Wie die russische Armee gegen den Alkoholismus kämpfte

TASS
In Hollywood-Produktionen und europäischen Filmen wird die russische Armee häufig als unorganisierte Horde von Betrunkenen dargestellt. Wie real ist dieses Bild?

In Hollywood ist es das gängige Bild, das mit der Realität und einfacher Logik wenig zu tun hat. Wie könnten russische Soldaten effektiv kämpfen, feindliche Festungen erobern und siegreich sein, wenn sie tatsächlich ein Haufen undisziplinierter Saufbrüder wären?

Zweifellos hat Alkohol in der russischen Zivilisation und auch in der Armee immer eine bedeutende Rolle gespielt. Aber das hat, abgesehen von revolutionären Zeiten, nie die Schlagkraft der russischen Armee beeinträchtigt.

Alkohol als Arznei

Im 18. Jahrhundert war Alkohol in der russischen Armee nicht verboten. Im Gegenteil, damals galt er als das wirksamste Mittel zur Bekämpfung von Krankheiten und Epidemien sowie von Hunger und Kälte.

Jeder Soldat erhielt täglich zwei Tassen Wein oder Wodka, einmal morgens, einmal abends. Zudem bekam er drei Liter Bier zugeteilt. Bei sehr guter Leistung konnte sich ein Soldat noch mehr Alkohol verdienen.

Der russische Zar Peter der Große ließ es jedoch nicht zu, dass der Alkohol seine Truppen in den Abgrund stürzte. Betrunkene Soldaten wurden ausgepeitscht und betrunkene Offiziere degradiert. Doch neben Peitsche gab es auch Zuckerbrot: Verzichtetet ein Soldat auf seine Alkoholration, bekam er eine Gehaltserhöhung.  

Im 19. Jahrhundert wurde Alkohol in der russischen Armee stark mit den Husaren in Verbindung gebracht, einer speziellen leichten Kavallerieeinheit, die im Ruf stand, einen ausschweifenden und unbeschwerten Lebensstil zu pflegen. Es heißt, Champagnerflaschen hätten sie mit dem Säbel geköpft.  

Champagner tranken die Husaren in friedlichen Zeiten, im Feld wechselten sie auf Wodka. Auch ihre Pferde bekamen mit Wodka getränktes Heu, um ihre Angst zu mindern. Dennoch, ein Angriff einer betrunkenen Husareneinheit war sicher eine Ausnahme.

Kampf gegen Alkoholismus

Im frühen 20. Jahrhundert hatte die Medizin Fortschritte gemacht, die Alkohol als Allheilmittel absurd erschienen ließen. Der Staat begann damit, die Alkoholabhängigkeit unter den Militärs zu bekämpfen. Die Soldaten bekamen nur noch drei Krüge Alkohol in der Woche und es wurde versucht, alkoholische Getränke durch traditionelle russische wie Kwas und Sbiten zu ersetzen.

Während des Ersten Weltkriegs war Alkohol im Russischen Reich verboten. Das Verbot kam unter russischen Soldaten gar nicht gut an. Während Offensiven plünderten sie feindliche Weinlager oder tranken Eau de Cologne als Ersatz, was massenhaft zu Vergiftungen führte.

Der Erste Weltkrieg, 1916

Langsam, aber sicher, erzielte die Anti-Alkohol-Kampagne Wirkung. Der Alkoholkonsum ging in Russland insgesamt zurück. Doch die Revolution von 1917 machte alle Anstrengungen zunichte. Die unorganisierte Armee geriet in ein Chaos aus Anarchie und Alkoholismus. Zu diesem Zeitpunkt entstand das Bild vom ständig betrunkenen russischen Soldaten.

„100 Gramm vom Volkskommissar“

Der unkontrollierte Alkoholwahnsinn verschwand nach den Schrecken der Revolution und dem Ende des Bürgerkrieges. In der Roten Armee war kein Platz für Alkohol.

Während des Winterkriegs zwischen der Sowjetunion und Finnland änderte sich die Situation wieder. Der Volkskommissar für Verteidigung Kliment Woroschilow ordnete tägliche Wodka-Portionen von 100 Gramm an, die bei den frierenden Soldaten den Kampfgeist stärken sollten.

Die Tradition der „100 Gramm vom Volkskommissar" setzte sich während der ersten kritischen Phase des Krieges gegen die Nazis fort.

Sowjetische Soldaten in Berlin

Stalin wollte die sowjetischen Soldaten jedoch nicht zu Alkoholikern machen. 1942 wurde die Verteilung von Wodka an einfache Soldaten eingestellt. Nur einige Kategorien, darunter Piloten, hatten weiter ein Anrecht darauf.

Vor Attacken wurde Soldaten ebenfalls Alkohol verabreicht. Manche mussten aber bis zu wichtigen staatlichen Feiertagen warten, bis sie ihre 100 Gramm zugeteilt bekamen.

Denjenigen, die es mit dem Alkohol übertrieben, drohten schwere Strafen. In einigen Fällen wurden betrunkene Soldaten, die zunächst degradiert worden waren, in Strafbataillone geschickt, um „die Schande mit Blut wegzuwaschen“.

>>> Leben und Lachen an der Front: Aus dem Alltag russischer Soldaten im Ersten Weltkrieg

>>> Zweiter Weltkrieg: Wie sah der Alltag sojwetischer Soldaten an der Front aus?

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