Wie aus Britisch-Indien beinahe Russisch-Indien wurde

Natalja Nosowa
Wussten Sie schon, dass Russland im frühen 19. Jahrhundert davon träumte, den Briten Indien abzuknüpfen? Nur die Ermordung von Zar Paul I. verhinderte den Plan.

Im Februar 1801 brachen mehr als 22.000 Kosaken unter der Führung von Ataman Matwei Platow zu einer bisher beispiellosen Reise von den Steppen am Don über Zentralasien und Afghanistan nach Indien auf.

Später sorgte Pauls Sohn Alexander I. dafür, dass der Name seines Vaters vor allem negativ in Erinnerung blieb. Der Indienfeldzug gilt daher als utopische Eskapade eines psychisch instabilen Herrschers.  

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Konflikte mit den Briten

Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts wurden die Monarchien Europas von einem gemeinsamen Ziel zusammengehalten: Das revolutionäre Frankreich zu zerstören und zu verhindern, dass die Ideen der Revolution auf die eigenen Länder übergriffen.

Auch Russland kämpfte auf der Seite der Monarchen. Zur See jagte die Marine, unter Fjodor Uschakow, die Franzosen durchs Mittelmeer. Auf dem Land führte Alexander Suworow unter anderem Feldzüge in Italien und der Schweiz.

Porträt von Zar Paul I.

Nach und nach gelangte Zar Paul I. jedoch zu der Überzeugung, dass die Konfrontation mit Frankreich Russland eher schadete. Während die Truppen des Zaren auf den Schlachtfeldern ihr Blut gaben, hielten Großbritannien und Österreich vornehm zurück, um die Erfolge der Russen für sich zu reklamieren.

Im Jahre 1800 brachte die britische Besatzung Maltas das Fass zum Überlaufen. Nachdem sie die französische Garnison auf der Insel aufgelöst hatten, gaben die Briten sie nicht etwa an den Malteserorden zurück, sondern bauten eine Kolonie mit Marinebasis auf. Paul, selbst Großmeister des Ordens, sah dies als persönlichen Angriff.

Freundschaft mit Napoleon

Paul gab die Allianz mit Großbritannien auf und versuchte, die Beziehung mit Frankreich zu verbessern. Die Franzosen begrüßten die Annährungsversuche aus Russland und der damalige Konsul Napoleon Bonaparte ließ 6.000 russische Kriegsgefangene frei. Der Zar bedankte sich, indem er den französischen Thronfolger, der in Russland Asyl gesucht hatte, vertreiben ließ.

Porträt von Kaiser Napoleon Bonaparte

Die beiden Nationen waren sich nun einig, dass Großbritannien die eigentliche Quelle aller Unruhen und Konflikte in Europa war und schmiedeten ein Bündnis gegen die Briten. „Gemeinsam mit Ihrem Herrscher werden wir das Gesicht der Welt verändern!“ sagte Napoleon dem russischen Gesandten in Paris.

Schließlich wurde ein Plan für einen gemeinsamen Angriff auf die damalige britische Kronkolonie Indien ausgeheckt.

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Invasionspläne

Dem Plan zufolge wären 35.000 französische Soldaten, begleitet von leichter Artillerie nach Astrachan marschiert, wo sie auf die 35. russische Armee (15.000 Infanteristen, 10.000 Soldaten zu Pferd, 10.000 Kosaken) getroffen wären. Die russisch-französische Kampftruppe wäre dann ins persische Astrabad (heute Gorgan) gebracht worden. Von dort aus plante man, über Herat, Farah und Kandahar in Afghanistan ins heutige Pakistan einzumarschieren, um dann tiefer in den indischen Subkontinent vorzudringen.

Porträt von Kosaken-Ataman M.I. Platow

Am 13. März 1801 bewegten sich die Kosaken vom Don aus in Richtung Orenburg, von wo aus sie versuchten, durch die kasachischen Steppen, das Khanat von Chiwa und das Emirat Buchara (beides im heutigen Turkmenistan und Usbekistan) nach Afghanistan und Pakistan zu gelangen.

Teilung Indiens?

Zum Zeitpunkt des Feldzuges war die britische Herrschaft über Indien noch relativ instabil. Die britische Ostindienkompanie kontrollierte gerade mal den Osten und den Süden des Subkontinents.

Paul und Napoleon erwarteten, ihre Truppen durch zuvor von der britischen Herrschaft befreite Freiwillige verstärken zu können.

Nach der Eroberung sollten die Franzosen den Süden Indiens kontrollieren, während die Russen die Herrschaft über den Norden erhalten hätten.

Der Abbruch der Operation

Jedoch wurde der Plan nie ausgeführt. Am 23. März 1801 wurde Paul I. ermordet. Es wird angenommen, dass die Briten an dieser Intrige beteiligt waren. Einer der ersten Befehle des neuen Zaren Alexander I. war es, Platows Kosaken wieder nach Hause zu holen.

Die Ermordung von Zar Paul I.

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Napoleon reagierte geschockt auf den Tod seines russischen Verbündeten. „Am 3. Nivôse (der vierte Monat des französischen Revolutionskalenders und eine Anspielung auf den ebenfalls von den Briten geförderten Attentatsversuch auf Napoleon an Heiligabend 1800) haben sie es nicht geschafft, mich zu töten. Aber in Sankt Petersburg haben sie mich gekriegt.”

Einige Jahre später trat Russland wieder der Koalition gegen Frankreich bei. Nachdem man zunächst einige Niederlagen erleiden musste, wurde 1814 schließlich Paris erobert.

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