Warum der französische König Ludwig XVIII. gleich zweimal aus Russland geworfen wurde

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Zweimal suchte der Bourbonenkönig Ludwig XVIII. Schutz im russischen Reich. Zweimal wurde er erst willkommen geheißen, um dann jeweils aus dem Land geworfen zu werden.

Die Französische Revolution hatte einen großen Teil der Aristokraten des Landes zur Flucht getrieben. Sie suchten Unterschlupf an befreundeten europäischen Höfen. Viele kamen aus dem Hause Bourbon, so etwa Ludwig XVIII., ein König ohne Königreich. Dieser hatte sich 1795 zum König von Frankreich erklärt, nachdem sein zehnjähriger Neffe Ludwig XVII. in Gefangenschaft gestorben war.  

Die europäischen Herrscher verstanden zwar Ludwigs Lage, doch konnten sie ihm nicht lange Gastfreundschaft gewähren, denn die Erste Französische Republik jagte die Bourbonen und schreckte weder vor Bestechung noch Gewaltandrohung zurück, um die europäischen Königshäuser zur Vertreibung der Bourbonen zu zwingen.

Ludwig XVIII.

Auf dem Höhepunkt der Verzweiflung schien das kalte und weit entfernte Russland die Rettung. Und die russischen Autokraten würden Ludwig mit Luxus überschütten, von dem er nur träumen konnte.

Versailles in Russland 

Russlands Herrscher Paul I. bot Ludwig XVIII. 1798 einen Palast in Mitau (heute Jelgawa in Lettland) an, in den er einzog. Paul stellte ihm eine 100-Mann starke Leibgarde.  

Palast in Mitau

Aber der launische Ludwig XVIII. bezog sein neues Quartier nur widerwillig. Es war ihm nicht gut genug. Infolge der Beschwerde des verbannten Bourbonenkönigs hatte sich Pauls Meinung über ihn geändert: anfänglich empfand der russische Herrscher noch tiefen Respekt, doch davon war nicht mehr viel übrig. 

Politische Kehrtwende 

Dennoch hatte es nichts mit persönlichen Ressentiments Pauls I. zu tun, dass er sein Angebot eines sicheren Hafens und „kleinen Versailles“ letztlich ganz zurückzog. Es war Politik. Der russische Kaiser war gegenüber seinen Verbündeten in der anti-französischen Koalition zunehmend ungeduldig geworden. Die Österreicher waren die ersten, die sich seinen Zorn zuzogen, weil sie sich nicht genug engagierten, während russische Streitkräfte in Schlachten in Norditalien und der Schweiz ihr Blut vergossen. 

Zar Paul I.

Doch die Briten brachten das Fass zum Überlaufen. Im September 1800 hatten sie eine französische Garnison von Malta vertrieben, doch gaben sie die Insel nicht etwa zurück an den Malteser Orden, sondern behielten sie selbst. 

Ein wütender Paul, Großmeister des Ordens, betrachtete dies als persönlichen Affront und wandte sich nun den Franzosen zu.  

König ohne Schloss  

Napoleon Bonaparte, jetzt Erster Konsul der Republik, besaß große politische Weitsicht. Er entließ sofort 6.000 russische Soldaten aus der Gefangenschaft. Angesichts dieser politischen Entwicklungen wurde der Aufenthalt in Russland für Ludwig XVIII. immer weniger attraktiv. 

Am 19. Januar 1801 erhielt er vom russischen Kaiser die Aufforderung, das russische Territorium umgehend zu verlassen. Haus und Leibwache wurden ihm genommen.

Ludwig XVIII.

Ludwig verließ Mitau und machte sich auf den Weg zur russischen Westgrenze. „Ich befand mich in einer schwierigen Lage“, schrieb (rus) er. „Ich hatte kein Geld und musste hart verhandeln, um etwas geliehen zu bekommen. Ich konnte nur die Ehre eines Königs als Garantie geben.“ 

Statt in königlichen Gemächern nächtigte Ludwig XVIII. unterwegs in Gasthäusern. Irgendwann weigerte sich ein russischer Offizier sogar, sein Zimmer zugunsten des Königs zu räumen, obwohl er genau wusste, wen er vor sich hatte. 

Ludwig erfuhr von der Ermordung Pauls, als er erst in Warschau und dann in Preußen lebte. „Ich kann nicht ausdrücken, wie sehr es mich getroffen hat … Ich hatte alle Ungerechtigkeiten vergessen, die er mir angetan hatte, und konnte nur an den Tod denken, der ihn ereilt hatte“, schrieb er. 

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Rückkehr nach Russland 

Nachdem mittlerweile Alexander I. den russischen Thron bestiegen hatte, machte das Land außenpolitisch erneut eine Kehrtwende und schwenkte wieder auf einen anti-französischen Kurs ein. Ludwig XVIII. wurde noch einmal Unterschlupf in Russland angeboten. Er nutzte das Angebot jedoch erst ab 1804, als der preußische König Friedrich Willhelm III. unter Druck Napoleons gezwungen war, Ludwig aufzufordern, Warschau zu verlassen.

Die Bourbonen zogen erneut nach Mitau in Kurland. Im Frühjahr 1807 fand dort ein historisches Treffen zwischen Ludwig XVIII. und Alexander I. statt. Ludwig behauptete, Alexander hätte ihm dabei versichert, dass er immer einen Platz im Russischen Reich haben werde und sie Freunde seien.

Zar Alexander I. und der französische Kaiser Napoleon

In Wirklichkeit hatte Alexander I., anders als sein Vater Paul I., von Beginn an keine hohe Meinung über den französischen König. Nach dem Treffen von 1807 erzählte er angeblich seinem Gefolge, Ludwig XVIII. sei ein elendiger Mensch und unfähig zu regieren. 

Dunkle Wolken ziehen auf 

Ludwigs Hoffnung, dass sein „Freund“ Alexander den „nervigen Korsen“ vernichten und ihm seinen Thron zurückerobern würde, starben mit dem Zusammenbruch der Vierten Koalition.

Die kriegführenden Kaiser hatten in Tilsit (heute Sowetsk, Oblast Kaliningrad) einen Friedensvertrag unterzeichnet. Russland war erneut ein Verbündeter Napoleons. 

R-l: Der russische Zar Alexander I., Ludwig XVIII., der österreichische Kaiser Franz I. und der preußische Kaiser Friedrich Wilhelm III.

Der arme Ludwig ahnte, was als nächstes passieren würde und wartete schon auf Post vom russischen Kaiser. Der Bourbonenkönig zog weiter nach Schweden und schließlich nach England, wo er bis 1814 blieb, als er seine Macht in Frankreich wiedererlangte.

Interessanterweise war es sein russischer „Freund und Retter“ Alexander, der sich als einziger europäischer Herrscher gegen die Rückkehr der Bourbon-Herrschaft ausgesprochen hatte. 

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