Alexei I., ein vorsichtiger Modernisierer
Der Vater Peters des Großen war Alexei Michailowitsch (1645-1676), auch „Tischaischi“, der Friedlichste, genannt. Von seinem berühmten Nachfolger überschattet ist er einer der weniger bekannten russischen Herrscher. Alexei war sehr religiös, er folgte sämtlichen orthodoxen Ritualen und las viel in religiösen Texten. Aus seiner tiefen Religiosität rührte auch die im Beinamen implizierte Milde.
In seiner Herrschaftszeit verband er den russischen Traditionalismus mit der westlichen Orientierung seines Vaters Michail. Wie dieser versuchte auch Alexei, die Armee nach westlichem Vorbild zu reorganisieren. Statt den bislang bekannten Adelsmilizen, die bei Bedarf von ausländischen Profis unterstützt wurden, errichtete er ständige Regimenter. Außerdem führte er die Post ein und versuchte, eine reguläre Seeflotte aufzubauen. Letzteres scheiterte daran, dass Russland seinerzeit keine geeigneten Häfen besaß.
Gemeinsam mit Patriarch Nikon begann Alexei auch die Modernisierung des kirchlichen Lebens. Alte Traditionen wurden aufgegeben, woraufhin sich die russisch-orthodoxe Kirche spaltete. Die Auswirkungen dieser Politik sind bis heute sichtbar.
Zar Alexei gelang es, die Autorität des Zarenhauses weiter zu stärken, doch dringende nationale Aufgaben, wie der Zugang zum Schwarzen Meer oder zur Ostsee, blieben ungelöst.
Anna Johannowna und die Ausländer
Anna Johannowna, eine Nichte Peters des Großen, hatte wenig Glück mit den russischen Historikern. Die überwältigende Mehrheit beschreibt ihre Herrschaft sehr negativ; hauptsächlich wird sie beschuldigt, dass Russland unter ihrer Herrschaft „zu ausländisch“ wurde.
Nachdem ihr mächtiger Onkel sie 1711 ins Herzogtum Kurland, im heutigen Lettland, schickte, verbrachte sie dort über zwei Jahrzehnte ihres Lebens. Nach dem Tod von Peters Enkel Peter II. im Jahr 1730 wurde sie gebeten, zurückzukommen und den Zarenthron zu übernehmen.
Die Adeligen, die sie auswählten, wollten wieder mehr an der Macht des Zaren teilhaben und glaubten, dass eine Außenseiterin wie Anna leichter dazu zu bringen sei, die absolute Herrschaft abzugeben. Ihre Rechnung ging nicht auf, Anna lehnte öffentlich ab.
Die Politik des Landes wurde jedoch nicht von Anna selbst bestimmt, sondern von ihrem kurländischen Protegé und Liebhaber Ernst Biron, der in den 1730er-Jahren als der mächtigste Mann Russlands galt. Historiker bezeichnen diese Zeit auch als die „Ära Biron“.
Der Historiker Sergei Platonow (1860-1933) schrieb über diese Zeit: „Die Beherrschung durch einen Deutschen dauerte zehn Jahre. Zehn Jahre lang wurden die Russen in ihren Gefühlen verletzt.“
Zeitgenössische Geschichtswissenschaftler versuchen diese negative Sichtweise und das Bild von Annas Herrschaft als „schwarzes Loch der russischen Geschichte“ zu korrigieren. So betonen sie beispielsweise, dass die Zahl der Ausländer in der Armee in ihrer Regierungszeit zurückging. Außerdem erhöhte die Zarin den Lohn der russischen Soldaten auf das in Europa übliche Niveau.
Elisabeth I. und der Aufstieg von Kultur und Wissenschaft
Ein weiteres unbekannteres Mitglied des Hauses Romanow war die Tochter Peters des Großen, Elisabeth I. Zwischen 1741 und 1761 regierte sie Russland für zwei ganze Jahrzehnte.
Eigentlich wollte Peter sie mit dem französischen König Ludwig XV. verheiraten, was der Franzose jedoch ablehnte. Auch andere Versuche, sie zu vermählen, scheiterten, obwohl Zeitgenossen ihre Schönheit regelmäßig bewunderten. „Ich habe selten eine solche Schönheit wie Prinzessin Elisabeth gesehen. Sie ist sehr groß und lebhaft. Sie tanzt gut und ist eine furchtlose Reiterin. Auch an Intelligenz fehlt es ihr nicht. Sie ist großzügig und flirtet gerne“, schrieb der spanische Botschafter im Jahr 1728 über die junge Elisabeth.
Nach dem Tod ihrer Mutter Katharina I. hatte Elisabeth eine schwere Zeit, da Anna Johannowna sie fürchtete. 1741 gelang es ihr, im Zuge eines Putsches an die Macht zu kommen. Als Zarin gab sie bekannt, die Politik ihres Vaters zurückbringen zu wollen – und machte auch zahlreiche Fortschritte in diese Richtung. Ihre größte Leistung ist aber die Verbreitung der Aufklärung in Russland. Die Moskauer Universität, das Nationaltheater und die Akademie der Künste wurden mit ihrer Hilfe gegründet. In einem weiteren Anflug von Humanismus schaffte sie zudem die Todesstrafe ab.