Die drei langlebigsten Legenden der russischen Geschichte

Pixabay; Ilja Repin/Tretjakow-Galerie; gemeinfrei
Dmitri Mendelejew ist das Periodensystem der chemischen Elemente nicht im Schlaf zugeflogen, er hat lange daran gearbeitet. Es gibt auch keine Beweise, dass Iwan der Schreckliche seinen Sohn getötet hat. Dennoch halten sich solche Legenden hartnäckig.

1. Kaiser Alexander I. täuschte seinen Tod nur vor 

In den Jahren vor seinem Tod sprach Alexander I. von Russland gelegentlich über seinen Wunsch, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. 1819 sagte er zu seinem Bruder Nikolaus: „Ich bin nicht mehr der, der ich war, und ich denke, es ist meine Pflicht, mich zurückzuziehen.“ 1824 sagte er, es würde ihm nichts ausmachen, „die Last der Krone abzuwerfen.” 

Alexander I.

Im Herbst 1825 reiste Alexander mit seiner Gemahlin nach Taganrog und starb dort überraschend an einem Fieber. Eine Autopsie wurde durchgeführt und der Bericht wurde von neun Ärzten unterzeichnet. Nach der Einbalsamierung wurde der Leichnam des Kaisers nach St. Petersburg überführt.

Niemand außer der Familie durfte einen Blick in den Sarg werfen. Auch während der sieben Tage dauernden Aufbahrung in der Kasaner Kathedrale blieb der Sarg geschlossen. 

Totenmaske von Alexander I.

1836 wurde in der Region Perm ein alter Mann wegen Landstreicherei festgenommen. Er nannte sich Fjodor Kusmitsch, war groß und hatte graue Haare. Er war gesund, wirkte gebildet und sanftmütig. Über seine Herkunft schwieg er eisern. 

Fjodor wurde nach Sibirien geschickt. Dort verbachte er den Rest seines Lebens. Er starb 1864. Zu Lebzeiten hat er viel über St. Petersburg gesprochen, den Krieg von 1812 und die Militärkommandanten Kutusow und Suworow. Offenbar hatte er im Krieg gekämpft. 

Wie kam es zu dem Gerücht, der alte Fjodor sei in Wahrheit der totgeglaubte frühere Kaiser Alexander? Der Kaufmann Semjon Chromow aus Tomsk hatte Fjodor in sein Haus eingeladen. E war überzeugt davon, den Kaiser beherbergt zu haben. So wurde Chromow selbst berühmt. Er wollte sogar an Alexander II. schreiben. Als er 1882 von den Tomsker Behörden befragt wurde, leugnete er, mehr über die Vergangenheit des alten Mannes zu wissen. Fjodor selbst hat nie etwas zur Aufklärung der Legende beigetragen. 

Fjodor Kusmitsch

Er hat Chromow angeblich eine verschlüsselte Nachricht hinterlassen, die nach seinem Tode Auskunft über seine wahre Identität hätte geben können, doch bis heute hat niemand die Nachricht entschlüsseln können.

Historiker gehen davon aus, dass Fjodor Kusmitsch zwar existiert hat, aber lediglich ein hochrangiger Adeliger gewesen sei, keinesfalls Kaiser Alexander. 

>>> Tauschte Zar Alexander I. seinen Thron gegen die Einsamkeit Sibiriens?

2. Dmitri Mendelejew hat das Periodensystem im Schlaf entdeckt

Die Legende lautet wie folgt: Im Jahr 1869 beschäftigte sich Dmitri Mendelejew mit den Eigenschaften chemischer Elemente. Er wollte dazu eine Übersicht erstellen.  

Einmal schlief er erschöpft an seinem Schreibtisch ein. Im Traum sei ihm plötzlich alles klar geworden. Er sei erwacht und habe das Geträumte sofort zu Papier gebracht. So sei das Periodensystem der Elemente entstanden. 

Dmitri Mendelejew

Mendelejew selbst hat das nie so erzählt, jedoch, sein Freund, der Geologe Alexander Inostranzew.  Mendelejew ärgerte sich darüber. In einem Gespräch mit einem Journalisten einer St. Petersburger Zeitung sagte er: „Nein! Das ist keine Zeile wert. Ich hätte jahrzehntelang daran arbeiten können und Sie würden immer nur schreiben, ich hätte lediglich herumgesessen und plötzlich diesen Einfall gehabt. Das ist zu einfach.”  

Alexander Inostranzew

Mendelejew war nicht der einzige Chemiker, der an einem Periodensystem der Elemente gearbeitet hat. Der Deutsche Julius Lothar Meyer hatte 1864 eines erstellt, dass aus nur 28 Elementen bestand. 

3. Iwan der Schreckliche hat seinen eigenen Sohn erschlagen

Dieser Mythos beruht vor allem auf Ilja Repins Gemälde „Iwan der Schreckliche und sein Sohn”. Belastbare Beweise gibt es nicht. Es heißt lediglich, der Sohn von Iwan IV. sei „an einer Krankheit” gestorben. 

„Iwan der Schreckliche und sein Sohn Iwan“

Im Jahr 1963 wurden in der Moskauer Archangelsk-Kathedrale, dem Begräbnisort der russischen Zaren, die Leichen Iwan des Schrecklichen und seiner Söhne Iwan und Fjodor exhumiert. In allen Körpern konnte Arsen nachgewiesen werden, was nicht überraschend ist. Alle Zaren nahmen regelmäßig kleinere Mengen Arsen zu sich, um immun gegen einen Anschlag mit diesem Gift zu werden. In den Knochen von Iwan IV. und seinem Sohn Iwan junior fanden sich jedoch auch hohe Konzentrationen von Quecksilber.

Später, in den 1990er Jahren, wurden dann in den Knochen von Anastasia, der ersten Frau von Iwan IV., und seiner Mutter Jelena Glinskaja ebenfalls hohe Mengen Quecksilber gefunden. 

Die Untersuchung ergab, dass die Familie von Iwan dem Schrecklichen höchstwahrscheinlich Opfer einer Vergiftung geworden ist. Es wird allgemein berichtet, dass Iwan nach dem Tod seines älteren Sohnes am Boden zerstört war. Er hat vier Tage am Bett seines sterbenden Kindes verbracht. Diese Tatsache passt nicht in das Bild eines Verrückten, der seinen eigenen Sohn getötet hat. Darüber hinaus sollte der junge Iwan der nächste Zar werden. Sein Vater hatte ihn bereits zum Kommandeur ernannt und diskutierte mit ihm Staatsangelegenheiten. Angesichts einer drohenden dynastischen Krise durch den Tod des Zarewitsch scheint es also sehr unwahrscheinlich, dass Iwan IV. den Thronfolger selbst getötet hat. 

„Päpstliche Botschafter vor Iwan dem Schrecklichen“

Wer profitierte davon, Iwan IV. diese Tat in die Schuhe zu schieben? Erstmals tauchte dieses Gerücht in einem Bericht des päpstlichen Gesandten Antonio Possevino auf. Der Jesuit sollte Iwan den Schrecklichen davon überzeugen, aus Russland ein katholisches Land zu machen. Als Possevinos Mission fehlschlug, beschuldigte der erboste Gesandte den russischen Zaren, sein eigen Fleisch und Blut getötet zu haben. Iwans Feinde im In- und Ausland verbreiteten diese Verleumdung bereitwillig weiter. Ende des 19. Jahrhunderts hielt Repin den schlimmen Vorwurf schließlich auf seinem Gemälde für die Ewigkeit fest. 

>>> „Iwan der Schreckliche und sein Sohn“: Die Geschichte hinter Repins beschädigtem Meisterwerk

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!