Ein russischer Skomoroch scheint auf den ersten Blick mit den Troubadouren in Europa vergleichbar. Die Skomorochen waren fahrende Musiker und Schauspieler, die von einem Dorf zum anderen zogen. Sie traten bei Hochzeiten und Gedenkfeiern auf. Sie zeigten entweder ein Standardprogramm oder eine besondere Aufführung anlässlich von Feiertagen. Meist beinhaltete ihre Darbietung Witze, Puppentheater, dressierte Bären und Gesang und Tanz. Was könnte daran falsch gewesen sein?
Unterhaltung für die Zaren und das Volk
In der Rus wurden diese Unterhalter erstmals im 11. Jahrhundert erwähnt. Sie musizierten und schauspielerten bei Festen der russischen Fürsten und später der Zaren. Die Skomorochen unterhielten aber auch das einfache Volk. Schon einige Wochen vor ihrem Auftritt wurden sie auf dem Marktplatz angekündigt. Das Publikum erwartete die Künstler bereits.
Die Aufführung eines Skomoroch war oft geprägt von Zynismus und Obszönitäten. Sogar vor nackten Tatsachen schreckten die fahrenden Künstler nicht zurück. Puppentheater und dressierte Tiere waren ebenso ein fester Bestandteil wie das Singen von bekannten Volksweisen, die das Publikum liebte. Worum ging es dabei?
„Satanische Verse“
Skomorochen benutzten einfach Instrumente, die leicht transportiert werden konnten. Tragbare Pauken, Tamburine, verschiedene Schlaginstrumente und alle Arten von Blasinstrumenten. Die Gitarren der damaligen Zeit hießen Domra, die es auch als Bass-Domra gab, russische Lauteninstrumente.
Historiker sehen die wichtigste Bedeutung der Skomorochen als Unterhalter auf rituellen Feiern wie Hochzeiten und den Seelensamstagen, die die Slawen etwa fünfmal im Jahr begingen.
Außerdem waren sie bei Winter- und Sommersonnenwende, was sehr bedeutende Feste für die Menschen des Mittelalters waren, denn sie konnten mit deren Hilfe Zeitbestimmungen für die Aussaat und Ernte vornehmen. Das war überlebenswichtig.
Die Skomorochen nahmen gerne an diesen heidnischen Festen teil. Das brachte ihnen von Beginn an die Skepsis der russisch-orthodoxen Kirche ein. Deren Geistliche und geistliche Schriftsteller bezeichneten die Lieder der Skomorochen als „teuflisch“ und „satanisch“. Ein weiteres Ärgernis für die Kirche war, dass die Menschen manchmal lieber die Aufführungen besuchten, anstelle des Gottesdienstes. Das musste verhindert werden!
Kriegserklärung der Kirche
Im Jahr 1551 fand in Moskau die sogenannte Hundertkapitelsynode der russisch-orthodoxen Kirche statt. Im Stoglaw, zu Deutsch „Hundertkapitelsammlung“, einem Moralkodex der damaligen Zeit, fassten die Kirchenoberen zusammen, was als sittlich und tugendhaft galt und verurteilten darin Aberglauben und ketzerische Bewegungen. Auch die Skomorochen fanden in diesem Stoglaw Erwähnung. Die Kirche hatte ihnen offiziell den Krieg erklärt.
Im Stoglaw wird kritisiert, dass die Skomorochen an den Seelensamstagen an den Begräbnisstätten anwesend waren, so dass die Russen nicht mehr still der Toten gedachten, sondern an den Gräbern sangen und tanzten, wie es womöglich auch in vorchristlicher Zeit Brauch gewesen ist. Wenn Skomorochen zu Hochzeiten eingeladen waren, kam es oft zu unangenehmen Situationen, wenn der Zug der Hochzeitsgäste mit den Schauspielern am Eingang zur Kirche auf die orthodoxen Priester traf.
Der Stoglaw untersagte diese Praktiken und befahl den russisch-orthodoxen Priestern, die Gemeindemitglieder dazu anzuhalten, die Skomorochen nicht mehr in ihre Häuser einzuladen.
Die Kirche störte sich auch an deren Anwesenheit bei den Feierlichkeiten zur Sonnenwende: „Männer und Frauen versammeln sich zum nächtlichen Baden und zu unzüchtigen Gesprächen, zum teuflischen Singen und Tanzen, zu profanen Taten, um Jungen und Mädchen zu verderben“, heißt es im Stoglaw. Also wollte die Kirche auch diese Feierlichkeiten verbieten.
Im Jahr 1648 erließ Zar Alexis schließlich ein Dekret, dass die Skomorochen und alle heidnischen Feste verbot. Es gab sogar Strafen. Das erste und zweite Mal, wenn jemand beim Hören von Skomorochen-Musik oder beim Tanz mit einem von ihnen erwischt wurde, drohte die körperliche Züchtigung. Beim dritten Mal wurden die Täter in ferne Städte verbannt.
So verschwand die heidnische Musik aus der Öffentlichkeit erst in den Untergrund und im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts ganz. Andere Relikte dieser Zeit haben dagegen noch länger überlebt, zum Beispiel die Bärenshows.