Die ersten Ölfunde in Saudi Arabien: Als Stalin ein Vermögen verschenkte

Getty Images
In den frühen 1930er Jahren waren die UdSSR und Saudi Arabien ziemlich beste Freunde. Doch dann verschlechterten sich die Beziehungen deutlich. Als Ende der 1930er Jahre in dem Wüstenstaat riesige Ölvorkommen entdeckt wurden, ging die UdSSR leer aus.

Im März 1938 veränderte sich die Welt. In Saudi Arabien stießen die Amerikaner auf Öl. Die Ölsucher der California Arabian Standard Oil Company (später Arabian American Oil Company - Aramco) entdeckten ein Vorkommen, das groß genug für die kommerzielle Ausbeutung war.

Die USA schlossen ein Abkommen über Ölkonzessionen mit der Regierung unter König Abdul Aziz Al Saud (im Westen als Ibn Saud bekannt).

Die Folgen wirken noch heute nach. Saudi Arabien wurde zu einem der weltweit führenden Ölproduzenten und ist ein enger Verbündeter der USA in Nahost. Was wäre gewesen, wenn die Sowjetunion von den Ölfunden in Saudi-Arabien profitiert hätte? 

Die Entstehung des saudischen Staates  

Ibn Saud

In den 1930er Jahren war Saudi-Arabien noch ein Dritte-Welt-Land. Ibn Saud führte eine Armee von Beduinen an und eroberte den Hedschas, ein Gebiet, in dem auch Mekka und Medina, heilige Städte des Islam, liegen.

1926 proklamierte er dort ein Königreich mit ihm als Herrscher. Als erstes Land erkannte die Sowjetunion die neue Monarchie an, die erst seit den frühen 1930er Jahren Saudi Arabien heißt. „Die Sowjetregierung, die das Volk des Hedschas respektiert, erkennt Sie als König des Hedschas und Emir von Nadschd an”, heißt es in einer Note des sowjetischen Gesandten an Ibn Saud. Der bedankte sich und antwortete: „Wir sind bereit Beziehungen zur Sowjetregierung zu unterhalten, die freundliche Mächtige haben…” 

Dieser diplomatische Erfolg geht maßgeblich auf das Konto des sowjetischen Generalkonsuls Karim Chakimow. Er wurde ein guter Freund Ibn Sauds, der von dem Sowjetrepräsentanten begeistert war.

Chakimow war ein Muslim baschkirischer Herkunft. Er hatte bereits im Iran gearbeitet und war  mit der arabischen Kultur und Sprache vertraut. Die Araber nannten ihn sogar den „Roten Pascha, ein symbolischer Ehrentitel. 

Gute Beziehungen 

Karim Chakimow

Ibn Saud und seine Untertanen waren Wahhabiten, eine traditionalistische Strömung des Islam. Wie kam es, dass sie sich dennoch so gut mit den Sowjets verstanden, wo Atheismus zur Staatsdoktrin gehörte? Es ging um politische Interessen. Für die Sowjets war es wichtig, die unabhängigen arabischen Staaten zu unterstützen, die in der Region gegen die Briten kämpften. Daher hielten sie sich mit den Themen Atheismus und kommunistische Revolution zurück. 

„In Saudi-Arabien gab es keine Komintern-Linie, eine sowjetische Politik zur Unterstützung kommunistischer Revolutionsbewegungen. Die saudische Gesellschaft hätte solche Ideen nicht unterstützt. Den Sowjets war es zudem wichtiger, dass das Land seine anti-britische Haltung behielt”, sagt (rus) Witali Naumkin, Direktor des Instituts für Orientalistik an der Russischen Akademie der Wissenschaften. Pragmatismus regiert die Welt! 

Nasir Tjurjakulow

Ironischerweise half die UdSSR in den frühen 1930er Jahren Saudi-Arabien bei der Energieversorgung: Chakimows Nachfolger, Nasir Tjurjakulow, ein anderer muslimischer Diplomat der Sowjetunion und Ibn Saud einigten sich auf die Lieferung von Gas und Kerosin. Von den gigantischen Ölvorkommen unter ihnen wussten die Saudis damals noch nichts 

Hoher Besuch 

1932 stattete Prinz Faisal ibn Abd al-Aziz Moskau einen Besuch ab, der jedoch nicht erfolgreich war: Er hatte auf großzügige finanzielle Unterstützung der Sowjets gehofft, doch die Regierung der UdSSR erinnerte ihn höflich daran, dass die Saudis für die Öl- und Kerosinlieferungen nicht bezahlt hatten.

Prinz Faisal mit Karim Chakimow in Moskau, 1932

Ein anderes Problem war, dass es muslimischen Sowjetbürgern nicht gestattet war, nach Mekka oder Medina zu reisen. Eine Pilgerreise war für das kommunistische Land nicht akzeptabel. Fünf Jahre später verschlechterte sich das Verhältnis weiter. 

Ein bitteres Ende 

Karim Chakimow und Nasir Tjurjakulow, die gute Beziehungen zu den Saudis pflegten, wurden 1937/1938 nach Moskau zurückbeordert. Es waren die Zeiten des Großen Terrors, als 600 000 Menschen (zurückhaltenden Schätzungen zufolge) den stalinistischen Säuberungen zum Opfer fielen. Chakimow und Tjurjakulow blieben nicht verschont. Wegen Spionage verurteilt, wurden sie erschossen. Beide wurden in den 1950er Jahren posthum rehabilitiert.

Nasim Tjurjakulow in Haft

Der saudische König hörte nicht gerne, dass seine Freunde in Moskau hingerichtet worden waren. Er lehnte es ab, andere sowjetische Diplomaten in seinem Land zu empfangen. Seit 1938 gab es de facto keine sowjetisch-saudischen Beziehungen mehr. Im selben Jahr ergriffen die Amerikaner die Initiative im Königreich und stießen dort auf Öl. 

Von da an verwandelte sich das ehemals von Wüstennomaden regierte Reich mitten im Nirgendwo in ein strategisch wichtiges Land. Später, 1985, schadete die Entscheidung Saudi-Arabiens, die Ölfördermengen zu steigern, der UdSSR, ebenfalls ein wichtiger Erdölexporteur, dramatisch. „Der Ölpreis ist um das Vierfache gefallen. Das hat die UdSSR 20 Milliarden US-Dollar gekostet”, schrieb (rus) Jegor Gaidar, der russische Ministerpräsident im Jahr 1992, in seinem Buch über die Gründe für den wirtschaftlichen Zusammenbruch der UdSSR.

Gaidar macht die Dumpingpreise der Saudis für den Untergang der UdSSR verantwortlich. Dies ist sicherlich eine allzu vereinfachte Darstellung, doch die Politik der Saudis hat die ohnehin schwache sowjetische Wirtschaft noch zusätzlich geschwächt. Hätte Josef Stalin dies seinerzeit geahnt, hätte er Chakimow und Tjurjakulow wahrscheinlich nicht umbringen lassen. 

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!