Alexei Michailowitsch versuchte, sich, seine Familie und die Armee zu retten
Als Alexei Michailowitsch am 18. Mai 1654 mit seinem Regiment in den russisch-polnischen Krieg aufbrach, wussten sie wenig über den Tod. Gemeint ist nicht der auf den Schlachtfeldern, sondern der schwarze Tod, der die Daheimgebliebenen in Moskau erwartete – die Pest breitete sich in der Stadt aus.
Aus dem Nichts brach die Seuche über Moskau herein. Niemand wusste, welche konkreten Maßnahmen zu ergreifen waren, und niemand hatte jemals etwas von Quarantänemaßnahmen gehört. Staatliche Einrichtungen mussten schließen.
Der Zar war entsetzt. Aufgewachsen in religiöser Frömmigkeit, sah er in der Pest eine Bestrafung für begangene Sünden. Im Juli hatte die Epidemie das volle Ausmaß erreicht und verbreitete sich ausgehend von Moskau in ganz Zentralrussland. Der Zar befahl Zarin Maria mit ihrem neugeborenen Zarewitsch Alexei und seinen Schwestern, den Kreml zu verlassen und sich ins Dreifaltigkeitskloster des Heiligen Sergius zu begeben. Sie nahmen die heiligen Ikonen der Gottesmutter von Kasan und des ehrwürdigen Sergius mit, im Glauben diese heiligen Gegenstände würden sie vor der Pest schützen.
Jedoch bereits Ende August, als die Menschen in Moskau reihenweise starben, mussten die Ikonen in die Stadt zurückgebracht werden – viele glaubten, dass dann die Pest verschwinden würde. Doch die Pest hörte nicht auf.
Der Zar, ein gebildeter Mensch, verstand die Notwendigkeit einer Begrenzung der Ausbreitung der Epidemie. Die Wachen an den Zollstationen wurden angewiesen, jeden, der unterwegs war, nach Hause zurückzuschicken und jeden zu verhaften und hinzurichten, der die Absperrungen umgehen wollte.
Die größte Sorge bereitete dem Zar die Auszahlung des Solds an die Soldaten – eine mögliche Ansteckungsquelle. So veranlasste er, die Münzen zu waschen, bevor sie verteilt wurden.
Auf Empfehlung der Zarenfamilie wurden Quarantänebestimmungen erlassen. Als die Familie umzog, wurde die Reiseroute nach Opfern der Seuche abgesucht. Es stellte sich heraus, dass am Vortag der Leichnam eines pestinfizierten Adeligen zum Kaljasin-Kloster transportiert worden war. Daher wurde die Erde an der Kreuzung mit dem Weg der Zarenfamilie verbrannt und abgetragen. Erst danach durften die Kutschen mit der Familie des Zaren ihren Weg fortsetzen.
So gelang es ihr, sich vor der Pest zu schützen. Von November bis Dezember ließ die Epidemie aufgrund des kalten Wetters nach. Der Zar kehrte jedoch erst nach gründlicher Untersuchung und nach einiger Verzögerung im Februar 1655 in die Hauptstadt zurück.
Für den Rest seines Lebens lebte Alexei Michailowitsch in Furcht vor Seuchen und Epidemien. Ein Beweis dafür war die Beschaffung von „Einhorn-Hörnern“, die eigentlich Stoßzähne des Narwals waren – man glaubte, dass aus ihnen hergestelltes Pulver vor Seuchen schützen könne.
Katharina die Große wurde zur Chef-Epidemiologin
Während der Regierungszeit von Katharina der Großen kam die Pest in der zweiten Hälfte des Jahres 1770 durch den Krieg mit dem Osmanischen Reich nach Russland.
Die Pest wütete den ganzen Sommer innerhalb der Truppen. Am 27. August befahl die Herrscherin dem Kiewer Generalgouverneur Fjodor Woeikow Quarantänemaßnahmen an der Grenze zu organisieren. So wurden zur Vorbeugung etwa die Kleidung und Habseligkeiten von Reisenden über einem Feuer geräuchert. Die Quarantäne dauerte oft nur zwei Tage. Diese Maßnahmen reichten nicht aus. Und dennoch unternahmen die örtlichen Behörden nichts ohne das Wissen von Katharina und schienen die Situation im Großen und Ganzen zu unterschätzen.
Im November gab es bereits auf allen nach Moskau führenden Straßen Quarantänekontrollpunkte, aber es war zu spät. Im Dezember erreichte die Pest die Stadt. Die Kaiserin dachte nach. Sie befahl, dass nur wenige Zugänge zur Stadt offen bleiben sollten, dass Wacholder auf den Straßen und Plätzen verbrannt werden sollte, und dass bereits mit der Pest infizierte Priester delegiert werden sollten, um den Sterbenden die letzte Ölung zu geben. Aber man führte auch weiter Bestattungsriten an Toten durch, ein weiterer Grund, warum sich die Pest nicht aufhalten ließ.
Katharina gab immer neue Befehle: infizierte Kleidung entsorgen, spezielle Friedhöfe für Pestopfer außerhalb der Stadt anlegen … Am 31. März wurde die Hauptstadt für Ein- und Ausreisen geschlossen. Die Moskauer konnten nur noch am Stadtrand Lebensmittel kaufen. Feuer trennten Verkäufer von Käufern, die aus einiger Entfernung miteinander sprechen mussten, während das Geld in Essig getaucht werden musste. Diese Maßnahmen führten zumindest dazu, dass die Pest die nördlichen Provinzen nicht erreichte.
Von Juli bis November 1771 herrschte in Moskau die schlimmste Zeit der Epidemie. „Viele Leichen lagen auf den Straßen: Menschen fielen entweder tot um oder wurden aus den Häusern geworfen. Die Polizei hatte nicht genug Leute oder Möglichkeiten, um die Kranken und Toten zu transportieren, so blieben viele Leichen drei oder vier Tage in den Häusern“, schrieb der ausländische Arzt Johann Lerche. Im September 1771 entbrannte die Moskauer Pestrevolte, die vom Militär niedergeschlagen wurde.
Im April 1771 wurde die Stadt in eingezäunte Bereiche aufgeteilt und es erwies sich nach und nach als möglich, die Infektion einzudämmen – aber auch hier kam wieder kaltes Wetter zu Hilfe. In der Region von Moskau starben mehr als 60.000 Menschen während der Epidemie. Im November 1772 wurde schließlich das Ende der Pest deklariert.
Nikolai I: Der Zar, der persönlichen Beistand leistete
Trotz einer von Innenminister Fürst Zakrevsky angeordneten Quarantäne, wurde die Hauptstadt zum dritten Mal von einer Massenepidemie heimgesucht. Die Selbstisolation legte den russischen Handel lahm. Zum wiederholten Male nahm die Epidemie ihren Ausgang an der militärischen Südfront.
Der Zarenhof ordnete von seiner Sommerresidenz in Petershof aus unverzüglich eine strenge Quarantäne an. Kaiserin Alexandra Feodorowna erwartete ein Baby und befand sich in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft.
Im Juni 1831 starben in Sankt Petersburg innerhalb von zwei Wochen etwa 3.000 Menschen. Die Quarantäne beherrschte die Stadt. Die Emotionen schlugen hohe Wellen. Verschwörungstheorien und Gerüchte über Massenvergiftungen und einen unsichtbaren Feind machten die Runde.
Im selben Monat erstürmte eine aufgebrachte Menge eine Choleraklinik in der Nähe des Sennaja Platzes. Mehrere Ärzte und Verwaltungsangestellte wurden umgebracht. Der Platz mit den Aufständischen wurde von einem Armeeregiment umzingelt. Nikolai I. kam von Petershof herbeigeeilt.
Der Zar wandte sich von verschiedenen Stellen des Sennaja Platzes und der gesamten Stadt aus mit mehreren Ansprachen an die Menschen. Der sehr groß gewachsene, strenge Herrscher schaffte es mit seinem Redetalent die Situation zu drehen. Er erklärte, dass die Cholera eine Realität und keine Verschwörung sei.
Es gab noch immer kleinere Zwischenfälle, aber nach dem Eingreifen des Zaren kehrte weitgehend Normalität ein. Der Zar selbst ergriff eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen. Nach jedem Außentermin während der Choleraepidemie wusch er sich intensiv und wechselte seine Kleidung vollständig. Erst danach ging er zu seiner Familie oder widmete sich anderen Tätigkeiten.
Aber im September brach die Cholera dann in Moskau aus. Der Zar fuhr in die alte Hauptstadt und hielt sich dort mehr als eine Woche auf. Am 29. September betete er im Kreml vor einer größeren Menschenmenge für die Erlösung von der Epidemie. Vom medizinischen Standpunkt her war das eine Dummheit.
Aber er hatte das Aufflackern von Unruhen verhindert. Verwaltung und Mediziner setzten nach Besuchen von Nikolai in Einrichtungen und Kliniken, in denen er furchtlos Cholerastationen aufsuchte und mit Patienten sprach, ihre Arbeit mit noch größerer Motivation fort.
In der Residenz des Zaren wurden Desinfektionsmaßnahmen durchgeführt. Jeder, der zur Unterkunft des Herrschers Zutritt finden wollte, musste seine Hände in einer Lauge desinfizieren und mit dieser auch seinen Mund waschen. Gleichzeitig verfolgte das gesamte Moskau den Gesundheitszustand des Zaren. Dieser besuchte Abendveranstaltungen und Abendessen mit der Oberschicht und verkehrte mit der lokalen Aristokratie, die Cholera verhöhnte.
“Und kalt umklammerte er die Hand der Pest”, beschrieb der Dichter Alexander Puschkin die Furchtlosigkeit Nikolais in seinem Gedicht “Der Held”. Es wurde als “29. September, 1830, Moskau” im Register eingetragen, obwohl sich Puschkin zu jener Zeit in Quarantäne in Bolschoje Boldino befand.
Nikolai reiste am 7. Oktober nach Sankt Petersburg zurück. Der Winter brach ein und die Cholera in Moskau war auf dem Rückzug.