„Die Rettung Krakaus war das wichtigste, was ich jemals in meinem Leben getan habe“, sagte der sowjetische Geheimdienstler Alexei Botjan. Tatsächlich ist es seinem Mut zu verdanken, dass die alte polnische Stadt Bewohner und Besucher noch immer durch ihre ursprüngliche Schönheit beeindruckt. Sie musste nach dem Krieg nicht restauriert werden wie Warschau. Und das ist Botjans Verdienst.
Bevor Alexei Botjan Offizier beim Geheimdienst wurde, war er Kommandant eines in Vilnius stationierten Luftwaffengeschwaders der Polen. In Warschau begann der Zweite Weltkrieg für ihn, in dem er drei feindliche JU-87-Bomber abschoss.
„Ich habe gekämpft, wie ein Soldat eben kämpft“, gab er sich bescheiden. „Dass ich als Weißrusse für Polen kämpfte, spielte keine Rolle. Für mich war es mein Land. Mein Vaterland.“ Der zuvor zu Polen gehörende Teil Weißrusslands, aus dem Botjan stammte, wurde 1939 von der Sowjetunion besetzt und zur Weißrussischen Sozialistischen Sowjetrepublik erklärt.
Botjan arbeitete dort eine Weile als Lehrer und wurde dann für den Geheimdienst angeworben. Seine Abstammung und seine ausgezeichneten Kenntnisse der polnischen Sprache machten ihn zu einem gefragten Mann.
Während des Großen Vaterländischen Krieges verbrachte er die meiste Zeit hinter den feindlichen Linien in den ihm vertrauten Regionen West-Weißrusslands und in der Ukraine. Er war als Einzelkämpfer im Einsatz und auch als Anführer einer Partisanentruppe.
Diese wird mit einer gewagten Aktion gegen das Gebietskommissariat der von den Deutschen besetzten ukrainischen Stadt Owrutsch in Verbindung gebracht. Dabei kamen am 9. September 1943 mindestens 80 Deutsche ums Leben.
Als die Rote Armee die Invasoren endlich über die Grenzen der Sowjetunion hinaus zurückdrängen konnte, kehrte Botjan in sein Heimatland zurück. Seine Mission war es, den Vormarsch der sowjetischen Truppen zu erleichtern.
Der polnische Widerstand bestand zu dieser Zeit aus verschiedenen Kräften, die nur wenig Vertrauen untereinander hatten: die Heimatarmee, die der Exilregierung unterstellt war, die von London aus operierte; die kommunistische Volksarmee und die Bauernbataillone.
Botjan gelang es, für jeden die richtigen Worte zu finden. „Er fühlte sich bei den Polen zu Hause, das war ein wesentlicher Bestandteil seines Erfolges. Er war ein großartiger Schauspieler und fügte sich perfekt ins Szenario ein. Nur als Schauspieler kommen Sie als Spion, als Späher oder was auch immer weiter“, sagt (rus) Georgi Sannikow, ein Veteran des russischen Auslandsgeheimdienstes.
Dank seines diplomatischen Geschicks gelang es Botjan zu den Kommandeuren der Bauernbataillone, Wladislaw Sokulski und Metschislaw Holewa, eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen. Von ihnen erfuhr er, dass die Deutschen Munition und Sprengstoff im alten Schloss der Jagiellonen in der Stadt Nowy Sącz bei Krakau gelagert hatten.
Ingenieur Sigmund Ogarek, ein Gefangener der Partisanen, verriet, dass der Sprengstoff für die Brücken über den Fluss Dunajec, den historischen Teil von Krakau und den Roznov-Damm gedacht war. Letzterer sollte gesprengt werden, sobald die Rote Armee Krakau erreichte. Die Stadt sollte teilweise überflutet werden und die Rote Armee buchstäblich im Chaos versinken.
Diese Informationen wurden am 10. Januar 1945 bestätigt. Die Partisanen fanden in einem gesprengten Fahrzeug der Deutschen bei einem der Toten darin eine Aktentasche mit detaillierten Plänen, genauso, wie es Ogarek beschrieben hatte.
Schloss der Jagiellonen
SputnikEs war ein Rennen gegen die Zeit. Botjan plante rasch eine Operation zur Zerstörung der Burg und des feindlichen Lagers. Er riskierte Leib und Leben und nahm direkt Kontakt zu einem der Offiziere der Burggarnison auf. Der deutsche Hauptmann, ein 1939 von der Wehrmacht mobilisierter ethnischer Pole, war nach langwierigen Gesprächen mit dem sowjetischen Geheimdienst bereit, die Seiten zu wechseln.
„Ich gab ihm eine Mine, eine britische, mit Sprengzündung und wies ihn an, zum Munitionslager zu gehen. Er gab den Auftrag an einen Untergebenen weiter, der wahrscheinlich nicht wusste, was ihm in die Hand gedrückt worden war, sondern nur den Befehl ausführte“, erinnerte sich Botjan später.
Am 18. Januar 1945 um 5.20 Uhr erschütterte eine gewaltige Detonation die Burg. Die Festungsmauern begruben mehrere hundert deutsche Soldaten unter sich. Der Plan der Deutschen, die Stadt Krakau zu zerstören, war gescheitert.
Zugleich bereiteten sich die Einheiten der 59. und 60. Armee der 1. Ukrainischen Front auf den Sturm auf Krakau vor, der die Stadt am nächsten Tag von den Besatzern befreien sollte.
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