Anna Uljanowa: Seine Schwester war für Lenin eine wichtige Stütze

L-r: Anna Uljanowa, Nadeschda Krupskaja, Wladimir Lenin

L-r: Anna Uljanowa, Nadeschda Krupskaja, Wladimir Lenin

W. Jewstifejew/Sputnik, Russia Beyond
Anna Uljanowa war immer an der Seite ihres jüngeren Bruders. Sie half ihm beim Aufbau des revolutionären Untergrunds und bewahrte später das Gedächtnis an ihren Bruder. Sie war auch die Mentorin des Sohnes eines chinesischen Militärs …

1924, kurz nach dem Tod ihres Bruders, stieß Anna Uljanowa auf eine erstaunliche Tatsache über ihre familiäre Herkunft. In späteren Jahren setzte sie sich für die Gründung des Lenin-Instituts ein, das darauf abzielte, die gesammelten Werke von Wladimir Lenin wissenschaftlich zu erfassen. Sie wurde beauftragt, nach Leningrad (das soeben umbenannte ehemalige St. Petersburg) zu reisen, um historische Quellen über ihre Familie zu sammeln. Beim Stöbern in den Archiven des Innenministeriums des Russischen Reiches stellte Anna fest, dass Wladimirs und ihr Großvater mütterlicherseits Jude gewesen war. Die Kommunistische Partei befahl sofort, diese Informationen geheim zu halten. Aber Anna weigerte sich. Wer war Anna Uljanowa?

Eine intellektuelle Rebellin 

Anna Uljanowa

Sie wurde nicht Anna Lenina genannt - denn nur Wladimir Uljanow nutzte dieses Pseudonym, das später weltberühmt werden sollte. Anna wurde 1864 in Nischni Nowgorod geboren, bevor ihre Eltern nach Simbirsk zogen, wo Wladimir zur Welt kam.

Anna war die Tochter zweier Lehrer und von Kindheit an akribisch und fleißig. Sie war eine der ersten Schülerinnen des Simbirsker Mädchengymnasiums. Schon mit 16 Jahren erhielt sie ein Lehrerinnen-Diplom. Doch das war noch nicht das Ende ihres Bildungsweges. Im Alter von 19 Jahren schrieb sie sich in St. Petersbug in den Bestuschewskije Kurs ein, dem bekanntesten Hochschulangebot für Frauen im kaiserlichen Russland. 

Alexander Uljanow nahm an einer Verschwörung teil, die den Mord an
Alexander III. einschloss. Alexander Uljanow wurde 1887 gehängt.

Anna wurde später jedoch als Schwester eines Staatsfeindes zu fünf Jahren Exil in der Wolga-Region verurteilt und heiratete 1889 ihren Ehemann, den Physikstudenten und Revolutionär Mark Jelisarow (1863-1919). Er wurde der erste sowjetische Volkskommissar der Eisenbahnen und starb später an Typhus. Anna und Mark lebten ab 1890 in Samara. Nach 1893, als das Paar nach Moskau zog, setzte Anna Uljanowa-Jelisarowa ihre aktive revolutionäre Arbeit fort.

Mark Jelisarow

1895 wurde Wladimir Lenin, der bereits einen Plan für die sozialistische Revolution ausgearbeitet hatte, in St. Petersburg verhaftet und 1897 für drei Jahre ins Exil geschickt. Er verbrachte die Zeit gemeinsam mit seiner Frau Nadeschda Krupskaja in Sibirien.

Anna Uljanowa-Jelisarowa zog zwischenzeitlich, 1896, wieder nach St. Petersburg. Sie wurde zu Lenins sozialem Leuchtfeuer und half ihm, seine wegweisenden Werke „Die Entwicklung des Kapitalismus in Russland“ (1899) und „Materialismus und Empiriokritizismus“ (1909) fertigzustellen und herauszugeben. 

Anna Uljanowa im Jahr 1910

In den 1910er Jahren wurde Anna, die damals Mitte vierzig war, für Lenin zur Königsmacherin. Während sie 1909 bis 1913 mit ihrem Mann und einer Schwester in der Region Saratow lebte, organisierte das Trio die Untergrundaktivitäten der damals illegalen russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. 1912 wurde das Trio verhaftet. Anna wurde zudem auch 1904, 1907, 1912, 1916 und 1917 verhaftet. Schließlich kam die Revolution von 1917.

Anna Jelisarowa als Mentorin von Chiang Ching-kuo 

Chiang Ching-kuo

1919 starb Annas Ehemann. Sie hatten keine Kinder, aber angesichts des Chaos und der Gräueltaten des postrevolutionären Lebens in Russland durch den Bürgerkrieg (1918-1921), entschieden sie sich, einen Jungen zu adoptieren, Georgi Losgatschew (1906-1972), den Anna alleine großzog.

Anna wurde kein Mitglied in der Sowjetregierung. Stattdessen wandte sie sich wohltätigen Zwecken zu und half obdachlosen Kindern. Neben Georgi hatte sie noch ein weiteres Ziehkind: Chiang Ching-kuo (1910-1988), der 1925 auf Befehl seines Vaters Chiang Kai-shek (1887-1975), der in Taiwan die Republik China proklamierte, nach Moskau kam. 

Anna erlaubte dem jungen Chiang Ching-kuo, den Nachnamen Jelisarow zu tragen. 1978 wurde ihr Schützling Präsident von Taiwan. 

Annas letzte große Herausforderung hatte sie bis dahin noch nicht verwirklicht. Kurz vor dem Tod ihres Bruders, als sich herausstellte, dass er psychisch krank war, kümmerte sie sich um die Bewahrung seines Gedächtnisses und seiner Werke. Sie stand hinter der Gründung des Lenin-Instituts, später bekannt als Marx-Engels-Lenin-Institut, dem wichtigsten Forschungszentrum und Verlag für offiziell veröffentlichte Werke der marxistischen Lehre.

Als sie nach Lenins Tod die Geschichte ihrer Familie recherchierte, war sie erstaunt zu erfahren, dass ihr Großvater Alexander Blank tatsächlich ein Jude war – eine bemerkenswerte Tatsache in Zeiten, in denen Antisemitismus weit verbreitet war. Anna sowie ihre Brüder und Schwestern waren sich ihrer jüdischen Abstammung nicht bewusst. 

Alexander Blank

Anna wollte dies publik machen, doch das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei untersagte ihr dies und wollte die Information unbedingt unter Verschluss halten. 

Sie schrieb 1932 und 1934 an Joseph Stalin und bat ihn um Veröffentlichung, da der Antisemitismus in der UdSSR wuchs. Sie hielt es für wichtig zu erklären, dass Lenin selbst jüdischer Abstammung war. Vielleicht könnte dies helfen, die Spannungen abzubauen? 

Maria Alexandrowna Blank (Uljanowa), Wladimir Lenins Mutter

„Diese Tatsache könnte sehr dazu beitragen, [...] den Antisemitismus zu bekämpfen. [...] Es bestätigt die außergewöhnlichen Fähigkeiten des semitischen Volkes und den Mehrwert gemischter Nachkommen, eine Überzeugung, die Iljitsch [Lenin] immer geteilt hat. Iljitsch hatte immer großen Respekt vor Juden…“, schrieb Anna.

Stalin widersetzte sich ihrem Wunsch jedoch entschieden. 

Die Echtheit dieser Briefe wurde diskutiert, bevor sie ab 2011 im Staatlichen Historischen Museum ausgestellt wurden. Anna starb 1935 in Moskau. In der Maneschnaja 9 mit Blick auf die Moskauer Kremlmauer gab es bis 1992 eine Gedenkstätte, die dann ins Eigentum des Staatlichen Historischen Museums überging. 

>>> Lenin paradox: Das erstaunlich widersprüchliche Leben des Wladimir Uljanow

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