Söldner in Russland: Wie Ausländer aus Westeuropa die russische Armee prägten

Global Look Press
Bereits im 15. Jahrhundert begann die russische Armee zusehends mehr auf ausländische Söldner in ihren Truppen zu setzen. Im Gegensatz zu früheren Legionären kamen diese vermehrt aus Westeuropa und ihr Auftreten in Russlands Streitkräften markierte den Beginn großer Veränderungen in der Armee. Zuvor waren Soldaten vor allem aus Skandinavien und den südlichen Steppenregionen importiert worden.

Söldner haben eine lange Tradition in russischen Armeen, aber ab dem späten 15. Jahrhundert begannen sie, eine deutlich wichtigere Rolle zu spielen. Der Stil der Kriegsführung wurde zu dieser Zeit immer ausgeklügelter und Russland benötigte erfahrene Spezialisten aus Ländern, in denen fortgeschrittene Militärstrategien bereits eingeführt worden waren. Deshalb begann das Land, eben solche Soldaten aus dem Westen zu rekrutieren.

Die Ankunft der westlichen Söldner begann zu einer Zeit, in der sich das Moskauer Fürstentum unter der Herrschaft Zar Iwan III. in einen zentralisierten russischen Staat wandelte. Die Agenda dieses neugegründeten Staates berief sich auf zwei traditionelle Elemente russischer Sicherheitspolitik: eine fortgesetzte Verteidigung gegen Überfälle der Nomaden im Süden sowie den Kampf gegen den mächtigen Gegner Polen-Litauen im Westen. Diese Herausforderungen zwangen das Land dazu, stärkere und modernere Streitkräfte aufzubauen.

„Aristotele” und die Produktion von Kanonen in Russland

Der Mann, der oft als erster westlicher Söldner Russlands genannt wird, war der italienische Ingenieur Ridolfo „Aristotele” Fioravanti. Bekannt ist er in Russland vor allem für den Bau der Mariä-Entschlafens-Kathedrale im Moskauer Kreml, nebst seinen Mauern und Türmen. Weniger bekannt ist hingegen, dass er auch den „Kanonenhof“ in Moskau schuf und mit der Produktion bronzener Waffen begann. 

Der „Kanonenhof“ in Moskau

Fioravanti nahm als Kommandant der Artillerie an einigen militärischen Feldzügen Iwans III. teil. Einige glauben, dass es „Aristotele“ und anderen italienischen Ingenieuren zu verdanken ist, dass die Artillerie im Moskauer Staat die zu dieser Zeit beste in Osteuropa war.

Als der Enkel Iwans III., Iwan IV., auch bekannt als Iwan der Schreckliche, Mitte des 16. Jahrhunderts den Thron bestieg, erlebte das Land eine Einwanderungswelle ausländischer Militärexperten. Der Zar unterdrückte nicht nur jede reale und vermutete Opposition im Land, sondern führte einige Feldzüge im Ausland, sowohl gen Osten als auch gen Westen. Um diese erfolgreich führen zu können, schuf er die ersten regulären Einheiten in der Armee: die Strelizen-Regimente. Während den andauernden Kriegen seiner Herrschaft stützte sich Iwan IV. besonders auf seine westlichen Militärexperten. Am Ende seiner Zeit auf dem Zarenthron im Jahr 1584 stammten zwischen 4 000 und 5 000 der 100 000 Mann starken russischen Armee aus Europa.

Die erste russische Flotte

Iwan der Schreckliche war der erste Monarch Russlands, der versuchte, die Auseinandersetzungen, vor allem mit den befeindeten Nationen Polen und Schweden, ins offene Gewässer zu verlagern. So gründete er in der Ostsee die erste russische Flotte. Diese stellte er unter das Kommando eines dänischen Generals und siedelte sie im gerade erst eroberten Hafen von Narwa an. Im Jahr 1570 bestand die Flotte Iwan des Schrecklichen aus sechs Kriegsschiffen, die hauptsächlich mit dänischen und deutschen Söldnern bemannt waren.

Iwan der Schreckliche gründete in der Ostsee die erste russische Flotte.

Die Armada konnte in den Kämpfen mit polnischen und schwedischen Schiffen einige Erfolge erzielen. Doch Dänemark riss die Flotte bald an sich, womöglich aus Sorge über die gestärkte Position Russlands im Baltikum.

Ausländische Militärstrategien

Die Herrschaft Iwan IV. sollte jedoch nur den Beginn einer steigenden Zahl ausländischer Söldner im Kampf für Russland bedeuten. Die ersten beiden Zaren der Romanow-Dynastie, die im 17. Jahrhundert an die Macht kamen, setzten die Politik der Einwanderung westlicher Militärexperten fort. Dies überschnitt sich mit tiefgreifenden Reformen der russischen Armee insgesamt. Der erste Zar der Romanows, Michail I., und sein Sohn Alexej folgten den Entwicklungen im Dreißigjährigen Krieg in Europa und entschieden sich dazu, ganze Strukturen der modernen westlichen Militärs zu übernehmen. So wurden in Russland neue, vom Ausland inspirierte Regimenter gegründet.

Zar Michail Fjodorowitsch in Moskau am 2. Mai 1614

Dazu gehörte die Schaffung permanenter und lokalisierter Armeeeinheiten. Zuvor hatte man die Freiwilligenarmee des Adels immer nur im Kriegsfall zusammengerufen und sich auf die nicht übermäßig zahlreichen Strelizen-Regimenter verlassen. Diese neuen, vom Ausland inspirierten Einheiten entstanden sowohl in der Infanterie als auch der Kavallerie. In der Regel wurden die Regimenter von Ausländern angeführt – mit vielen ausländischen Kämpfern in ihren Reihen.

Mitte des 17. Jahrhunderts wurde die Hälfte aller Kavallerie-Regimenter von im Ausland geborenen Söldnern kommandiert. In der Infanterie war die Anwesenheit von Söldnern noch deutlicher zu spüren: Sie kommandierten alle acht Regimenter. Die Einheiten bewiesen sich als äußerst effizient und schrittweise folgte auch der Rest der Armee diesem Vorbild.

Die Schotten in der russischen Armee

Unter den Söldnern dieser Zeit war auch George Learmonth aus Schottland. Er war ein Offizier der Kavallerie und nahm nach seiner Ankunft in Russland den Namen Juri Andrejewitsch Lermontow an. Mit diesem Namen sollte er letztlich eine Familie gründen, deren bekanntester Nachfahre der aus dem 19. Jahrhundert stammende Dichter Michail Lermontow war. Für das Training der russischen Soldaten in neuen Regimentern war in den 1650er-Jahren ebenfalls ein Schotte verantwortlich: General Thomas Dalyell war zuvor in den britischen Bürgerkriegen aktiv gewesen.

General Thomas Dalyell

Viele der Söldner blieben auch nach dem Ende ihres Dienstes in Russland. Tatsächlich waren zwei der sieben „ausländischen“ Generäle, die zu Beginn der großen Feldzüge unter Peter dem Großen im frühen 18. Jahrhundert dienten, Nachfahren von Söldnern, die zuvor nach Russland emigriert waren. Der Historiker Wjatscheslaw Tichonow betont, dass ab dem frühen 17. Jahrhundert ganze Dynastien ausländischer Militärs in Russland eine Heimat fanden. Über Generationen hinweg dienten diese in der russischen Armee und wurden schließlich als „lokale“ Ausländer betrachtet.

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