Auseinandersetzungen mit Polen
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts besetzten polnische Soldaten den Kreml und ein polnischer König beanspruchte den russischen Thron für sich. Doch schon im folgenden Jahrhundert stellten sich die Machtverhältnisse wieder völlig anders dar. Der polnisch-litauische Staatenbund war durch andauernde innerpolitische Konflikte stark geschwächt und leicht manipulierbar durch ausländische Staaten, darunter auch Russland
In Sankt Petersburg war man mit dem Status Polens zufrieden, da der einflussreiche polnische Adel pro-russisch orientiert war. Doch andere mächtige polnische Nachbarn, Preußen und Österreich, drängten auf die Teilung des Landes. 1772 gab Katharina II dem Druck nach.
Die Teilung war jedoch keine dauerhafte Lösung. Das Land war weiter instabil. 1794 resultierte daraus ein Aufstand der Polen unter Führung von Tadeusz Kosciuszko, einem berühmten General, der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gekämpft hatte. Der zeitgenössische Historiker Andrej Burowski schrieb damals, dass Polen in der Auseinandersetzung mit den drei europäischen Großmächten wie ein Halbwüchsiger gewirkt habe, der sich gegen erwachsene Männer durchsetzen musste.
Zu Beginn des Aufstandes von Kosciuszko brachte ein Ereignis die Russen auf die Barrikaden. Es betraf das Schicksal der russischen Garnison in der polnischen Hauptstadt Warschau, die dort stationiert worden war, nachdem sich Russland militärisch in die innenpolitischen Zwistigkeiten Polens eingemischt hatte. Am Gründonnerstag des Jahres 1794 richteten einige Polen unter den Soldaten ein Blutbad an. „Die Polen sahen überall nach, wo sie einen Russen vermuteten. Fanden sie einen, töteten sie ihn. Aber man musste nicht Russe sein, es reichte auf irgendjemanden zu zeigen und zu behaupten, dieser Mensch sei für die Russen, um damit dessen Todesurteil zu unterschreiben”, schreibt Nikolai Kostomarow, ein Historiker des 19. Jahrhunderts. Viele wurden getötet, während sie in der Kirche der Messe beiwohnten. 2 200 Soldaten und Offiziere fielen dem Gemetzel zum Opfer. An Ostern wiederholten sich diese Ereignisse in der litauischen Stadt Vilnius.
Katharina II. beauftragte ihren erfahrensten Kommandanten, Alexander Suworow, den Aufstand zu beenden. Obwohl seine Truppe den Aufständischen zahlenmäßig unterlegen war, konnte er sie in die Knie zwingen und Warschau erobern. Sie besetzten nicht die ganze Stadt, sondern nur einen Bezirk, doch es gab viele Tote, da sich die russischen Soldaten für die Ereignisse im April rächen wollten. Nach dem Aufstand erfolgte die dritte und letzte Teilung des Landes und Polen verlor seine Unabhängigkeit für fast 100 Jahre. Es gab immer wieder bewaffnete Aufstände der Polen, was ein ständiger Störfaktor für das Zarenreich war.
Der Kaukasuskrieg
Der Kaukasuskrieg dauerte jahrzehntelang, von 1817 bis 1864. Drei russische Herrscher versuchten, den scheinbar endlosen Krieg zu gewinnen.
Ins Visier des Zarenreiches gerieten die kaukasischen Bergbewohner erstmals im frühen 18. Jahrhundert. Georgische Führer baten Sankt Petersburg um Schutz gegen die Türkei und den Iran. Russland übernahm zudem die Kontrolle über das Gebiet von Aserbaidschan. Um dorthin zu gelangen, nach Georgien und Aserbaidschan, mussten die Russen die Kaukasusroute sichern, die durch das Land von Bergbauern führte. Nach dem aserbaidschanischen Historiker Georgi Antschabadse seien es ausschließlich geopolitische Zwänge gewesen, die Russland in den Kaukasus und weiter in Richtung Süden, zu den „warmen Meeren” trieben. Er betont die Bedeutung des Wettbewerbs zwischen Russland, der Türkei und dem Iran um die Kontrolle über diese Region.
Doch warum dauerte diese Auseinandersetzung so lange? Eine Annahme sagt, dass es sich nicht um einen einzelnen Krieg gehandelt habe, sondern um viele verschiedene Kämpfe gegen unterschiedliche Gruppen der Bergbewohner. Zudem könne man die Dauer des Krieges auch mit der dortigen Nationalkultur erklären. Der Historiker Jakow Gordin meint, dass der Krieg die Folge der in der Region weit verbreiteten Überfälle gewesen sei, die dort gewissermaßen ein Geschäftsmodell waren. Für viele Einheimische seien Überfälle die Haupteinnahmequelle in der ressourcenarmen Region gewesen, in der es auch kaum fruchtbares Land gibt. Andrej Burowski betrachtet die Überfälle sogar als Teil des lokalen Ethos.
Einer der berühmtesten Anführer der Bergbewohner war Imam Schamil. Unter seiner politischen und religiösen Führung kämpften die Kaukasier aus Tschetschenien und Dagestan in den Jahren 1830 bis 1850 sehr erfolgreich gegen die russischen Soldaten. Stetiger militärischer und wirtschaftlicher Druck brachte Russland zuletzt doch noch den Sieg. Sie drängten die Einheimischen aus den Tälern und aus den Dörfern weiter in die Berge. Es heißt, dass dieser Krieg auf beiden Seiten tausende Todesopfer gefordert habe.