Was verbirgt sich hinter der russischen Redewendung: Den Griff erreichen?

Kira Lisitskaja (Foto: W.Sawostjanow/Sputnik; Legion Media; Paper Boat Creative/Getty Images)
In der russischen Sprache gibt es eine Vielzahl von phraseologischen Ausdrücken und Redewendungen, die in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind und die interessantesten kulturellen Eigenheiten widerspiegeln. Hier ist eine weitere, die Ihnen hilft, Russen besser zu verstehen: Дойти до ручки (Dajtí do rútschki) – Am Stock gehen, wörtlich: Den Griff erreichen.

„Chruschtschow hat uns dazu gebracht, am Stock zu gehen! Die Ladenregale sind leer!“

„Ich hasse Routine! Ich langweile mich und gehe am Stock.“

„Er hat so hart gearbeitet, dass er in der U-Bahn einfach eingeschlafen ist, er geht am Stock.“

Haben Sie die Bedeutung dieses Ausdrucks aus diesen Beispielen verstanden? Was haben sie gemeinsam?

Der Ausdruck Den Griff erreichen scheint ein wenig seltsam zu sein. Auf welchen Griff bezieht sich das? Und warum ist es schlecht, ihn zu erreichen?

Dajtí do rútschki bedeutet, in eine extrem schwierige, fast aussichtslose Situation zu geraten oder jemanden oder etwas in eine solch schwierige Situation zu bringen. Von jemandem, der „den Griff erreicht“ hat, kann man erwarten, dass er alles tut, weil er seine Situation nicht mehr erträgt und nicht mehr damit umgehen kann.

Wie ist der Ausdruck entstanden?

Kalatsch-Verkäufer, 19. Jahrhundert.

Im alten Russland gab es einen beliebten Snack, der schon im Mittelalter bekannt war und Kalatsch heißt. Dabei handelte es sich um ein frisch gebackenes Hefeteigbrötchen „to go“, das eine Art Griff hatte! Während das Brötchen selbst weich und schmackhaft war, war der „Griff“ eher fest (und nicht so schmackhaft).

Die Menschen im alten Russland, die diese Brötchen als Straßenimbiss aßen, ohne sich vorher die Hände zu waschen, konnten es so mit diesem „Griff“ leicht festhalten. Dieser wurde nicht mitgegessen, weil er als schmutzig galt – der Bäcker oder Verkäufer und dann der Kunde selbst fassten ihn mit ihren nicht unbedingt sauberen Händen an.

Normalerweise warfen die Menschen nach dem Verzehr eines Kalatschs den „Griff“ weg oder sie gaben ihn streunenden Hunden oder Bettlern. Nur eine sehr hungrige und arme Person aß alles auf und wurde als jemand betrachtet, der „den Greif erreicht hat“.

Eine andere Version des Ausdrucks stammt aus dem Leben der Kaufleute. Normalerweise warfen wohlhabende Kaufleute diese „Griffe“ weg, aber wenn sie viele dieser Kalatschi für eine Festtafel kauften und dann die „Griffe“ nicht wegwarfen, sondern sie behielten oder sogar aßen, bedeutete das, dass sie nicht mehr als wohlhabend galten. Sie hatten „den Griff erreicht“ oder wurden durch die Umstände „an den Griff gebracht“. 

Die heutige Bedeutung

Eigentlich war die ursprüngliche Bedeutung nicht so dramatisch. Sie bezog sich einfach auf finanzielle Schwierigkeiten, auf das „in Not sein“. Heutzutage hingegen ist derjenige, der „den Griff erreicht hat“, jemand, der ganz unten angekommen ist und keine Hoffnung mehr hat.

Gleichzeitig sollte der Begriff nicht mit einem anderen Ausdruck verwechselt werden, in dem das Wort дойти (dajtí, dt.: erreichen) oder довести (dawestí, dt.: jemanden zu etwas bringen) vorkommt. Jemanden zum Griff bringen, bedeutet, jemanden in eine Krise zu führen. Man kann aber auch verkürzt меня довели (mejá dawelí) sagen, was so viel bedeutet wie man hat mich in den Wahnsinn getrieben. Denn im Russischen kann man jemanden nicht nur bis zum Griff bringen, sondern auch bis zur Weißglut. Кого-то довести (kawó-to dawestí), heißt, jemanden in den Wahnsinn zu treiben.

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