Eine Software macht Jagd auf Pädophile im Netz

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Wissenschaftler der renommierten Higher School of Economics in Moskau haben zusammen mit europäischen Kollegen ein Programm entwickelt, das potenzielle pädophile Straftäter im Internet aufspürt.

Im Schutz der vermeintlichen Anonymität ist das Internet ein Sammelbecken für kriminelle Aktivitäten. Besonders Kinder und Jugendliche sind gefährdet. Um potenzielle Straftäter in den Weiten des World Wide Web aufzuspüren, haben Fachleute der Moskauer Higher School of Economics zusammen mit europäischen Kollegen eine spezielle Software entwickelt.

Sie analysiert nicht strukturierten Fließtext und kann für unterschiedliche Zwecke eingesetzt werden. Am interessantesten ist die Anwendung dieses Programms, um Pädophile in Internetchats zu entlarven. Bereits seit 2011 haben die Wissenschaftler an der Software gearbeitet, nun wird sie erstmals von der Amsterdamer Polizei eingesetzt. Softwarename sowie Programmdetails sind geheim.

Der Computer lernt, was Pädophilie bedeutet

Doch zumindest die Arbeitsweise der Software ist bekannt: Das Programm analysiert den Gebrauch von obszönem Vokabular in Internetchats, beleuchtet den Charakter von Kontakten der Chatteilnehmer, deren Wortwahl und zeigt mögliche Sexualhandlungen an. Die Auswertung wird einem Kriminologen überlassen.

Das Programm besteht aus mindestens sechs großen Blöcken. Der von den russischen Forschern entwickelte Block analysiert Fließtext auf Basis bestimmter Begriffe, die Methode ist bekannt als Formale Begriffsanalyse (Formal Concept Analysis). Mithilfe dieses Programmblocks wird das sogenannte Diagramm der Entscheidungsfindung entwickelt, eine praktische Veranschaulichung der Ergebnisse. Derzeit ist diese Komponente Teil des automatisierten wissenschaftlichen Forschungssystems Formal Concept Analysis Research Toolbox (FCART).

„Die Erkenntnisbasis definiert die Computervorstellung der Begriffe ‚pädophil‘, ‚Verbrechen‘, ‚flirten‘ und ‚persönliches Treffen‘. Dazu integrierten wir das Wissen von Kriminologen in das Softwareprogramm, sodass die Bearbeiter nun mithilfe von Diagrammen bestimmte Textcharakteristiken haargenau erkennen können. Früher mussten sie die Texte einer Chatsitzung umständlich analysieren“, erklärt Alexej Nesnanow, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter des Labors für intelligente Systeme und strukturelle Analyse an der Higher School of Economics.

Doch nicht alle Kinderfotografen sind pädophil

Das Programm kann einen Sexualstraftäter auch dann ermitteln, wenn er unter verschiedenen Nicknames im Chat unterwegs ist. Das Ermittlungsverfahren erfolgt aufgrund des Gebrauchs ähnlichen Vokabulars. Hierzu analysiert das Programm verschiedene Chatsitzungen, untersucht, in welcher Reihenfolge die Textfragmente entstanden und wie sie miteinander zeitlich verbunden sind. Diese Funktion wurde von belgischen und niederländischen Forschern entwickelt.

Bei der Programmentwicklung mussten die Wissenschaftler besondere Eigenschaften von Internetchats mitberücksichtigen. „In der Softwarebasis haben wir unterschiedliche Bezeichnungen von Körperteilen, Slang, Zahlen-Wort-Kombinationen, in denen eine ‚2‘ für ‚to‘ und eine ‚4‘ für ‚four‘ steht, Standardabkürzungen wie ‚LOL‘ und verbreitete Fehlschreibungen bestimmter Wörter integriert“, erklärt Nesnanow.

Außerdem mussten belanglose Gespräche herausgefiltert werden. „Ein klassisches Beispiel hierfür sind Fotografenchats, in denen Naturgruppenaufnahmen von Kindern besprochen werden. Speziell für solche Fälle haben wir den Terminus ‚Foto- und Videoanfragen‘ präzisiert, um zu berücksichtigen, dass die meisten Fotografen nicht pädophil sind“, sagt Nesnanow.

Verfolgung in mehreren Sprachen

Das Programm wurde anhand von Texten einer US-amerikanischen Organisation, die sich gegen Kindesmissbrauch engagiert, sowie einer Schulungsdatenbank mit Angaben zu real begangenen Straftaten getestet. Die Software kann nicht nur für Chatsitzungen, sondern auch für andere Onlinemedien, wie zum Beispiel zur Analyse von sozialen Netzwerken, eingesetzt werden.

Die Software scannt sowohl öffentliche als auch geschlossene Chats von Minderjährigen mit Einwilligung ihrer Eltern. Geschlossene Chats werden von getarnten Polizisten überwacht und die Chatverläufe in polizeilichen Datenbanken gesichert.

Das Programm kann nach jetzigem Stand englische, holländische und deutsche Texte analysieren. Mit anderen Sprachen, wie etwa Russisch, haben die Forscher bisher nicht gearbeitet. Dafür und für eine Reihe weiterer Sprachen fehlt es den Experten zufolge noch an computerlinguistischen Instrumenten, die einem ausreichenden Niveau entsprechen würden.

Die Gefahr der Instant Messenger

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