Analyse: Ist Russland ein Verbündeter des Iran?

Legion Media
Vor dem Hintergrund des aktuellen Konflikts zwischen den USA und dem Iran gewinnt die Frage des Verhältnisses zwischen Russland und dem Iran an Bedeutung.

Das Jahr 2020 begann mit einem Paukenschlag: als die USA am 3. Januar den iranischen General Qasem Soleimani töteten, sahen vor allem im Internet einige bereits den Dritten Weltkrieg ausbrechen. Obwohl es zunächst ein Konflikt zwischen den USA und dem Iran war, dauerte es nicht lange, bis einige auch Russland ins Spiel brachten. 

  1. Russland und der Iran arbeiten in Syrien eng zusammen 

Qasem Soleimani

Der getötete General Soleimani, für die USA ein Terrorist, für die pro-iranischen schiitischen Kräfte in Nahost ein Held, kooperierte im Syrienkonflikt eng mit Russland. Sowohl Moskau als auch Teheran stehen an der Seite des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und kämpfen gegen islamistische Terroristen, aber auch gegen die pro-westliche Opposition im Land. 

Während sich Russland hauptsächlich auf Luftangriffe und den begrenzten Einsatz von Spezialkräften konzentriert, kontrolliert der Iran in Syrien Tausende von Soldaten. Nach US- amerikanischen Schätzungen waren es Ende 2018 mehr als 12.500. Mit russischer und iranischer Unterstützung gelang es Assad, zwischen 2015 und 2019 den größten Teil der von Islamisten oder Oppositionellen besetzten Gebiete zurückzuerobern. 

Die Interessen Russlands und des Irans in Syrien überschneiden sich. Beide schätzen Assad als wertvollen Partner. „Russland und der Iran sind als einzige Staaten bereit, sich nach dem Krieg beim Wiederaufbau Syriens zu engagieren. Keiner der beiden wäre dazu alleine in der Lage“, betont Peter Kortunow vom Russischen Rat für Internationale Angelegenheiten (RIAC). Die Beziehungen zwischen den beiden Mächten sei eine „Zweckehe“, so Kortunow. 

  1. Die langfristigen Interessen im Mittleren Osten unterscheiden sich  

Wenn es dagegen um langfristige Strategien geht, verfolgen Russland und der Iran unterschiedliche Ziele, sind sich die Experten einig.

„Moskau will ein ausgewogenes Kräfteverhältnis in der Region und bei Konflikten die Rolle eines entscheidenden, außenstehenden, Vermittlers einnehmen“, schreibt der Iranologe Nikita Smagin in einem Beitrag für das Carnegie Center in Moskau. „Der Iran strebt dagegen in Nahost die Führungsrolle an, weil er davon überzeugt ist, nur so die Sicherheit der Islamischen Republik gewährleisten zu können.“ 

Smagin betont, dass dies in Moskau auf wenig Gegenliebe stoße, da Russland ein „Check-and-Balances-System“ in der Region bevorzuge. Das Land pflege daher nicht nur gute Beziehungen auf Arbeitsebene zum Iran und Syrien, sondern auch zu Israel, der Türkei und in jüngster Zeit auch zu Saudi-Arabien. Diese drei Staaten haben eine schwierige Vergangenheit mit dem Iran. 

Dieser untergräbt seinerseits die russischen Bemühungen, Assad dabei zu unterstützen, Zugeständnisse an die Opposition zu machen, um eine politische Lösung für die Syrienkrise zu finden. Diese Interessenskonflikte werden wohl noch länger anhalten. 

  1. Die wirtschaftlichen Beziehungen sind schwach 

Kernkraftwerk Buschehr

„Wirtschaft bleibt der Schwachpunkt unserer bilateralen Beziehungen“, erklärte Mehdi Sanaei, der iranische Botschafter in Russland 2013 bis 2019, in einem Interview mit der Zeitung „Kommersant“ vor seiner Rückreise. „Zum Teil lässt sich das damit erklären, dass sowohl Russland als auch der Iran vor allem Energie exportieren. Unter diesen Umständen ist es nicht einfach, das Handelsvolumen zu erhöhen.“

In der Tat bleibt das Handelsvolumen bestenfalls bescheiden. Im Jahr 2018 waren es nur 1,7 Mrd. USD, weniger als ein Prozent des Außenhandelsumsatzes Russlands. In den Bereichen Infrastruktur und Handel gibt es einige ehrgeizige Projekte, wie die „Nord-Süd-Route“, ein internationaler Verkehrskorridor vom Indischen Ozean bis zur Ostsee über Indien, den Iran und Russland, oder eine Freihandelszone zwischen dem Iran und der von Russland angeführten Eurasischen Wirtschaftsunion. Doch ihre Verwirklichung geht nur schleppend voran. Ohne eine solide wirtschaftliche Grundlage kann eine Allianz nicht als nachhaltig angesehen werden.

  1. In der gemeinsamen Geschichte gab es einige bittere Erfahrungen 

„Während des 19. und 20. Jahrhunderts haben Russland bzw. die Sowjetunion mehr als einmal die Souveränität des Irans in Frage gestellt“, sagt Nikita Smagin. Während der persischen Verfassungsrevolution im Jahr 1911 entsandte Russland, um seinen Einfluss zu bewahren, Truppen in den Iran, schlug die demokratische Bewegung nieder und feuerte mit Kanonen auf das Parlament. 

Später, während des Zweiten Weltkriegs, im August 1941, befürchteten die Sowjetunion und Großbritannien, der Iran könne zu einer Marionette der Deutschen werden. Wieder wurden Soldaten ins Land geschickt und der Iran kontrolliert. Stalin hatte sogar den Plan, den Norden des Irans zu „sowjetisieren“, indem er dort einen Satellitenstaat schaffen wollte. Doch die internationale Gemeinschaft zwang die UdSSR im Jahr 1946 zum Rückzug. 

Solche Erfahrungen wirken sich nicht direkt auf die aktuellen Regierungsbeziehungen aus, doch in Teilen der iranischen Gesellschaft ist ein tiefes Misstrauen gegenüber Russland verwurzelt. Das verkompliziert die Beziehungen. Im Jahr 2016 hat die Meldung, dass Russland einen iranischen Luftwaffenstützpunkt zum Angriff auf die Terroristen des IS nutzen durfte, im Land für so viel öffentliche Empörung gesorgt, dass Teheran die Erlaubnis widerrufen musste.

(Lesen Sie hier mehr über die sowjetisch-britische Invasion im Iran. Und hier erfahren Sie mehr über Stalins Iran-Pläne in den 1940er Jahren.)  

  1. Partner, keine Verbündete 

Zusammengefasst bedeutet das, dass Russland und der Iran durchaus zu einer Zusammenarbeit imstande sind. Die gegenwärtige Lage in Nahost macht sie zumindest politisch gegenseitig sehr wichtig füreinander. Mehdi Sanaei wies daraufhin, dass sich die jeweiligen Präsidenten, Wladimir Putin und Hassan Rouhani, in den letzten sechs Jahren siebzehn Mal getroffen hätten. Es gibt offensichtlich viel zu besprechen.  

Doch die globalen Ziele bleiben unterschiedlich. Daher ist es eher eine Beziehung taktischer Partner und weniger ein strategisches Bündnis.  

>>> Explosive Lage: Wie viel Schlagkraft hat das sowjetische Waffenarsenal Irans?

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