Sowjetisches Schicksal: Warum Moskau seinen Star-Fußballer Strelzow ins Gefängnis schickte

Moskauer Torpedo-Fans pflegten (nicht nur zu Sowjetzeiten) zu scherzen: "Wenn Pelé so viel Kaffee getrunken hätte, wie Strelzow Wodka, wäre er gestorben."

Eduard Strelzow war in den späten 50er Jahren ein legendärer Stürmer von Torpedo Moskau und wurde oft mit Pelé verglichen. Sein ausschweifender Lebensstil jedoch zerstörte nicht nur seine sportliche Karriere. Strelzow wurde der Spionage verdächtigt, wegen Vergewaltigung verurteilt und verbrachte fünf Jahre im Gefängnis.

Pelé traf er in der Fußballrealität nie persönlich. Der Grund: Wenige Monate vor seinem ersten Weltcup-Auftritt im Jahr 1958 wurde Strelzow verhaftet und wegen Vergewaltigung zu 12 Jahren Gefängnis verurteilt. Strelzow wurde zwar nach nur fünf Jahre freigelassen, aber weiter in der Nationalmannschaft gesperrt. Aber wie kam dieser talentierte Stürmer ins Gefängnis?

Wunderkind mit viel Ärger

Strelzow am 14. Mai 1958

In den späten 1950er Jahren galt Strelzow als Superheld. Der Sportkolumnist Swjatoslaw Vasylyk beschreibt es so:

"Der Schlüssel zum Erfolg war einfach: Sportliches Talent und sein 'Junge-von-nebenan'-Charme: ein ehrliches Gesicht, ein warmes Lächeln... Er war ein Wunder auf dem Platz."

Im Jahr 1954, als er gerade 16 Jahre alt war, debütierte Streltsov für Torpedo Moskau, und in der nächsten Saison schleppte er die Mannschaft von der neunten auf den vierten Platz und schoss 15 Tore in 22 Spielen. Im Jahr 1956 ging Streltsov zusammen mit der sowjetischen Olympia-Mannschaft nach Melbourne und half, das Turnier zu gewinnen.

Aufgewachsen ohne Vater, war der junge Strelzow nie ein wirklich disziplinierter Fußballer. Sportjournalist Petr Spektor erinenrt sich:

"Einmal kam er zu spät zum Training für ein wichtiges Länderspiel, er musste den Zug dann noch mit dem Auto einholen."

Im Februar 1958 musste der Stürmer mehrere Tage in einer Polizeistation ausharren, weil er sich in betrunkenem Zustand geprügelt hatte.

"Aber ihm wurde vergeben, und sie haben ihn in der Nationalmannschaft zurückgelassen."

Zwei Monate später geriet Streltsov dann in noch ernstere Schwierigkeiten.

"Zog mich ins Bett"

Am 25. April 1958 fuhren Strelzow und zwei Fussballerkollegen mit vier jungen Frauen zur Datscha eines Freundes. Eine von ihnen war Maria Lebedewa, die Augenzeugen zufolge großes Interesse an Strelzow zeigte. Als sie alle immer betrunkener wurden, kamen sich die beiden auch immer näher. Aber unheimlich wurde die Situation, als alle schlafen gingen. Lebedewa behauptete dann, Strelzow habe sie an jenem Abend vergewaltigt und zeigte den Fußballstar bei der Polizei an:

"Strelzow wollte mich ins Bett schleifen... Wir kämpften, ich widerstand so sehr ich konnte und sagte, dass ich schreien würde, aber er würgte mich."

Rache der Ministerin oder des KGB?

1966

Strelzow wurde verhaftet. Der damalige sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow wurde über den Fall informiert und soll gesagt haben:

"Bestraft ihn hart, hinter Gitter für eine lange Zeit."

Das hat das Gericht getan, Strelzow  wurde zu 12 Jahren Arbeitslager verurteilt. Fans argumentierten, dass er und Lebedewa einvernehmlichen Sex gehabt haben müssten und ihr Idol fälschlicherweise beschuldigt werde. Der Journalist Kevin O'Flynn nennt im Guardian jedoch noch einen anderen Hintergrund: Offenbar spielte Strelzows widerspenstiger Charakter gegen ihn: Er hatte Furzeeas Tochter auf einem Kremlball zuvor beleidigt.

"Sie sagen, dass die Partei ihn auf Befehl von Jekaterina Furzewa, der mächtigen, Chruschtschow nahestehenden Kulturministerin, blamieren sollte."

Wie Peter Hartmann wiederum jüngst in der Neuen Zürcher Zeitung schrieb, hatte auch der sowjetische Geheimdienst KGB den Fußballstar bereits im Visier. Angeblich spreche er auf Auslandreisen darüber, wie er am besten im Westen bleiben könne: Für das Regime ein undenkbares Risiko. Strelzow wird im Frühling seines Schicksalsjahres 1958 für drei Länderspiele gesperrt. Dann kamen Anklage und Haft wegen Vergewaltigung.

Die Erlösung

Obwohl seine Haftstrafe auf fünf Jahre verkürzt wurde, war die Zeit Strelzow hart. Während seiner ersten Tage hinter Gittern wurde er von Insassen geschlagen und verbrachte vier Monate im Krankenhaus. Er schrieb an seine Mutter:

"Mach dir keine Vorwürfe, es ist nur meine Schuld. Du hast mir tausendmal gesagt, dass 'Freunde', 'Mädchen' und Wodka mir noch Ärger machen würden. Ich habe nicht auf dich gehört - und hier bin ich... ich werde eine andere Person sein, wenn ich freikomme."

1963 kam er aus dem Gefängnis und arbeitete in der ZIL-Fabrik. Zwei Jahre später hob Leonid Breschnew das Berufsverbot für ihn auf und sagte:

"Ein Klempner kann nach dem Gefängnis als Klempner arbeiten, warum sollte ein Fußballer nicht wieder Fußball spielen?"

Und so kehrte Strelzow auf das Feld zurück, erneut für Torpedo Moskau. Wie sich herausstellte, hatte er seine Fähigkeiten in diesen brachliegenden Jahren nicht verloren. Zweimal, 1967 und 1968, wurde er als bester Fußballer der Sowjetunion anerkannt und spielte bis 1970 für seinen Verein. Aber nie wieder für die Nationalmannschaft. Im Jahr 1990 starb er an Kehlkopfkrebs.

Heute ist Eduard Strelzow eine Legende und gehört zu den talentiertesten sowjetischen Spielern aller Zeiten. Sein Freund Valentin Iwanow sagt:

 "Auf dem Fußballfeld war er der Stärkste, aber im Leben war er der Schwächste."

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