Wie reagiert Russland auf das Nato-Militärmanöver?

Mehr als 31 000 Militärs beteiligen sich an der Übung in Polen.

Mehr als 31 000 Militärs beteiligen sich an der Übung in Polen.

Reuters
Am Dienstag hat in Polen das größte Nato-Militärmanöver seit dem Ende des Kalten Krieges begonnen. Für viele Experten gilt es als direkte Reaktion auf Militärübungen Russlands in den vergangenen Monaten. Für die Schaffung eines gemeinsamen Sicherheitskonzepts sei dies jedoch nicht förderlich.

Mehr als 31 000 Militärangehörige der Nato-Truppen und insgesamt 3 000 Panzerfahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe treffen derzeit zum Manöver „Anakonda 2016“ in Polen zusammen. Die Übung begann am Dienstag und soll noch bis Montag fortgeführt werden.

Das polnische Verteidigungsministerium erklärte ziemlich abstrakt, das Militärmanöver diene der „Stärkung der Kooperation zwischen nationalen und alliierten Truppen im Rahmen einer gemeinsamen Verteidigungsoperation im Falle eines verdeckten Angriffs“. 

Laut dem Militärexperten der russischen Zeitung „Izwestija“ Dmitrij Safonow sind die gemeinsamen Militärübungen eine übliche Praxis für jede internationale Organisation. Ähnliche Übungen führe auch Russland im Rahmen der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS) durch. „Anakonda 2016“ sei zudem eine logische Reaktion auf die letzten russischen Militärmanöver.

Gemeinsame Militärübungen könnten Vertrauen schaffen

Allerdings findet die Nato-Übung nur einige Wochen vor dem Nato-Gipfel in Warschau statt. Das Manöver könne die Vorstellung einer „von Russland ausgehenden Bedrohung“ in den Köpfen der Europäer stärken, sagt Safonow. Es eigne sich zudem als Vorwand, um die Militärausgaben des Nordatlantischen Bündnisses zu steigern und neue Stützpunkte in Osteuropa zu platzieren. Seiner Ansicht nach fürchtet die EU, dass Russland die ehemaligen Sowjetrepubliken unter seinen Einfluss bringen und Westeuropa angreifen könnte. 

„Der Übungsplan ist auf lokale Auseinandersetzungen auf einem begrenzten Territorium ausgelegt. Aber in der Realität führt man solche Kämpfe gar nicht. Jeder Konflikt, sei er noch so klein, wird die Welt an den Rand eines Atomkriegs bringen. Es gibt keine andere Option“, ergänzt der Experte.

Jedes Militärmanöver, das in unmittelbarer Nähe der eigenen Grenzen durchgeführt wird, stoße auf Kritik der benachbarten Staaten. Um dies zu vermeiden, müsse man gemeinsame Militärübungen Russlands und der Nato organisieren, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war.

Russland soll zum Feindbild stilisiert werden

Der ehemalige Generalstabschef und jetzige Präsident der Akademie für Geopolitik Generaloberst Leonid Iwaschow sagt, dass die Nato-Führung und Politiker in osteuropäischen Ländern einen wichtigen Aspekt verschwiegen: Die gesamte Rechtsbasis und das Konzept der russischen Streitkräfte seien auf Verteidigungszwecke ausgerichtet.

„Das polnische Verteidigungsministerium spricht über eine präzedenzlose Zahl von Militärübungen und über die Präsenz von russischen Militärangehörigen an den Grenzen Europas, obwohl es über jedes Manöver im westlichen Militärbezirk ein Jahr im Voraus informiert wird“, betont Iwaschow.

Die Politik der Allianz ziele darauf ab, das „mentale Feindbild Russland“ bei den Menschen zu festigen. „Die Gesetze der Kampfkunst sind für alle gleich: Man muss seinem Gegner zahlenmäßig und technologisch überlegen sein. Die Truppenstärke der Nato-Streitkräfte ist dreimal so hoch wie jene Russlands. Hier kann keine Rede von einer russischen Aggression sein“, sagt Iwaschow.

Wie reagiert Russland?

Das russische Verteidigungsministerium kündigte Anfang 2016 sein Vorhaben an, drei neue Divisionen und eine Panzerarmee für die westliche Grenze zu gründen.

In Friedenszeiten werden in jeder Division bis zu 13 000 Militärangehörigen stationiert sein. Die motorisierten Schützeneinheiten werden mit den modernsten Fahrzeugen vom Typ BMP-3 und BMP-4 sowie selbstfahrenden Panzerhaubitzen vom Typ Koalitsiya-SV ausgestattet.

Die Panzerarmee wird rund 800 Fahrzeuge umfassen. Die Panzer des Typs T-72B3 und T-90 werden dorthin verlegt. Die veraltete Militärtechnik wird im Rahmen eines Umrüstungsprogramms bis 2020 modernisiert. Sie wird durch die modernsten russischen Panzer T14 „Armata“ ersetzt.

Der Generaloberst unterstreicht, dass die Aufstockung der Streitkräfte zur erneuten Entfachung des Kalten Krieges führen könne.

„Es ist wichtig, jetzt auf aggressive Rhetorik zu verzichten. Die Europäer wollen keinen neuen Krieg. Ein neuer Krieg wird nur in die Hände der multinationalen Unternehmen spielen, die mit militärischen Konflikten ihre Gewinne erwirtschaften. Wir müssen gemeinsam an einem kollektiven Sicherheitssystem arbeiten, anstatt dem Gegenüber mit neuer Militärtechnik Angst einjagen zu wollen“, betont der Experte.

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