Die Wolgatreidler: Warum russische Männer Frachtschiffe gegen den Strom zogen

Geschichte
ALEXANDRA GUSEWA
Auf dem berühmten Gemälde „Die Wolgatreidler“ des Malers Ilja Repin aus dem 19. Jahrhundert sieht man eine erschöpfte Gruppe von Männern, die ein Schiff stromaufwärts ziehen. Doch warum tun sie das? Lesen Sie weiter und finden Sie es heraus.

Wer waren die Frachtschiff-Treidler?

In Russland als „Burlaki“ bekannt, bestand die Hauptaufgabe der Frachtschiff-Treidler darin, die 30 bis 50 Meter langen Frachtschiffe mit einem flachen Rumpf stromaufwärts zu ziehen. Diese anstrengende Saisonarbeit fand dabei für gewöhnlich im Herbst und im Frühling statt.

Manchmal half ein günstiger Wind den „Burlaki“, die Schiffe zügig vorwärts zu bewegen, doch allgemein war die Arbeit zermürbend und die Leute machten sie, weil sie dringend Geld brauchten. Dennoch war die Tätigkeit, obwohl sie wie Ausbeutung erschien, keine Sklaverei. Die „Burlaki“ erhielten ein Gehalt und hatten sogar eine Gewerkschaft, auch als „Artel“ bekannt, um die Effizienz ihrer Arbeit zu steigern.

Um den Job weniger anstrengend zu gestalten, motivierten sie sich, indem sie sangen. Ihr Lieblingslied „Dubinuschka“ erfreute sich später bei der revolutionären Arbeiterbewegung großer Beliebtheit.

Die Arbeit der „Burlaki“ war vor allem zwischen dem 16. und dem 20. Jahrhundert sehr gefragt. Auf Fotografien der frühen 1900er-Jahre kann man sogar Frauen beim Verrichten dieser Arbeit beobachten. Mit der Erfindung der Dampfmotoren wurde der Beruf jedoch überflüssig und im Jahr 1929 durch die Sowjetregierung offiziell verboten.

Auf dem Fluss Wolga verrichteten die „Burlaki“ den Großteil ihrer Arbeit. Die an diesem Fluss gelegene Stadt Rybinsk wurde inoffiziell als die „Hauptstadt der Burlaki“ bezeichnet. Rybinsk zog zu jener Zeit als Handels- und Logistikzentrum eine große Anzahl von Arbeitern an – nicht nur die „Burlaki“, sondern auch Schiffsbelader, Gepäckträger, Wagenkutscher und viele andere.

Burlaki in der Kunst

Als Ilja Repin zum ersten Mal die Wolgatreidler bei der Arbeit sah, brannte sich das Bild der schuftenden Männer als Gegensatz von menschlichem Leid und der Schönheit der Natur in sein Gedächtnis ein. Er fertigte, auf der Suche nach der besten Darstellungsweise, Dutzende von Skizzen an und malte gar, noch bevor er sein berühmtes Gemälde fertig stellte, ein anderes mit dem Titel „Wolgatreidler, eine Furt durchschreitend“ (1872), das sich nun im Besitz der Staatlichen Tretjakow-Galerie in Moskau befindet. Das bekannte Gemälde „Die Wolgatreidler“ selbst hängt im Russischen Museum in Sankt Petersburg.

Die zeitgenössischen Kritiker lobten das Bild und verglichen seine Ausdruckskraft mit den Erzählungen des Schriftstellers Nikolai Gogol – realistisch und ohne Schönfärberei zeigten sie die unbekannte, dunkle Seite des Arbeiterlebens. Der berühmte Schriftsteller Fjodor Dostojewski würdigte das Bild zudem in seiner Textsammlung „Tagebuch eines Schriftstellers“ und beschrieb es als Sieg der Wahrheit in der Kunst.

Manche zeitgenössische Historiker sind der Meinung, dass Repin die Wolgatreidler beim Ziehen des Schiffes übertrieben darstellte, um eine dramatischere Stimmung im Bild zu erzeugen. In der Tat war das Schleppen eines Schiffes stromaufwärts, am Flussufer entlang, aber eine extrem anstrengende Tätigkeit für die „Burlaki“. Die meiste Arbeit wurde jedoch getan, ohne das Schiff zu verlassen.

Dafür ruderten zunächst mehrere Männer in einem kleinen Boot mit einem Anker, an den ein Seil gebunden war, flussaufwärts, um ihn so weit wie möglich ins Wasser zu schmeißen. Danach banden die „Burlaki“ das Seil an ein großes drehbares Fass in der Mitte des Decks fest und zogen das Schiff in die erwünschte Richtung. Blies der Wind in die Zugrichtung, benutzten sie Seile zur Hilfe.

Repin war jedoch nicht der einzige Maler, der den „Burlaki“ zur Unsterblichkeit verhalf. Auch andere ausgezeichnete Gemälde hatten dieses Motiv zum Thema. So fertigte Wassili Wereschtschagin im Jahr 1866 ein Gemälde mit dem Titel „Burlaki“ an, sechs Jahre bevor Repins Meisterwerk das Licht der Welt erblickte. Ein Jahr zuvor malte auch Alexei Sawrassow ein Gemälde, das sich ebenso mit dieser Knochenarbeit beschäftigt. 

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