Kasernen, Warenlager, Fabriken: Was die Bolschewiki aus orthodoxen Kirchen machten

Die Bolschewiki bekämpften die Religion. Als eine Folge dessen, wurden Kirchen, die die Revolution überstanden hatten, geschlossen und zweckentfremdet. Viele wurden zu Lagerhäusern, Fabriken, Armeeunterkünften, Kulturzentren oder Versammlungshäusern der Pioniere.

Als Teil ihrer antireligiösen Kampagne schlossen die Bolschewiki tausende von Kirchen, verwüsteten sie oder rissen sie ab. Vor der Revolution von 1917 gab es in Russland rund 54 000 Gotteshäuser und über tausend Klöster. Zu Beginn der Perestroika in den 1980er Jahren waren es nur noch 6 893 Kirchen und 15 Klöster.

Lagerhäuser  

Die meisten Kirchen, die nicht der Zerstörung anheimfielen, wurden wirtschaftlichen Zwecken zugeführt. Viele wurden zu Vorratslagern verschiedener Fabriken. In ihnen wurde Korn, Mehl oder Zucker gelagert.  

Während der Belagerung von Leningrad wussten die Einwohner der Stadt, dass die Isaakskathedrale den deutschen Kampffliegern als Markierung diente und sie sie deshalb nicht zerstören würden. Daher wurden dort Kunstwerke aus anderen Museen der Stadt gelagert. Noch vor dem Krieg, 1930, wurde in der Kirche ein Foucaultsches Pendel installiert.  

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Ausgerechnet der Krieg rettete die Auferstehungskircheim heutigen Sankt Petersburg vor der Zerstörung – die lokalen Behörden hatten andere Sorgen zu der Zeit. Während der Belagerung wurde die Kirche zur Leichenhalle, wo die Körper der an Hunger gestorbenen Stadtbewohner hingebracht wurden. Nach dem Krieg nutzte das Maly-Theater die Kirche als Lagerhalle für Bühnendekoration.

Die Sankt-Clemens-Kirche in Moskau wurde 1943 der Lenin-Bibliothek übergeben, die sie als Buchlager nutzte. Die Bücher blieben dort übrigens bis 2008.

Armeeunterkünfte

Während des Zweiten Weltkrieges war in derAuferstehungskirche in Foros auf der Krim eine Militäreinheit der Roten Armee stationiert. Das Gebäude war bei Luftangriffen der Nazis schwer beschädigt worden. Nach dem Krieg wollten die Behörden das Gebäude abreißen, doch die Kirche überlebte wie durch ein Wunder. Nach der Perestroika wurde sie der russisch-orthodoxen Kirche zurückgegeben und wird seitdem wieder als Gotteshaus genutzt.

Feuerwache und Bushaltestelle  

1930 untersagten die Behörden das Glockengeläut der Auferstehungskirche in Kassimow in der Region Rjasan. Dieses störte angeblich den Unterricht in den örtlichen Schulen. In den 1940er Jahren wurde der Glockenturm abgerissen und aus der Kirche wurde eine Feuerwache. Heute ist nicht mehr zu erkennen, dass das Gebäude einmal ein Gotteshaus gewesen ist. Zu Sowjetzeiten wurde es mehrfach umgebaut und endete schließlich als Busbahnhof, der noch heute in Betrieb ist.

Fabrik

Einige Kirchen wurden an Fabriken gegeben und nicht nur als Lagerhäuser, sondern sie wurden zu Produktionsstätten. Die Kirche Sankt-Peter-und-Paulin Susdal wurde zum Beispiel zur Bäckerei.

1941 wurde die Kirche der Heiligen Boris und Glebin Degunino zu einer medizinischen Ambulanz. Ab 1960 wurden dort Kurse einer Strickwarenfabrik abgehalten und während der Perestroika wurde es von einer Augenklinik als Garage genutzt. Mittlerweile wurde der Bau der russisch-orthodoxen Kirche zurückgegeben und wird wieder im ursprünglichen Sinne genutzt.

Die Geburtskirchevon Tscherkisowo wurde als Mühle, Kaufhaus und Möbelgeschäft zweckentfremdet. In den 1990er Jahren wurde sie restauriert und der orthodoxen Kirche zurückgegeben.  

Planetarium

Die Kirche Sankt Nikolaus im Kreml von Wladimir hatte wohl den ungewöhnlichsten Verwendungszweck. Sie wurde 1962 zum Planetarium. Dafür wurde extra eine spezielle Kunststoff-Kuppel gebaut. Obwohl es immer mal wieder Pläne gab, das Planetarium in einem anderen Gebäude unterzubringen, ist es noch immer in der Kirche. Mehr noch, es gilt als wichtige Bildungseinrichtung. Dort wird Astronomie unterrichtet, werden Vorlesungen gehalten und manchmal findet auch ein Quiz statt.

Museum

Selbst den Kommunisten war die kulturelle und historische Bedeutung einiger bekannter Kirchen bewusst. Diese wurden erhalten und zu Museen umgewandelt. Diese Gebäude standen unter dem Schutz des Staates und wurden restauriert.

Eine der ersten Kirchen, die die sowjetischen Behörden in ein Museum umwandelten, war die Moskauer Basilius-Kathedrale. Dort wurde ein Museum für Architekturgeschichte eingerichtet.

Es heißt, dass die Sowjets immer wieder Abrisspläne hatten, einmal im Rahmen einer Umgestaltung des Roten Platzes, ein anderes Mal, weil die Kathedrale angeblich den Verkehrsfluss beeinträchtigte. Doch Stalin höchstpersönlich untersagte den Abriss der Kirche, die noch heute offiziell zum Staatlichen Historischen Museum gehört.

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1932 eröffnete das Museum für die Geschichte von Religion und Atheismus in der Kasaner-Kathedrale am Newski Prospekt im heutigen Sankt Petersburg. Anfangs, zu Kriegsbeginn, waren viele Ausstellungen großen Militärführern gewidmet. Doch die Kirche wurde bald Ziel deutscher Bomben. Löcher in der Kuppel und eingestürzte Decken waren die Folge. Das Museum wurde geschlossen.

Gefängnis

Gefangene wurden schon immer in Klosteranlagen untergebracht, auch vor der Revolution. Das hatte seine Ursache unter anderem in der abgeschiedenen Lage vieler Klöster sowie der festungsähnlichen Bauweise mit den dicken Mauern, in denen die Zellen untergebracht waren.  

Die sowjetischen Behörden nutzten die Vorteile der Klosteranlagen gerne und brachten tausende von Gefangenen darin unter.

Besonders bekannt ist das Inselkloster Solowezki. Von der Herrschaft Iwan des Schrecklichen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren dort 500 Gefangene untergebracht. Im späteren Solowezki Gefangen- und Speziallager waren es 200 000 Insassen.

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Auch das Nowospasski-Kloster (Neues Erlöserkloster), das später die Wirtschaftsabteilung des KGB-Vorgängers NKVD und ein Erziehungsheim für Frauen beherbergte, und das Andronikow- Erlöserkloster, in dem später Straßenkinder und eine Abteilung des Volkskommissariats für Verteidigung untergebracht waren, teilten das gleiche Schicksal.

Nowospasski-Kloster (Neues Erlöserkloster)
Andronikow- Erlöserkloster

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