"Es liegt nicht an meiner Arbeit, sondern am Ölpreis"

Der scheidende AHK-Chef über Brücken in Politik und Wirtschaft.

Der scheidende AHK-Chef über Brücken in Politik und Wirtschaft.

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Am 31. März gibt es einen Führungswechsel bei der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) in Moskau. Michael Harms, seit 2007 an der Spitze der Kammer, wechselt als Geschäftsführer zum Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft nach Berlin. Einziger Kandidat für seine Nachfolge ist der bisherige Leiter des Spiegel-Büros in Moskau, Matthias Schepp.

Warum verlassen Sie die AHK, Herr Harms?

Nach fünf Jahren wird in jedem Beruf vieles zur Routine, da will man auch mal etwas anderes machen. Mein Vertrag lief bis 2017, ich hatte meinem Arbeitgeber bereits mitgeteilt, dass ich danach nicht weiter machen würde, jetzt kam zufällig das Angebot vom Ost-Ausschuss.

Was macht eigentlich ein AHK-Vorsitzender den ganzen Tag?

Meine Kinder fragen mich das auch immer. Rein äußerlich betrachtet, verdiene ich mein Geld damit, E-Mails zu schreiben. Aber im Ernst: Wir kümmern uns um das Netzwerk der deutschen Firmen, organisieren Veranstaltungen, pflegen Kontakte in die Politik und werben um die Verbesserung von Rahmenbedingungen. Schließlich helfen wir den Firmen bei konkreten Themen wie Arbeitsgenehmigungen oder der Personalsuche.

Was war ihr höchster Kontakt in der russischen Politik?

Ministerpräsident Medwedew. Bis zu Putin habe ich es nicht geschafft. Zwar habe ich auch ihm mal die Hand geschüttelt, aber nie persönlich mit ihm zusammengearbeitet.

Und wie ist Medwedew so?

Gut gelaunt, relativ locker, sehr wortgewandt. Er reagiert gut als Ansprechpartner. Zu seiner Wirksamkeit kann man bekanntlich geteilter Meinung sein.

Welche Aufgabe erwartet Sie beim Ost-Ausschuss?

Der Ost-Ausschuss befasst sich ja nicht nur mit Russland und seine Themen sind allgemeiner, näher dran an der Politik. Von Berlin kann man auch schwer das Zollproblem einer Firma lösen, was ich in Moskau oft machen musste.

Sie werden auch mit der Ukraine zu tun haben …

Ich freue mich darauf. Die Ukraine darf nicht scheitern, das ist eine Aufgabe für ganz Europa einschließlich Russlands. Wenn die deutsche Wirtschaft einen Beitrag dazu leisten kann, ist das sehr gut. Ich halte es für einen Fehler, wenn wir die Ukraine einseitig nach Europa bringen wollen. Die Brückenfunktion nach Russland wäre auch für die Ukraine wichtig.

Ist Berlin inzwischen ein hartes Pflaster, wenn man sich für das Russlandgeschäft einsetzt?

Das glaube ich nicht. Das Bild der Medien von den deutsch-russischen Beziehungen spiegelt nicht wider, was die deutsche Politik wirklich denkt. Ich habe in ihr nie einen „Russlandfeind“ getroffen. Auch die, die Russland kritisieren, denken ständig daran, wie man unser Verhältnis mit Russland verbessern kann. Das ist der wichtigste Impetus der deutschen Politik, wie ich sie erlebt habe.

Viele deutsche Unternehmer in Moskau ärgern sich über die Russlandberichterstattung. Jetzt soll ausgerechnet ein Medienvertreter Ihr Nachfolger werden.

Ich gehöre nicht zu denen, die meinen, die deutschen Medien würden falsch über Russland berichten. Matthias Schepp hat sich im Auswahlprozess in Berlin durchgesetzt. Klar ist das eine Herausforderung, da er aus einem anderen Metier kommt und sich in eine andere Fragestellung einarbeiten muss. Ich traue ihm das auf jeden Fall zu.

Zuletzt mussten Sie verkünden, dass wieder hunderte deutsche Firmen Russland verlassen haben. Hat Ihnen das die Bilanz vermasselt?

Wenn ich der Vorstandschef eines großen Unternehmens wäre, wäre meine Abschlussbilanz nicht schön. Aber es versteht jeder, dass es nicht an meiner Arbeit liegt, sondern am Ölpreis, der Rezession in Russland und den geopolitischen Problemen. Auch wenn ein Genie an meiner Stelle gesessen hätte, wäre es so gekommen.

Was werden Sie am meisten an Russland vermissen?

Das berufliche Umfeld, die deutsch-russische Business-Community, die sich hier ständig trifft und austauscht. Ich habe hier viele interessante Menschen kennengelernt und Freunde gefunden. Die Stadt Moskau weniger, die doch ermüdend ist.

Die ungekürzte Fassung dieses Beitrags erschien zuerst bei der Moskauer Deutschen Zeitung.

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