Jakow Peters: Wie Lenins Handlanger zum Lieblingsfeind Winston Churchills wurde

Geschichte
BORIS JEGOROW
Im London der 1910er Jahre trieb eine Bande lettischer Krimineller ihr Unwesen, sehr zum Ärger des damaligen britischen Innenministers Winston Churchill. Dieser setzte alles daran, sie unschädlich zu machen. Dass ihm dabei auch der zukünftige Gründer der berühmt-berüchtigten sowjetischen Tscheka ins Netz gehen würde, ahnte er damals noch nicht.

Ganz Russland hatte Angst vor ihm. Der in Lettland geborene Jakow Peters war einer der mächtigsten und einflussreichsten Bolschewiki. Es war seine Aufgabe, den Sowjetstaat vor Feinden im Inneren zu schützen und den roten Terror, dem Tausende zum Opfer fielen, zu organisieren. 

Peters war einer der Gründer und Leiter der sowjetischen Geheimpolizei, der Allrussischen Außerordentlichen Kommission, im Volksmund Tscheka genannt, und Vorläufer des KGB. Bevor die russische Revolution von 1917 Peters zu einer Spitzenposition in der sowjetischen Politik verhalf, lebte er als Emigrant in Großbritannien. Dort wurde er zu einem persönlichen Feind Winston Churchills. 

Emigration nach Großbritannien  

Die Revolution von 1905 in Russland war in gewisser Weise eine Generalprobe für 1917. Viele der späteren bolschewistischen Führungskräfte waren daran beteiligt, auch Jakow Peters. Er wurde verhaftet, weil er linke Propaganda verbreitet und einen Mordanschlag auf einen Fabrikdirektor unternommen hatte. Obwohl er freigesprochen wurde, emigrierte Peters 1910 nach Großbritannien. 

Dort schloss er sich einer lokalen Gruppe von lettischen Anarchisten und radikalen Linken an. Doch statt mit Politik beschäftigten diese sich mit Raubüberfällen auf Juweliere.

Ihre kriminellen Aktivitäten empörten den damaligen britischen Innenminister Winston Churchill so sehr, dass er es zur Ehrensache erklärte, diese „wilden Wesen” zu jagen, die die Londoner Innenstadt in eine „Keimzelle von Mord, Anarchie und revolutionärem Gedankengut” verwandelt hatten. 

Die Belagerung in der Sidney-Street in Ost-London

Nachdem drei Polizisten während eines Überfalls von den lettischen Anarchisten getötet worden waren, wurden Peters und seine Kameraden als Hauptverdächtige festgenommen. Während Peters in Untersuchungshaft saß, ging die Jagd nach den lettischen Kriminellen weiter. 

Am 3. Januar 1911 umstellte die Polizei, unterstützt von schwerbewaffneten Militärs und sogar unter Einsatz von Artillerie, ein Haus in der Sidney Street in Ost-London, in dem sich die Letten verschanzt hatten.

Winston Churchill war persönlich vor Ort und befehligte die Operation. Bei einem Schusswechsel wurden zwei der Kriminellen getötet.

Die Polizei und Churchill nahmen Peters genau unter die Lupe, denn es hatte sich herausgestellt, dass einer der Getöteten sein Cousin Fritz Svaars war. 

Peter der Maler 

Die Polizei vermutete daher, Peters sei der rücksichtslose Anführer der lettischen Anarchisten, der sogenannte Peter der Maler. Dieser war schon während der Revolution von 1905 in Russland in Terroraktionen verwickelt und galt als Kopf hinter den Verbrechen in der britischen Hauptstadt.

Winston Churchill schrieb in seinem Buch „Gedanken und Abenteuern” über ihn: „Peter der Maler war eines dieser wilden Tiere, die in späteren Jahren inmitten der Kämpfe des Ersten Weltkriegs den russischen Staat und das russische Volk verschlingen und verwüsten sollten.“ 

Der Hass, den der Innenminister gegenüber den lettischen Anarchisten empfand, war groß. Peters gegenüber war er sein Leben lang geradezu feindselig eingestellt (eng).

Die Staatsanwaltschaft konnte jedoch nicht beweisen, dass Peters tatsächlich Peter der Maler war oder dass er überhaupt in irgendeiner Weise mit den Verbrechen in Verbindung stand.

Wie der britische Professor Donald Rayfield schreibt (eng), wurde Peters freigesprochen, dank eines von der (lettischen) Sozialdemokratischen Partei angeheuerten Anwalts und der Nachlässigkeit von Scotland Yard. Zwar gab es Augenzeugen der Ermordung der Polizisten, die Peters als Täter identifiziert hatten. Doch Scotland Yard schob die Schuld dennoch einem der getöteten Anarchisten zu. 

Churchill wollte mit dem Prozess gegen Peters eigentlich ein Exempel statuieren, stattdessen wurde der Lette zur Empörung des britischen Innenministers von allen Anklagepunkten freigesprochen. Die wahre Identität von Peter der Maler kam nie ans Licht. Fraglich, ob es ihn jemals gegeben hat. 

Liebhaber von Churchills Cousine? 

Einige Historiker sehen noch einen weiteren Grund für Churchills Abneigung gegen Peters. Die Journalistin Jelena Sijanowa vermutet (rus), dass sich Peters an Churchills junge Cousine, die Bildhauerin Clare Sheridan, herangemacht habe. Sie hätte sich in Peters verliebt, seinen Prozess verfolgt und ihn unterstützt. Nach seinem Freispruch hätten sie eine kurze, leidenschaftliche Affäre gehabt.

Diese Version der Ereignisse bleibt jedoch fragwürdig. Es ist bekannt (eng), dass Clare Frewen, wie sie mit Geburtsnamen hieß, seit 1910 glücklich mit Wilfred Sheridan verheiratet war, der als die Liebe ihres Lebens galt. 

Revolution statt Bourgeoisie 

Sowohl Churchill als auch Peters machten in den folgenden Jahren politische Karriere. Der lettische Bolschewist hätte stattdessen auch ein bourgeoises Leben wählen können. 1916 heiratete er May Freeman, die Tochter eines Londoner Bankiers. Sie hatten eine gemeinsame Tochter. 

Doch als in Russland die Revolution ausbrach, verließ Jakow Peters seine Familie und zog zurück in die Heimat, um seine bemerkenswerte, jedoch zweifelhafte Karriere zu starten. Zweimal hatte Justitia bei ihm ein Auge zugedrückt. Doch beim dritten Mal hatte Peters weniger Glück. Während der stalinistischen Säuberungsaktionen wurde er 1938 verhaftet und wegen „konterrevolutionärer Aktivitäten“ hingerichtet.

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