"Russland beabsichtigt nicht, den europäischen Kontinent zu verlassen – weder ökonomisch, noch politisch oder mental", schreibt Dmitrij Medwedjew.
ReutersIn der Zeitschrift „Fragen der Wirtschaft“ hat der russische Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew einen Aufsatz veröffentlicht. „Neue Realität: Russland und die globalen Herausforderungen“ nennt der Politiker seine Analyse der Veränderungen in der globalen Wirtschaft, die Einfluss auf die Entwicklung in Russland nehmen.
„Es geht nicht nur um die Überwindung der aktuellen und alten Probleme, Krisenerscheinungen, Defizite und Disproportionen“, schreibt Medwedjew. „Ungeachtet dieser immens wichtigen Arbeit und der heutigen komplizierten Bedingungen ist es wichtig, strategische Ziele und Aufgaben für uns zu formulieren, die wir gewillt sind zu erreichen und zu erfüllen.“ Auch wenn das Ziel noch recht fern erscheine und die Lösung sehr kompliziert sei, lasse sich die Lösung leicht formulieren: „Eintritt (auch wenn der Ausdruck „den Durchbruch schaffen“ auf der Zunge liegt, ist die Armeeterminologie hier wohl unangebracht) in die Gruppe der Länder mit dem höchsten Lebensniveau.“ RBTH gibt die zentralen Aussagen Medwedjews wieder.
Medwedjew über die Beziehungen zum Westen und zum Osten:
Ungeachtet der gegenwärtigen, in vielen Bereichen durch die Krise geprägten Beziehungen mit dem Westen, ist eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit so oder so unausweichlich. Russland beabsichtigt nicht, den europäischen Kontinent zu verlassen – weder ökonomisch, noch politisch oder mental. Die Beziehungen werden sich auch in Zukunft ändern, aber die strategische Ausrichtung bleibt unausweichlich auf das Gleiche gerichtet: Zusammenarbeit, Partnerschaft und – bei einem günstigen Ereignisverlauf – Bildung eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes.
Die geografische und geopolitische Lage Russlands gestattet nicht nur, sondern erfordert von uns in gewissem Sinne eine aktivere Entwicklung der Zusammenarbeit in Richtung Osten. Dabei ist die Rede von Ländern wie China, Vietnam, Japan, Korea (als Ganzes), die Staaten der Asiatisch-Pazifischen-Region sowie die Mitgliedsstaaten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und die Brics-Länder, die sich in den unterschiedlichsten Regionen der Welt befinden.
Medwedjew über staatliche Eingriffe in die Wirtschaft:
Die Hauptaufgabe besteht jetzt nicht nur in der Absicherung des Wachstums, sondern einer neuen Qualität.
Es müssen moderne Finanzierungsmechanismen geschaffen werden, um das Wirtschaftswachstum und die Erneuerung zu stimulieren. Staatliche Investitionen werden dabei zweifellos eine Rolle spielen. Vor allem heutzutage, wo sie es in einem gewissen Maße ermöglichen, die geringe Aktivität von Investoren zu kompensieren.
Aber staatliche Investitionen können nicht für ewige Zeiten die Hauptquelle des Wachstums sein. Der Staat darf auch nicht die Druckerpresse als Geldquelle missbrauchen: Die Freiheit der unkontrollierten Geldemission ist eine sehr gefährliche Freiheit. Der Verweis auf diesbezügliche positive Erfahrungen des Westens entbehrt jeder Grundlage.
Die Akquisition von Privatinvestoren muss für die staatlichen Verwaltungsbehörden aller Ebenen in den Vordergrund rücken.
Medwedjew über die Bedeutung eigener Rücklagen:
Die Hauptquelle der Investitionen müssen eigene Rücklagen sein. Das ist eine strategische Aufgabe für einen langen Zeitraum, aber wir müssen den Weg zu diesem Ziel aufnehmen. In diesem Zusammenhang werden wir auch die Frage einer effektiven Nutzung der Pensionskassen erörtern. Die Pensionskassen und daneben das Versicherungssystem sind die Hauptquelle für die Generierung „langfristiger Gelder“ in der Wirtschaft.
Ungeachtet aller geopolitischen Schwierigkeiten, Sanktionen und verschiedensten Einschränkungen darf das Problem der Akquisition ausländischer Investitionen nicht vergessen werden. Ein Unterschätzen dieses Problems würde bedeuten, dass wir die uns oktroyierte Politik der Isolation zu eigen machen.
Die Entwicklung kleiner und mittelständischer Unternehmen ist die Grundlage für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und gleichzeitig ein Faktor zur Absicherung der sozialen Stabilität.
Medwedjew über Wettbewerb und Importsubstitution:
Ein Hauptgrund für den geringen Wettbewerb ist die Sorge um die soziale Stabilität in den Betrieben und in den Regionen. Deshalb ist die Entwicklung eines modernen Arbeitsmarktes sowohl ein soziales, wie auch ein ökonomisches Problem. Ein formeller Ansatz bei der Lösung dieses Problems verhindert die Schaffung hochproduktiver Arbeitsplätze.
Das Exportwachstum im Nicht-Energie-Sektor ist eines der Kennzeichen dafür, dass die Importsubstitution tatsächlich gegriffen hat und langsam positive Ergebnisse bringt.
Die vollständige Fassung des Artikels wurde in der Zeitschrift „Fragen der Wirtschaft“, Ausgabe 10/2015, veröffentlicht.
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