftraum eingedrungen war (Oberstleutnant Oleg Peschkow wurde dabei getötet). Dies hielt Moskau jedoch nicht davon ab, den Türken den S-400 „Triumph“-Flugabwehrkomplex zu verkaufen. 

Solche Beispiele veranschaulichen die Schritte, die die russische Rüstungsindustrie unternimmt. Die traditionellen russischen Märkte in Indien, China und einer Reihe anderer Länder sind mit russischen Waffen überfüllt. Das Land braucht neue Nischenmärkte. Diese werden jedoch traditionell von den USA und anderen westlichen Ländern besetzt. Russland versucht mit seinen neuen technologischen Möglichkeiten, dies zu ändern. 

Es verkauft nicht nur Waren zu besseren Preisen als die Konkurrenz, sondern ist auch bereit, eine Kreditlinie für den Kunden zu eröffnen. Die Zeitung „Kommersant“ berichtete im Jahr 2020 unter Berufung auf eine diplomatische Quelle, dass Moskau Sri Lanka 500 Millionen US-Dollar für die Anschaffung von sechs Su-30-Kampfjets und einer Lieferung von gepanzerten Mannschaftstransportern BTR-28A zur Verfügung stellen wolle. Darüber hinaus will Moskau die Entwicklung vielversprechender Waffen mitfinanzieren. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen Russland und den westlichen Ländern ist die Bereitschaft, seine Technologien zu teilen. 

Dmitri Litowkin ist Militärexperte und Chefredakteur der „Nesawissimoje wojennoje obosrenije“ (zu Deutsch „Unabhängige Militärrevue“).

>>> Wie wurde Russland zu einem der größten Waffenexporteure der Welt?

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