Zensiert: Diese fünf literarischen Meisterwerke waren in der UdSSR verboten

Rowohlt Verlag; gemeinfrei; Freepik.com
Es sind Bücher von Weltruhm und Werke, die den Begriff „russische Literatur“ geprägt haben. Doch zu Sowjetzeiten waren sie verboten und wurden nur illegal unter der Hand verbreitet.

Alle Verlage in der UdSSR befanden sich in Staatsbesitz und jeder Text musste durch die Zensur, bevor er gedruckt werden durfte. Die Prüfung war Aufgabe der Hauptverwaltung der Angelegenheiten der Literatur und des Verlagswesens, Glawlit.

Es gab viele Gründe, warum Bücher nicht veröffentlicht wurden. Kritik am Sowjetsystem, auch indirekt oder allegorisch verpackt, fehlender Patriotismus oder keine ausreichende Würdigung der Werte des sowjetischen Volkes waren Ausschlusskriterien. Auch die Werke von Emigranten wurden nicht veröffentlicht. Sie galten als Volksfeinde und Vaterlandsverräter. Die folgenden Bücher wurden erst veröffentlicht, als die UdSSR bereits kurz vor dem Zusammenbruch stand.

1. Iwan Bunin, Verfluchte Tage

(verfasst 1918 bis 1920, in der UdSSR veröffentlicht 1988)

Bunin unterstützte die bolschewistische Bewegung nicht. Er sympathisierte mit den Weißen und wollte sich sogar freiwillig für die Front melden.

1920 wanderte er nach Frankreich aus. In seinen Tagebüchern beschrieb Bunin seine Einstellung zu den Bolschewiki und sein Entsetzen über das Chaos und die Unordnung, die während der Revolution und des Bürgerkriegs auf den Straßen herrschten.

Auf der Grundlage dieser Tagebucheinträge verfasste er später sein berühmtes Werk „Verfluchte Tage“, das in Paris bereits 1925 veröffentlicht wurde. Einen solchen antisowjetischen Text in der UdSSR zu publizieren war undenkbar. „Verfluchte Tage“ fällt ein vernichtendes Urteil über die Bolschewiki und die Revolution. Das Buch war bis zur Perestroika verboten und erschien selbst 1988 noch mit Änderungen, die die Zensur zur Auflage gemacht hatte. Erst 1990 erschien eine unzensierte Ausgabe.

2. Jewgenij Samjatin, Wir

(verfasst 1920, in der UdSSR veröffentlicht 1988)

Samjatins dystopischer Science-Fiction-Roman beschreibt einen totalitären Staat, der stark an die kommunistische UdSSR erinnert. Darin wird das Leben der Menschen, einschließlich ihres Intimlebens, von den Behörden vollumfänglich kontrolliert.

Die sowjetischen Zensoren betrachteten den Roman als Satire auf das sowjetische System (und das zu Recht). Einige Stellen waren für die Behörden allzu kritisch gegenüber den Ereignissen im Bürgerkrieg und den Bolschewiki verfasst.

Samjatin sollte gemeinsam mit anderen antisowjetischen Schriftstellern das Land verlassen, doch dann wurde er verhaftet. Dank der Petitionen seiner Freunde wurde er einige Zeit später freigelassen.

Samjatin hatte es geschafft, das Manuskript vor seiner Verhaftung in den Westen zu schaffen. Der Roman wurde in den USA und später in Europa veröffentlicht.

Zu Hause wurde der Autor wegen dieses Verrats verfolgt. Im Jahr 1931 bat er selbst Stalin um Erlaubnis, das Land verlassen zu dürfen. Wieder unterstützten ihn dabei einflussreiche Persönlichkeiten wie Stalins favorisierter Schriftsteller Maxim Gorki. So durfte Samjatin schließlich ausreisen. Von 1931 bis zu seinem Tod 1937 lebte er in Paris. „Wir“ wurde in der Sowjetunion 1988 veröffentlicht.

3. Boris Pasternak, Doktor Schiwago

(verfasst 1945 bis 1955, in der UdSSR veröffentlicht 1988)

Pasternak erhielt den Nobelpreis für „Doktor Schiwago“, den Roman, der die Geschichte der Revolution und des Bürgerkriegs in Russland im Grunde unvoreingenommen erzählt. Dennoch sah sich Pasternak in der Heimat einer Verleumdungskampagne ausgesetzt.

In Italien wurde „Doktor Schiwago“ zuerst veröffentlicht. Daran war offenbar auch die CIA beteiligt, wie jüngst freigegebene Dokumente nahelegen. In der Heimat wurde Pasternak zum Verräter abgestempelt und Opfer einer Hetzjagd.

Pasternak war in der gesamten Bevölkerung ein Symbol der Verachtung geworden. „Ich habe Pasternak zwar nicht gelesen, aber ich verurteile ihn“, war eine gängige Phrase.

Pasternak musste auf den Literatur-Nobelpreis verzichten, da man ihm mit der Ausweisung gedroht hatte. „Doktor Schiwago“ wurde erst 1988 von „Nowi Mir“ in der UdSSR veröffentlicht.

4. Wladimir Nabokow, Lolita

(verfasst 1953, in der UdSSR erstmals 1989 veröffentlicht)

In der UdSSR veröffentlicht zu werden stand für Nabokow außer Frage. Die ganze Familie hatte das Land nach der Revolution verlassen. Sie alle galten als Verräter.

Nabokows Werke wurden über Samisdat verbreitet, so dass sie der intellektuellen Elite bekannt waren. Dass sein Roman „Lolita“ jemals in der UdSSR veröffentlicht werden würde, daran hat Nabokow selbst nicht geglaubt. In einem Nachwort zur russischen Übersetzung schrieb er in den 1960er Jahren: „Ich kann mir nicht vorstellen, egal ob unter einem totalitären oder liberalen Regime, dass ‚Lolita‘ durch die Zensur kommt.”

Das Werk wurde schließlich 1989 doch veröffentlicht.

5. Alexander Solschenizyn, Der Archipel Gulag

(verfasst 1958 bis 1968, bis 1979 überarbeitet, veröffentlicht 1989)

Es war Solschenizyn zu verdanken, dass der Gulag erstmals in den sowjetischen Medien thematisiert wurde. Viele Familien waren von der politischen Verfolgung betroffen, Zehntausende waren zu Lagerhaft verurteilt worden. Viele Jahre lang schwieg die Presse über die Bedingungen, unter denen die Gefangenen ihre Strafe verbüßten, dass sie Hunger litten, häufig erkrankten und Schwerstarbeit verrichten mussten.

Im Jahr 1968 wurde Solschenizyns „Ein Tag im Leben von Iwan Denissowitsch“ von „Nowi Mir“ veröffentlicht. Darin beschreibt Solschenizyn seine eigenen Erfahrungen aus acht Jahren Gefangenenlager.

Er widmete sein ganzes Leben den Themen Strafvollzug und politische Verfolgung in der UdSSR. Er sammelte Informationen über die Lager im ganzen Land, beschrieb detailliert ihren Aufbau und wer dort was arbeitete. Er schrieb alles in „Der Archipel Gulag“ nieder.

Solschenizyn war einer der prominentesten sowjetischen Dissidenten, ein Freiheitskämpfer und vehementer Gegner der Zensur.

Der KGB überwachte ihn genau und fand schließlich das Manuskript zu „Der Archipel Gulag“. Doch Solschenizyn hatte das Manuskript schon in den Westen schaffen können. 1973 wurde es in Paris veröffentlicht.

Solschenizyn wurde als Verräter verurteilt, ihm wurde die sowjetische Staatsbürgerschaft entzogen und er wurde ausgewiesen. 1989 erschienen einzelne Kapitel aus seinem Werk in „Nowi Mir“. Im Jahr 1990 wurde es ungekürzt veröffentlicht. Solschenizyn kehrte, nun wieder russischer Staatsbürger, zurück in seine Heimat.

>>> Absurd, bizarr, perfide: Zensur in der Sowjetunion

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