Der selige Basilius: Der Mann, der ungestraft Iwan den Schrecklichen rügte

Geschichte
GEORGI MANAJEW
Die Basiliuskathedrale ist eines der bekanntesten Wahrzeichen Russlands. Nur wenige jedoch kennen die Geschichte des Mannes, dessen Namen sie trägt. Als mittelalterlicher „heiliger Narr“ wurde er in Moskau vor allem für seine Frömmigkeit verehrt.

Giles Fletcher, einst englischer Botschafter in Russland, schrieb im 16. Jahrhundert, was er in Moskau gesehen hatte: „Gewisse Eremiten, die sie heilig nennen… Sie laufen komplett nackt herum, nur mit einem Tuch in der Mitte, ihr Haar hängt lang und wild auf ihren Schultern, und viele von ihnen tragen ein eisernes Halsband um ihren Hals… sogar im tiefsten Winter. Sie werden als Propheten verstanden, als Männer von großer Heiligkeit, man gibt ihnen die Freiheit, was immer sie wünschen, ohne jegliche Kontrolle…So dass sie, wenn sie offen gerügt werden, nichts antworten, außer, dass es für ihre Sünde ist.“

In diesem Ausschnitt beschreibt Fletcher die “Narren um Christi Willen”, also Menschen, die den Weg der stetigen Frömmigkeit als Lebensweg wählten und so ihre Weltsicht ausdrückten. Der selige Basilius war einer von ihnen und vermutlich der bekannteste Vertreter dieser Bewegung in Russland.

Die Verflechtung von Geschichten und Wahrheit

Basilius, auch Wassilij genannt, wurde um 1469 in Moskau in eine gewöhnliche und arme Familie geboren. Seine Eltern schickten ihn zum Schuhmacher, bei dem er eine Ausbildung machen sollte. Eines Tages kam ein Kaufmann in das Geschäft, um ein Paar Schuhe in Auftrag zu geben, die „lange halten“ müssten. Basilius weinte und erklärte dem Ladenbesitzer, dass der Kaufmann nicht einmal die Gelegenheit bekommen würde, die Schuhe anzuziehen, da er bald sterben würde. Zwei Tage später war er tatsächlich tot. Das war der Moment, in dem Basilius‘ Fähigkeit des Hellsehens offensichtlich wurde.

Mit 16 Jahren verließ Basilius sein Zuhause, um ein „Narr um Christi Willen“ zu werden. Er durchstreifte bei jedem Wetter nackt Moskaus Straßen, betete unaufhörlich und machte scheinbar närrische Sachen, hinter denen sich eine tiefe Bedeutung verbarg. Eine beinahe sagenhafte Biographie, die nach seinem Ableben verfasst wurde, erzählt von Basilius‘ Eskapaden. Wenn er durch einen Markt lief, soll er oft Krüge mit Kwas zerbrochen oder Tabletts mit Brot umgeworfen haben. Später stellte sich heraus, dass der Kwas abgestanden und das Brot schlecht gebacken war. Aus diesem Grunde fassten die Händler das nicht als Angriff auf. Im Gegenteil: Nahm Basilius ihr Essen an, galt es als Segen.

Basilius soll ebenso das erste Großfeuer in Moskau im Jahr 1547 vorhergesagt haben. Ein paar Tage vor dem Brand wurde er aus vollem Herzen betend und weinend neben einer Kirche gesehen. Menschen berichteten, dass sie Geräusche gehört und Bilder gesehen haben, wie das Feuer auf die Kirche übergreift. Nach dem tatsächlichen Ausbruch des Feuers gewann Basilius noch mehr Aufmerksamkeit für sich.

Legenden zufolge konnte Basilius auch über Wasser laufen und Blinde heilen. Es wurde behauptet, dass er drei Frauen erblinden ließ, nachdem sie sich über seine Erscheinung lustig gemacht hatten, und sie sodann wieder heilte, nachdem sie um Entschuldigung gebeten hatten.

Ebenso wird ihm nachgesagt, manche Handlungen vielfach wiederholt zu haben, zum Beispiel Steine auf Häuser von gläubigen Menschen zu werfen, „um die Dämonen zu vertreiben“, und in der Nähe von Freudenhäusern und Alkohol ausschenkenden Kneipen zu weinen und zu sagen, dass er „verzweifelt die Engel darum bittet, die Sünder, denen diese Orte gehören, zu retten“.

Basilius’ Ruhm nahm in Moskau rasch zu. Sogar der Zar, der berüchtigte Iwan der Schreckliche, nahm Basilius‘ Aussagen ernst. Einst wurde der „heilige Narr“ sogar in den Kreml eingeladen, am Namenstag des Zaren. Er weigerte sich drei Mal auf die Gesundheit des Zaren zu trinken und schüttete stattdessen das Getränk aus dem Fenster – eine große Beleidigung damals. Als der Zar erzürnt nach dem Grund für Basilius‘ Verhalten fragte, antwortete er, dass er einen Brand in Nowgorod löschen würde, und rannte aus dem Palast. Der Zar schickte daraufhin einen Boten nach Nowgorod, der herausfand, dass dort genau zur Zeit der Festlichkeiten ein großes Feuer ausgebrochen war, aber dann ein unbekannter nackter Mann aufgetaucht sei und das Feuer mit dem Wasser aus seiner Tasse gelöscht habe.

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Geschichten und Gerüchten zufolge beschimpfte und rügte Basilius den Zaren oft in der Öffentlichkeit oder gab ihm 1570 nach einem von Iwan initiierten Massaker in Nowgorod rohes Fleisch und Blut mit der Erklärung: „Das ist dein Essen und Trinken.“

Wie authentisch war die Person Basilius?

Für Historiker gibt es viele chronologische und faktische Unstimmigkeiten in den Geschichten, die über das Leben Basilius‘ des Seligen im Umlauf sind. Es scheint, als wären in seiner Heiligengeschichte Merkmale und Erzählungen mehrerer verschiedener „Narren um Christi Willen“ zusammengefasst worden. Auf jeden Fall wahr ist dennoch, dass Basilius vom Zaren und dessen Familie viel Respekt entgegengebracht wurde. Als er schon sehr alt und dem Tode nah war, besuchten ihn Iwan der Schreckliche, seine Frau Anastasija und seine Söhne, Iwan und Fjodor, sogar. Sohn Fjodor sagte er voraus, dass er im nächsten Jahr Zar werden würde, was sich als wahr herausstellen sollte.

Als Basilius starb, trug der Zar selbst seinen Sarg und Macarius, der Metropolit von Moskau, hielt den Trauergottesdienst ab. 1588, während Fjodors Herrschaft, wurde er schließlich von Job, dem ersten Patriarchen von Moskau, heiliggesprochen und seine Gebeine in die Pokrowkathedrale gebracht, die seitdem seinen Namen, den Namen des Basilius des Seligen, trägt.

Sein Grab wurde zur Pilger- und Gebetsstätte. Für gewöhnlich bitten die Leute in ihrem Gebet, geheilt zu werden, und insbesondere ihr Augenlicht zurückzubekommen – es gibt Berichte darüber, dass silberne Augäpfel in der Nähe seiner Grabstätte platziert wurden, als Zeichen der Dankbarkeit für die wundersame Heilung, die der heilige Basilius den Pilgern durch Gebete gebracht habe. Der 15. August ist der offizielle Gedenktag des Basilius des Seligen. An diesem Tag hält der Patriarch von Moskau einmal im Jahr zu seinen Ehren einen Gottesdienst in der Basiliuskathedrale ab.

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