Vergangene Woche kündigte der langjährige Fifa-Präsident Joseph Blatter das Ende seiner Funktionärslaufbahn an. Einen Tag zuvor, am 21. Dezember, hatte das Fifa-Ethik-Komitee den 79-jährigen Schweizer für acht Jahre von allen Fußball-Tätigkeiten gesperrt. Dieselbe Entscheidung wurde auch bezüglich des suspendierten Uefa-Präsidenten Michel Platini getroffen. Der Grund des harten Urteils sind zwei Millionen Schweizer Franken, die Blatter im Februar 2011 Platini ohne entsprechende Belege überwiesen hatte. Die beiden Funktionäre meinen, Platini hätte das Geld für seine Arbeit als Blatters Berater bei der Fifa 1998 bis 2002 bekommen. Die Ermittler dagegen glauben, dass das Geld als Belohnung Platinis für dessen Unterstützung Blatters bei den Fifa-Präsidentenwahlen geflossen ist.
Blatters Anwälte lassen sich Zeit mit dem Einlegen eines Widerspruchs. Der suspendierte Präsident denkt indes über eine journalistische Tätigkeit nach – Radio France Internationale lud ihn ein, die Spiele des Französischen Fußballpokals zu begleiten. Fifa-Interimspräsident ist Issa Hayatou. Erst am 26. Februar finden Wahlen zu einem neuen Leiter der Organisation statt. Buchmacher halten den Präsidenten der Asiatischen Fußball-Konföderation AFC, den Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa, für den aussichtsreichsten Kandidaten. Russland werde jedoch den Uefa-Generalsekretär Gianni Infantino unterstützen, wie der russische Sportminister Witali Mutko in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Tass ankündigte.
Boris Ignatjew, Ex-Trainer der russischen Nationalmannschaft:
„Wjatscheslaw Koloskow, Präsident des Russischen Fußballbundes (RFS) 1992 bis 2005, hat wunderbare Beziehungen mit Blatter aufgebaut. Er war Fifa-Vizepräsident und hat dem Schweizer viel geholfen. Ich denke, seit jener Zeit waren die Russen für Blatter Freunde. Wir haben ihn nie im Stich gelassen. Russland hat viele Turniere unter Fifa-Schirmherrschaft organisiert – und tut dies noch immer. Noch nie haben wir auf solche Veranstaltungen verzichtet. Blatter hat das zu Recht geschätzt und uns verteidigt, wenn jemand Russland ohne Grund beschuldigte. Nun kann sich alles ändern. Ein beeinflussbarer Mensch könnte an die Spitze der Fifa kommen, der die Politik in die Organisation hereinlässt. Wenn der neue Leiter uns nicht nach unseren Fußballspielen, sondern nach unserer Außenpolitik beurteilen wird, kann Russland die WM verlieren. Das kann man nicht ausschließen.“
Nikolai Pisarew, Sportdirektor des Russischen Fußballbunds:
„Wir brauchen uns keine Sorgen zu machen. Bei den Ermittlungen der Schweizer Staatsanwaltschaft wird Russland nicht erwähnt. Unsere Vorbereitungen zum Fifa-Konföderationen-Pokal im Sommer 2017 laufen ruhig weiter. Wir müssen uns auf den Bau der Stadien und der Infrastruktur für die WM 2018 konzentrieren und die Provokationen ignorieren. Wir haben Schwierigkeiten mit den Stadien in Wolgograd und Kaliningrad. Ich bin aber sicher, dass wir sie überwinden werden. Alle Fifa-Kommissionen sind mit unserer Arbeit zufrieden. Die Diskussionen, dass Russland und Katar die Weltmeisterschaften abgenommen werden sollen, finden allein in Medien statt. Ich glaube nicht, dass sie den Lesern wirklich objektive Informationen übermitteln wollen.“
Alischer Aminow, unabhängiger Fußball-Experte, Vizepräsident der Internationalen Stiftung für rechtliche Initiativen:
„Die Fifa erlebt eine tragische Geschichte. In dieser Situation wäre es besser, die Fifa ganz aufzulösen und eine neue internationale Fußballorganisation zu eröffnen. Denn das Korruptionsniveau hat sein Maximum erreicht. Ich denke, dass die Fifa schon im nächsten Jahr aufgelöst werden könnte. Vor allem dann, wenn ein nicht-europäischer Kandidat gewinnt. Es gibt schon Meldungen, dass führende Fußballverbände Europas aus der Fifa austreten und ihr eigenes Turnier organisieren könnten. Für Russland hätte das schlechte Auswirkungen. Ich weiß nicht, ob uns die WM abgenommen wird. Viel Zeit ist nicht mehr. Sicher ist nur, dass es keine breitere Repräsentanz von russischen Funktionären in der Fifa geben wird. Auf Dauer würde uns das auch nur schaden.“
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