Liaison mit Moskau: Wie die sowjetischen Kommunisten mit ihren westlichen Genossen verkehrten

Geschichte
OLEG JEGOROW
Gefangen zwischen den Idealen von Freiheit und Gleichheit und dennoch absolut loyal gegenüber Moskau: Die Kommunistischen Parteien in Westeuropa standen oft im Kreuzfeuer der politischen Ideologien. Russia Beyond hat drei beeindruckende Geschichte zusammengetragen.

USA: Sowjetische "Spenden" in Zeiten von "Hexenjagd" und "Kaltem Krieg"

Als die UdSSR 1991 begann zu zerfallen, waren auch die Anführer der Kommunistischen Partei der USA (CPUSA) schockiert und bald am Boden zerstört. Bis dahin hatte „die CPUSA niemals ein Zeichen der Kritik bezüglich von Aussagen oder Handlungen sowjetischer Staatschefs von sich gegeben“, schrieb der linke Publizist Pete Brown.

So paradox es auch klingen mag, die marxistischste aller Kommunistischen Parteien wurde in der Hochburg des Kapitalismus geboren: in den USA. Noch vor drei Jahren stützte sie sich in ihrer überarbeiteten Konstitution auf die Allianz aus Marx, Engels und Lenin. Ihre Popularität in Übersee wuchs besonders in der Zeit der Großen Depression, als die Ungleichheit in der Gesellschaft drastisch anstieg. Die CPUSA unterstützte die Gewerkschaften und Arbeiterrechte.

Dennoch erreichte Proletarische Revolution natürlich niemals die US-Küste. Wie Jonathan Lethem in seinem Roman „Dissident Gardens“ schreibt, verwandelten sich die Amerikanischen Kommunisten nach der „Geheimrede“ des sowjetischen Staatschefs Nikita Chruschtschow 1956 über Stalins blutige Repressionen in „lebende Tote“. Auch in den Augen der meisten Amerikaner verlor die Partei schnell an Ansehen.

Bald wurde diese Abneigung durch die Anti-Kommunisten-Hysterie des jungen Kalten Krieges verschärft. Als dann noch die Spionageskandale mit den Kommunisten in Verbindung gebracht wurden, begann in den 50er Jahren eine wahre „Hexenjagd“ auf die Kommunisten und deren Sympathisanten.

Ab den 60ern erhielten die wenigen übrigen US-Linken dann ein neues Thema: die Antikriegs- und Menschenrechtsproteste. Überlebt hat sie womöglich auch dank der großzügigen Unterstützung aus der Sowjetunion. Belegt ist wenigstens, dass der Gus Hall, CPUSA-Generalsekretär zwischen 1959 und 2000, bis zum Zerfall der UdSSR bedeutende Summen aus Moskau bekommen haben soll.

Frankreich: "Schattenmann" und "Lichtfigur" im Dienste Stalins

Kaum jemand erinnert sich heute noch an die Namen Michel Feintuch (Deckname „Jean-Jerome“) oder Eugen Fried („Clement“), die einst als Kommunisten aus Osteuropa als Agenten der Komintern (Kommunisten International, eine von Moskau gesteuerte ideologische Organisation) in der Kommunistischen Partei Frankreichs (PFC) die Strippen zogen. Auch der langjährige Vorsitzende Maurice Thorez gehörte wohl zu ihren Marionetten.

“Seine Aufgabe war es sicherzugehen, dass auch alle Aufträge aus Moskau genauestens ausgeführt werden“, erklärte die französische Schriftstellerin Anne Kling, die Fried als den „Schattenmann“ der PFC bezeichnet. Und Fried muss sein Handwerk beherrscht haben, denn Thorez und seine Partei folgten jeder Bewegung Stalins auf den Fuß.

1939 aber verweigerte sich Thorez dem Krieg gegen Hitler, nachdem die UdSSR mit Nazideutschland den geheimen Nichtangriffspakt abgeschlossen hatte. Erst als Hitler dann doch die Sowjetunion angriff, erklärte auch die PFC den Deutschen den Krieg. Gleichzeitig ging die Partei in Frankreich in den Widerstand und spielte dort auch eine bedeutende Rolle im Kampf gegen die Okkupanten. Thorez persönlich allerdings verbrachte die Kriegsjahre in Moskau.

Auch nach dem Krieg blieben Thorez und die PFC treue Anhänger von Stalins Kurs. Die Rolle Frieds, der von den Nazis getötet worden war, übernahm Feintuch, der nun bis in die 70er Jahre hinein als Vermittler zwischen Moskau und Paris auftrat.

Erst mit dem Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er Jahre orientierte sich die PFC um – in Richtung des weniger dogmatischen Eurokommunismus.

Italien: Wenn das beste Pferd im Stall plötzlich durchgeht...

Der langjährige sowjetische Staatschef Leonid Breschnew muss 1976 einen wahren Schock erlitten haben, als Enrico Berlinguer, Anführer der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) in einer Rede in Moskau plötzlich ankündigte, dass seine Partei nun ihren eigenen Weg gehen werde, ohne Rücksicht auf die Meinung der Sowjets. „Das ist ganz klar eine wenig erfreuliche Entwicklung für die sowjetischen Kommunisten“, schrieb damals die New York Times (engl).

Die “Scheidung” muss für Breschnew besonders hart gewesen sein, denn 1976 war die PCI die erfolgreichste Kommunistische Partei im Westen. Bei den Präsidentschaftswahlen erhielten sie bis zu 34 Prozent. Lange war die PCI mit ihrer langen Geschichte vom Kampf gegen Mussolini und ihrer großen Popularität war bis dahin ein wichtiger Verbündeter Moskaus.

Palmiro Togliatti, der Vorgänger von Berlinguer, hatte sogar die russische Stadt, wo russische Pkws mit FIAT-Lizenz gebaut wurden, nach sich benennen lassen. Offenbar scheute Moskau auch keine Kosten, um ihren wichtigsten Freund in Südeuropa bei Stange zu halten. Der Historiker Richard Drake formuliert es so: „Keine Kommunistische Partei außerhalb des Ostblocks hat über Jahre mehr von sowjetischen Spenden mehr profitiert als die PCI.“

Berlinguer machte seine Worte dennoch wahr und entschied sich wie die meisten westlichen linken Parteien in Europa für den Weg des Eurokommunismus als ein pluralistisches und demokratisches System ohne Moskauer Propaganda. Als die Sowjets sich dann ab 1979 im Afghanistankrieg engagierten brachen die Italiener völlig mit ihren Moskauer Genossen.

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