Russland wird klimafreundlich – aus ökonomischen Gründen

Blockheizkraftwerk in Moskau. Foto: ITAR-TASS

Blockheizkraftwerk in Moskau. Foto: ITAR-TASS

Nicht nur Industrie-, sondern auch Schwellenländer wie China oder Indien werden aufgrund ihrer klimaschädlichen Emissionen kritisiert. Auch die Bilanz Russlands ist nicht besser: doch Moskau geht das Problem jetzt an.

Russland ist laut der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen der drittgrößte Emittent von Treibhausgasen weltweit, nach China und den USA. Das Land verursacht außerdem einen der höchsten CO2-Ausstöße pro Kopf, bezogen auf den Energieverbrauch.

„Für Russland steht beim Kampf gegen den Klimawandel viel auf dem Spiel”, sagt Alexei Kokorin, Klimaexperte beim WWF in Moskau. Russland müsse die Umweltprobleme ernst nehmen. In der Vergangenheit habe es allerdings oft das Gegenteil getan. Klimaskeptiker und Verschwörungstheorien hätten die Debatte dominiert. Sogar Premierminister Wladimir Putin habe einmal scherzhaft angemerkt, dass ein leichter Anstieg der Temperaturen doch gar nicht so schlecht wäre in einem so frostigen Land wie Russland. Schließlich müssten die Leute dann keine Pelzmäntel mehr tragen. Sogar das russische Staatsfernsehen zeige bedrohliche Dokumentationen, um den Klimawandel als Mythos zu beschreiben.

Die Öffentlichkeit ignoriere deshalb das Problem oft noch, erklärt der Umweltaktivist. Das Thema Klimaschutz finde sich nach wie vor ganz unten auf der russischen Prioritätenliste.

„Die Menschen in Russland lesen zwar in den Zeitungen vom Klimawandel, aber sie glauben, dass der weit weg stattfindet, in der Arktis oder in den USA”, erklärt Kokorin. „Ihnen ist nicht klar, dass ihr Verhalten etwas damit zu tun haben könnte, also ändern sie es auch nicht.“

Kein Ansporn, grün zu werden


Zwar hat sich Russland dazu verpflichtet, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 10-15 Prozent im Vergleich zum Wert von 1990 zu drosseln. Allerdings liegt der Wert bereits heute ein Drittel darunter. Der Grund dafür liegt im Kollaps des energiehungrigsten Sektors, der sowjetischen Industrie nach der politischen Wende. Deshalb könnte die russische Wirtschaft noch eine Weile weiter wachsen, bevor die Notwendigkeit, 'grün' zu werden, sie einholen würde.

„Es gibt überhaupt keinen echten politischen Willen und schon gar kein Bewusstsein, eine grüne Industrie zu entwickeln oder in erneuerbare Energien und neue Technologien zu investieren”, erklärt Stefan Meister, Russland-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin.

In Russland läuft immer noch zum Großteil die veraltete sowjetische Technik. In dem Riesenreich rußen nach wie vor etliche alte Kohlekraftwerke, werden heruntergekommene Produktionsstätten für Nickel weiterhin betrieben oder verschmutzen qualmende Schlote von Aluminium-Fabriken die Luft. Der wirtschaftliche Aufschwung Russlands der vergangenen zehn Jahre hat zu Millionen neuer Autos auf den Straßen geführt, die ihrerseits zu katastrophalen Verkehrsproblemen und dreckigen Städten beigetragen haben.

Klimawandel öffnet neue Türen


Lange kann Russland so nicht mehr weiter machen, das zeigen die Auswirkungen des Klimawandels auch hier. In den vergangenen Jahren haben sich die Symptome deutlich verschärft – immer mehr Fluten, Stürme, Waldbrände, schmelzende Permafrostböden oder Hitzewellen bestimmen inzwischen das russische Klima. Um dagegen vorzugehen, hat Moskau 2009 eine Klima-Doktrin angenommen, in der erstmals festgeschrieben wurde, dass der Mensch die Schuld am Klimawandel trägt. Ein großer Meilenstein. Ein noch größerer ist die russische Erkenntnis, dass es in dem Land ein enormes Potential gibt, Energie zu sparen und die Energieverschwendung durch die Erneuerung alter, maroder Systeme zu verringern. Präsident Medwedew hat kürzlich sogar die öffentlichen russischen Versorgungsanlagen als unfassbar ineffektiv bezeichnet. Die Infrastruktur der Gebäude sei ein “schwarzes Loch, das enorme Energiemengen einfach verschlucke”, so der Präsident.

Diese Rethorik ist nach einhelliger Experten-Meinung vor allem wirtschaftlichen Gründen geschuldet. Es geht also nicht unbedingt um das Schicksal der Eisbären aufgrund der globalen Erwärmung, sondern vielmehr darum, dass sich neue Chancen für die exportabhängige russische Wirtschaft ergeben könnten. Schließlich ist ein modernisiertes System weltweit deutlich wettbewerbsfähiger als ein unmodernes. Das sagt auch Anna Korppoo. Sie beschäftigt sich am norwegischen “Fridtjof-Nansen-Institut” mit den Klimaproblemen Russlands. Auch wenn dort weniger durch Klima-Strategien gelenkt werde, sagt Korppoo, müsse man auch die guten Seiten sehen. “Ökonomische Gründe sind viel wirkungsvoller als alle Klimabedenken, um eine Denkrichtung zu verändern.”

Zählbarer Erfolg


Moskau hat der Energie-Verschwendung also den Kampf angesagt. Sie soll um 40 Prozent bis 2020 zurück gehen. Kürzlich verabschiedete Energie-Gesetze sollen ein vernünftiges Messsystem einführen, Standards bei der Energieeffizienz für Gebäude verankern und den veralteten Glühbirnen den Kampf ansagen. Die große Frage allerdings ist: Werden diese Maßnahmen jemals umgesetzt?

„Zur Zeit gibt es noch einen großen Widerspruch zwischen der Gesetzgebung und der tatsächlichen Umsetzung”, sagt Korppoo. Nur durch flankierende Maßnahmen, wie eine Reform der Verwaltung, der Finanzierung solcher Projekte, sowie des Energiepreises sei es möglich, die ambitionierten Pläne auch umzusetzen. Wenn das klappt, dann könnten die Ergebnisse bemerkenswert sein. Treibhausgas-Emissionen würden spürbar gesenkt und Russland könnte sich endlich von der Liste der Umweltverschmutzer verabschieden und sich auf der Liste der Klimaschutz-Nationen eintragen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei der Deutschen Welle.


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