Fliegen ist schön: Wie sah die sowjetische Zivilluftfahrt aus? (FOTOS)

Dmitriy Kozlov/Sputnik
Die Erinnerungen der Passagiere an den Flugverkehr in der Sowjetunion sind unterschiedlich: Einige glauben, dass die Zivilluftfahrt damals erschwinglicher war als heute. Für andere ist sie im Gegenteil mit endlosen Warteschlangen für Tickets verbunden. Wie war es also wirklich?

1923 gilt als offizielles Geburtsjahr der sowjetischen Zivilluftfahrt, als die erste Luftfahrtgesellschaft des Landes, Dobroljot, für den Transport von Passagiere und Post gegründet wurde. Seit 1932 ist Dobroljot als Aeroflot bekannt, die die offizielle (und einzige) Fluggesellschaft in der UdSSR wurde. Zu dieser Zeit hatte die Sowjetunion eigene Flugzeuge entwickelt: U-2, PS-9, K-5.

Die ersten Flugstrecken verbanden Moskau, Nischni Nowgorod, Kasan, Charkow, Odessa, Leningrad und Kiew. Wladiwostok oder Jakutsk waren nur mit Zwischenstopps zu erreichen.

So reisten die ersten Passagiere eines U-2SP-Flugzeugs 1940:

Die sowjetische Zivilluftfahrt begann sich erst nach dem Großen Vaterländischen Krieg zu entwickeln. In den 1950er Jahren erhielt Aeroflot Düsenflugzeuge, was die Reise viel schneller und angenehmer machte: In den 1930er Jahren dauerte ein Flug von Moskau nach Nischni Nowgorod vier Stunden, jetzt  waren es nur noch anderthalb Stunden.

Der Erstflug der Tu-104 fand 1956 auf der Strecke Moskau - Omsk - Irkutsk statt. Das Rauchen war an Bord gestattet. Übrigens war das Rauchen an Bord auf Auslandsflügen bis 2000 nicht verboten.

In den 1960er Jahren verband der Luftverkehr nicht nur die Hauptstädte der Sowjetrepubliken, sondern auch regionale Zentren. Die Zahl der Flugplätze im ganzen Land schossen wie Pilze aus dem Boden. 

1976 wurde Aeroflot zur ersten Fluggesellschaft der Welt, die  mehr als 100 Millionen Passagiere pro Jahr beförderte.

In den frühen 1960er Jahren hatte Moskau vier Flughäfen: Wnukowo, Bykowo, Scheremetjewo und Domodedowo. Die Hauptstadt galt als wichtigster Verkehrsknotenpunkt des Landes - sie verband mehr als 200 Städte in der Sowjetunion.

So sah das Terminal des Flughafens Domodedowo im Jahr 1965 aus: 

Wie viel kosteten die Tickets? Das Handbuch „Personenverkehr Moskaus“ aus dem Jahr  1990 listet folgende Ticketpreise von Moskau in folgende Städte auf: nach Sotschi 31 Rubel (ungefähr 3.400 Rubel zum heutigen Kurs oder 50 USD), nach Leningrad 18 Rubel (1.900 Rubel oder 29 USD), nach Wladiwostok 134 Rubel (14.600 Rubel oder 220 US-Dollar). 

Diese Preise sind durchaus mit den heutigen vergleichbar, aber man muss beachten, dass das durchschnittliche Monatsgehalt eines Facharbeiters in der Sowjetunion 170 Rubel betrug. Daher konnten es sich nicht alle Bürger leisten zu fliegen. Nichtsdestotrotz waren Flüge innerhalb von Regionen oder zwischen regionalen Zentren jedoch viel günstiger.

Im Flugticketpreis war eine Mahlzeit an Bord, die auf Porzellantellern serviert wurden, und eine Freigepäckmenge inbegriffen. Jeder Passagier konnte 20 Kilogramm einchecken, plus Handgepäck. In kleinen Flugzeugen wie der An-2 und Hubschraubern war das Gepäck auf 10 Kilogramm begrenzt.

Kinder unter fünf Jahren durften kostenlos reisen, Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren erhielten 50 Prozent Ermäßigung. Während des Schuljahres von Oktober bis Mai galt für alle Schüler und Studenten der gleiche Rabatt. Alle Preise wurden festgesetzt. Kriegsveteranen hatten ein Recht auf kostenlose Flugtickets zweimal pro Jahr.

Eine Flugbegleiterin bedient Passagiere an Bord eines Tu-104-Flugzeugs im Jahr 1958: 

Ein Ticket für ein beliebtes Ziel an der Schwarzmeerküste wie Anapa oder Sotschi war nicht immer einfach zu bekommen.

Eine interessante Tatsache: Bis in die 1970er Jahre konnten Flugtickets ohne Pass gekauft werden - sie enthielten nicht den Namen des Passagiers. Die Reisenden mussten erst beim Einchecken am Flughafen einen Ausweis vorlegen.

Tickets wurden an speziellen Passagierterminals (zu Russisch Aerowoksal, also „Aerobahnhof“)  verkauft. In Moskau konnte man sich sowohl am Flughafen als auch an einem solchen Passagierterminal am Leningradsky Prospekt oder am Moskowski Aerowoksal, einchecken. Drinnen sah es wie ein normales Flughafenterminal aus, nur dass es keine Flugzeuge gab. Von dort beförderte man registrierte Passagiere mit speziellen Expressbussen zu den entsprechenden Flughäfen. Damals gab es in Moskau nur wenige Autos, und eine solche Fahrt dauerte nur eine Stunde und kostete weniger als 1 Rubel (100 heutige Rubel oder 1,5 Dollar). Für Transitpassagiere fuhren ähnliche Busse zwischen den vier Moskauer Flughäfen und boten einen sehr bequemen und schnellen Service an.

Obwohl Aeroflot regelmäßige internationale Flüge in die USA, nach Europa und Asien durchführte, konnte ein gewöhnlicher sowjetischer Bürger für diese Flüge kein Ticket kaufen. In der Sowjetzeit durften nur wenige Personen ins Ausland reisen.

Also, wer waren diese Glückspilze? Künstler, Offizielle, Sportler und natürlich ausländische Touristengruppen. Wenn es auf Inlandsflügen keine Einteilung in verschiedene Serviceklassen gab, versuchte Aeroflot auf internationalen Strecken, die besten westlichen Standards zu erfüllen.

Bis 1990 beförderte Aeroflot bereits mehr als 140 Millionen Passagiere pro Jahr. Zu dieser Zeit hatte das Land rund 1 500 Flugplätze, vor allem in den Regionen. Übrigens sind heutzutage weniger als 300 von ihnen übrig geblieben.

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