In einer kalten Winternacht im Jahr 1941 erreichte ein Mann die deutschen Stellungen in Moschaisk in der Region Moskau. Er behauptete, ein Verräter zu sein, der einer anti-bolschewistischen Kirche und einer mit der Monarchie sympathisierenden Gruppe namens „Престол“ („Prestol“, zu Deutsch „Thron“) angehöre. Er bot den Deutschen seine Hilfe an, die Sowjets zu stürzen.
Dieser Mann war tatsächlich der sowjetische Agent Alexander Demjanow. Er hatte soeben eine der erfolgreichsten Geheimdienstoperationen in der Geschichte der UdSSR begonnen. Der Name der Operation lautete „Монастырь“ („Monastir“, zu Deutsch „Kloster“).
Der ideale Kandidat
Mit viel Charme, Intelligenz, einer ausgezeichneten Ausbildung und hervorragenden Deutschkenntnissen war Alexander der perfekte Mann für den Einsatz hinter den feindlichen Linien. Kaum jemand in der Hauptstadt wusste, dass der Agent aus gutem Hause schon Anfang der 1930er Jahre vom sowjetischen Geheimdienst angeheuert worden war.
Seine Mutter und sein Großvater waren recht bekannt in den Kreisen russischer Emigranten in Deutschland, die der Weißen Bewegung nahegestanden hatten. Andere Verwandte hatten im dem Dritten Reich freundlich gesonnenen Italien gelebt.
Demjanow, mit dem damaligen Decknamen Heine, war ein häufiger Gast bei Veranstaltungen der Botschaft in Moskau und bewegte sich dabei unauffällig unter den Augen ausländischer Geheimdienste.
Im Juli 1941 schuf der sowjetische Geheimdienst Prestol eine Gruppe von angeblichen Sympathisanten der Untergrundmonarchie, die auf die Ankunft deutscher Truppen in der sowjetischen Hauptstadt warteten.
Zurück in der UdSSR
Nach dem ursprünglichen Drehbuch der Operation Monastir sollte Demjanow nach Berlin geschickt werden, wo er den Kreis der mit den Deutschen kooperierenden „Weißen Emigranten“ infiltrieren und Kontakte innerhalb des deutschen Geheimdienstapparats knüpfen sollte. Jedoch lief es nicht wie geplant.
Nach langwierigen und gründlichen Kontrollen (Demjanow wurde sogar vor ein Exekutionskommando gestellt) beschlossen die Deutschen schließlich, den Russen als Maulwurf in der UdSSR einzusetzen. Nach mehrmonatiger Ausbildung in der Spionageabwehr ging es für Demjanow, diesmal unter dem Pseudonym „Flamingo“, zurück in die UdSSR.
Das Spiel beginnt
„Heine“ galt in Moskau bis dahin als inaktiv. Als er plötzlich wieder auftauchte, begann das doppelte Spiel mit den Deutschen. Die erste Aufgabe bestand darin, das Vertrauen der Deutschen zu gewinnen, indem der antibolschewistische Untergrund auf glaubwürdige Füße gestellt wurde.
Flamingo berichtete von Prestols Plänen, hinter den sowjetischen Linien ein Ablenkungsmanöver zu starten. Ziemlich bald begannen sowjetische Zeitungen, Nachrichten über Bombenanschläge auf Industriestandorte im Ural und in Sibirien zu veröffentlichen, die von „faschistischen Untergrundorganisationen“ durchgeführt worden seien. Nichts davon stimmte natürlich, aber das Vertrauen in Flamingos Loyalität nahm von da an immer mehr zu.
Ein unersetzlicher Spion
Am 22. Juni 1942, dem Jahrestag der Operation Barbarossa, war die Luftwaffe damit beschäftigt, ein echtes Geschenk für den Führer vorzubereiten - einen umfassenden Angriff auf Moskau. Demjanow wurde beauftragt, eine Untersuchung der Luftabwehr der Hauptstadt durchzuführen.
Bald darauf erhielten die Nazis folgendes Telegramm: „Die Stadt enthält eine große Anzahl neuer Kampfflugzeuge und Zenit-Artillerie. In den kommenden Tagen werden neue Technologien eingesetzt, die eine größere Kapazität zum Abfangen feindlicher Flugzeuge in höheren Lagen bieten.“ Die Deutschen haben den Angriff umgehend abgesagt.
Allmählich wurde Flamingo einer der nützlichsten Agenten der Abwehr an der Ostfront. Am Ende „diente“ er im Volkskommissariat für Kommunikation und schaffte es später sogar, Offizier im Hauptquartier zu werden.
Das Dritte Reich wurde mit Desinformationen geflutet, immer gespickt mit einigen Wahrheiten für mehr Überzeugungskraft. Flamingo konnte sich über Maulwürfe und Spione in der UdSSR informieren. Die Sowjets würden sie später verhaften. Mehr als 20 feindliche Agenten wurden so ausgeschaltet und Millionen von Rubeln beschlagnahmt.
Die wichtigsten Operationen
Die Operation Monastir spielte eine Schlüsselrolle bei der Entscheidung über den Ausgang großer Schlachten entlang der Ostfront. Am 4. November 1942 teilte Heine Deutschland mit, dass die Rote Armee im Nordkaukasus und bei Rschew Vergeltung üben würde - anstelle von Stalingrad. Infolgedessen schickten die Deutschen ihre Truppen in dieses Gebiet.
Die Operation Mars oder der Angriff auf Rschew war ein Fehlschlag. Aber es war Stalingrad, wo die 6. Armee von sowjetischen Streitkräften umzingelt wurde, das den Feind völlig überraschte.
„[Marschall] Schukow, der das doppelte Spiel nicht kannte, zahlte einen hohen Preis - er verlor Tausende und Abertausende unserer Soldaten unter seinem Kommando in Rschew“, erinnerte sich (rus) Pawel Sudoplatow, Demjanows direkter Vorgesetzter. „In seinen Memoiren erklärte er, dass das Ergebnis des Angriffs unbefriedigend war. Er sollte jedoch nie erfahren, dass die Deutschen vor unserem Angriff in der Nähe von Rschew gewarnt worden waren und so eine große Anzahl ihrer Truppen entsprechend bewegten.“
Diese Desinformationskampagne spielte auch eine wichtige Rolle, um die Deutschen zu zwingen, den Angriff auf Kursk zu verschieben, was der Roten Armee einen dringend benötigten Vorsprung verschaffte.
Bis 1944 machte die sowjetische Seite enorme Fortschritte. Die Operation Monastir wurde bedeutungslos und beendet. Der Legende nach wurde Flamingo auf eine unbedeutende Position ohne Zugriff auf vertrauliche Informationen versetzt und spielte keine Rolle mehr im Spionagespiel.
Alexander Demjanow erhielt nicht nur den sowjetischen Orden des Roten Sterns, sondern in Abwesenheit sogar das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes von den Nazis. Die Deutschen glaubten bis zum Kriegsende, dass Flamingos Herz für das Dritte Reich schlug.