Boris Luzkij: Der russische Automobilingenieur in Deutschland

Geschichte
OLEG JEGOROW
Boris Luzkij arbeitete als einer der begabtesten Automobilingenieure des Russischen Reichs mit Größen wie Daimler und Maybach zusammen. Gemeinsam tüftelten sie an Motoren und schufen die Grundlage für den Erfolg des Automobils im 20. Jahrhundert.

„Es gibt da einen Luzkij, der in Berlin lebt und viel Geld verdient. Seiner Herkunft nach ist er ein russischer Jude, seinem Glauben nach ein orthodoxer Christ.“ So beschrieb die Zeitung „Novoje Wremja“ im Jahr 1909 den Automobilingenieur und Erfinder Boris Luzkij, der zu jenem Zeitpunkt bereits mehr als zehn Jahre lang für deutsche Werke tätig war.

Luzkij war tatsächlich der Sohn einer von der Krim stammenden russisch-jüdischen Kaufmannsfamilie und hatte an der Technischen Universität in München studiert.

Er arbeitete vornehmlich daran, neue Antriebssysteme und neue Arten von Transport zu entwickeln, und musste sich entscheiden, ob er sein Glück in Russland versuchen oder in Deutschland bleiben solle.

Ein Technikfreak des 19. Jahrhunderts

Da Deutschland zu jener Zeit industrialisierter und im Bereich der Automobilindustrie weiter entwickelt war, entschied er sich für letzteres. Ein russischer Journalist schrieb im Jahr 1901 dazu: „Russische Erfinder schaffen es nicht, ihren Weg nach Hause zu finden und werden im Ausland mit offenen Armen begrüßt“. Luzkij gehörte mit Sicherheit zu diesen Erfindern und widmete den Autos sein gesamtes Leben – mit Erfolg.

Noch im Jahr 1888, als er für das kleine deutsche Unternehmen Landes tätig war, schuf er einen neuen Gasmotor, der in München ausgestellt wurde und ihm die Aufmerksamkeit größerer Unternehmen einbrachte. Zeitgleich baute er die Motorkurbelwelle um, um ihre Leistung zu verbessern.

„Motorkarren“

Als Luzkij in den 1890er-Jahren damit begann, für die Automobilindustrie zu arbeiten, nahm seine berufliche Laufbahn eine neue Wendung. Die Autos waren zu dieser Zeit weder technisch besonders weit entwickelt noch waren „die hässlichen Boxen auf vier Rädern ohne Dach“ optisch ein Blickfang. Die russische Presse bezeichnete sie aus diesem Grund scherzhaft als „Motorkarren“. Luzkij gab also sein Bestes, um bessere Autos herzustellen, und begann, zuerst kleine Dreiradfahrzeuge zu entwerfen, um sich dann größeren Fahrzeugen zu widmen.

Sein guter Ruf eilte ihm voraus, es dauerte deshalb nicht lange, bis er sich den Respekt der großen deutschen Automobilhersteller verdient hatte und ein Mitbegründer des „Europäischen Automobilverbands“ wurde. Zu seinen Freunden zählten dabei unter anderem zukünftige Automobillegenden wie Gottlieb Daimler und Rudolf Diesel.

Luzkij eröffnete nie ein eigenes Geschäft und arbeitete stets als Angestellter für diverse Unternehmen. So half er der Daimler-Motoren-Gesellschaft dabei, einige neue Modelle zu entwerfen, und war zum Teil für Daimlers bekanntestes Werk, den Mercedes, mitverantwortlich. Er war es der den beispiellosen Viertakt-Kolbenverbrennungsmotor erfand, der beim ersten Mercedes-Modell eingesetzt wurde.

Ein geheimnisvoller Mann

Luzkij hinterließ keine Kinder, keine Memoiren und, abgesehen von seinen Erfindungen, allgemein recht wenig, das Auskunft darüber geben könnte, wer er wirklich war. Der Journalist Iwan Baranzew, der für die Automobilzeitschrift „Za Rulem“ tätig war, schreibt: „Manche Historiker preisen ihn, andere halten ihn für einen Schwindler. Luzkij hat mehr Fragen als Antworten hinterlassen.“ Auch seine Todesursache ist ungeklärt, Spekulationen über seinen Todeszeitpunkt reichen von den 1920er-Jahren bis 1946.

Einige Fakten sind jedoch bekannt – beispielsweise der, dass Luzkij zeitlebens ein russischer Patriot geblieben ist. Im Jahr 1900, als er sich entschied, Militärfahrzeuge zu entwerfen, verlagerte er das Projekt nach Russland, da er nicht für die deutsche Regierung arbeiten wollte. Im Jahr 1902 stattete er die russische Armee mit einem Duzend Lastkraftwagen aus.

Luzkij setzte seine Arbeit danach wohl noch bis zum Zweiten Weltkrieg fort. Dabei soll er an verschiedenen Projekten, hauptsächlich handelte es sich um Triebwerke, Fahrzeuge, Motorboote und Flugzeuge, mitgewirkt haben. Dann spielte ihm das Schicksal jedoch einen grausamen Streich: Deutschland zog gegen Russland in den Krieg, und, in Deutschland gefangen, musste er bis zum Ende des Krieges im Gefängnis bleiben. Danach verloren sich seine Spuren endgültig.

Hier können Sie unserem Telegram-Kanal beitreten: t.me/rbth_deu

Aktivieren Sie die Push-Benachrichtigungen auf unserer Website!