Die Eroberung Sibiriens - und später des Fernen Ostens - begann 1581 mit dem Feldzug Jermak Timofejewitschs und seiner Kosaken gegen das Khanat Sibir. Von dort aus ging es weiter Richtung Osten, wo sie aber auf den Widerstand der Überreste der Goldenen Horde stießen. Kütschüm Khan war eine ernste Bedrohung für Iwan IV. („Iwan der Schreckliche“).
Nach der Niederlage des Khanats Sibir zogen die russischen Grundbesitzer los, um neue Länder zu erobern. Die Kosaken waren zu Söldnern des kolonialistischen Zarenreichs geworden. Einige kämpften auch aus Überzeugung, andere wurden für den Kampf rekrutiert. Dazu gab es noch die Nachkommen der Migranten.
Sie reisten entlang der Flüsse und forderten Tribut von den indigenen Bewohnern. Sie blieben nie lange an einem Ort, denn das Ziel war Südsibirien mit seinem Ackerland.
Das war ganz im Sinne von Iwan dem Schrecklichen. Der russische Norden war schon immer reich an Fellen, Fisch, Robbenschmalz und Walrossstoßzähnen.
Nach und nach zogen die Kolonialisten nach Norden, gründeten „Ostrogs“ (Städte/Festungen aus Holzbauten) und forderten weiterhin Tribut von den angestammten Bewohnern. Oft kam es zu blutigen Auseinandersetzungen, doch die Kosaken demonstrierten schnell ihre Überlegenheit. Nur bei den Tschuktschen stieß der Säbel der Kosaken auf Stein.
Die Tschuktschen oder Luoravetlanen sahen sich als „die wahren Menschen“. Benachbarte Völker betrachteten sie als zweitklassig. Die gleiche Haltung zeigten sie gegenüber den russischen Kolonialisten.
Es ist nicht belegt, wann es zum ersten Kontakt kam. Doch die Kosaken wussten von der Existenz eines „furchterregenden Volkes“ in der Region. Die Kosakenhäuptlinge Iwan Erastow und Dmitri Sirian nahmen diese Geschichten jedoch nicht allzu ernst.
Als die Kosaken schließlich auf die Tschuktschen trafen, erklärten sie daher einfach, dass deren Land nun unter der Herrschaft von Zar Michael Fjodorowitsch, dem ersten Romanow auf dem russischen Thron, stünde und sie von nun an Tribut leisten müssten. Anschließend berichtete Ataman Erastow an den Zaren von einer Schlacht. Die Tschuktschen zeigten sich völlig unbeeindruckt von den Schusswaffen.
Die Expedition Semjon Iwanowitsch Deschnjews 1645 oder 1648
Klawdij LebedewDie Kosaken wussten nichts über die Tschuktschen und deren Mentalität und unterschätzten daher den Feind. Die gesamte Stammesgeschichte drehte sich um den Überlebenskampf. Sie hatten keine Angst vor dem Tod. Eine Tatsache, die die Kosaken später noch erfahren sollten.
Der Prozess der Kolonialisierung des Fernen Ostens war jedoch in vollem Gange, und die Russen waren nicht bereit, sich wieder auch nur einen Millimeter weit aus den Gebieten der indigenen Völker zurückzuziehen. Ein merkwürdiger Grund dafür waren Walrossstoßzähne. Diese waren eine unglaublich wertvolle Ressource und die Russen wollten diese keinesfalls aufgeben.
Die Kosaken hatten zunächst vor, die Angelegenheit friedlich zu regeln. Das war jedoch ein völliger Misserfolg. Die Kosaken waren keine Meister der Diplomatie und die Tschuktschen auf der anderen Seite selbst nicht zum geringsten Kompromiss bereit.
Trotz ihres primitiven Lebensstiles und der einfachen Waffen, war ein Tschuktschen-Krieger ein mächtiger Gegner. Er trug einen Schutzpanzer aus den Häuten von Robben und Walrössern, die seinen Körper vom Hals abwärts bedeckten. Einige Krieger trugen Rüstungen aus Hirschknochen und Geweihe. Die Schilder wurden aus Robben- und Walrossfellen gefertigt.
Zur Zeit der Eroberung der Tschuktschen-Halbinsel lebten dort etwa 100.000 Personen, die verschiedenen Clans angehörten. Unter diesen gab es oft Streit um das Wild und Gebiete.
Die russischen Kolonialisten waren mit nur einigen hundert Kämpfern zahlenmäßig völlig unterlegen. Ihre Festung war der 1652 errichtete Anadyrski Ostrog. Über 70 Jahre lang war diese Festung der einzige Ort, an dem sie vor den andauernden Angriffen der Tschuktschen Schutz fanden.
Anadyrski Ostrog
M.I. BelowIrgendwann reichte es St. Petersburg und unter der Führung von Afanassi Schestakow wurde eine groß angelegte Militäroperation gestartet. Hauptmann Dmitri Pawluzki kam mit seinen Männern zur Unterstützung. Ziel war es, Tschukotka, Kamtschatka und die Küste des Ochotskischen Meeres zu erobern. Die Kommandeure sollten ihre Streitkräfte vereinen und die Tschuktschen in einer Offensive niederschlagen. Doch Schestakow und Pawluzki, beides starke Persönlichkeiten, konnten sich nicht einigen und starteten unabhängig voneinander einen Angriff. So zog Pawluzki 1729 zuerst in den Kampf.
Schestakows Angriff ein Jahr später scheiterte und der Anführer kam dabei ums Leben. Davon erfuhr Pawluzki erst Monate später. Der Hauptmann und die Korjaken in seinem Gefolge besiegten mehrere Einheiten der Tschuktschen und drangen zu ihren Siedlungen vor.
Pawluzki folgte der Order aus St. Petersburg, die Ureinwohner ohne Rücksicht auf Verluste niederzuschlagen und er hinterließ nichts als verbrannte Erde. Doch er schaffte es nicht, den Auftrag zu Ende zu bringen. Er wurde befördert und ging zurück nach Jakutien.
Eine Zeitlang gab es weniger Zusammenstöße zwischen den Tschuktschen und den Kolonialisten. Einige Clans zahlten sogar Tribut. Doch der Frieden war nur von kurzer Dauer.
In den frühen 1740er Jahren griffen die Tschuktschen erneut benachbarte Stämme und die Kolonialisten an. Zu diesem Zeitpunkt kehrte Dmitri Pawluzki zurück. Diesmal waren die Tschuktschen jedoch vorbereitet und bereiteten ihm einen Hinterhalt. Sie zogen sich aus dem Anadyrski Ostrog zurück und warteten. Pawluzki, eigentlich ein großer Taktiker, der die Tricks des Feindes kannte, wurde letztlich Opfer seiner Ungeduld und ging in ihre Falle.
Die Versuche, Tschukotka zu erobern, wurden bis 1763 ohne Erfolg fortgesetzt. Die Staatskasse musste enorme Verluste hinnehmen. Die Entscheidung, den Kampf zu beenden, war daher sehr vernünftig. Der Anadyrski Ostrog wurde aufgelöst und die Bewohner umgesiedelt. Dort hätte die Geschichte der Eroberung von Tschukotka enden können. Aber das war nicht der Fall.
Sobald die russisch kaiserlichen Truppen verschwunden waren, hatte das Gebiet die Aufmerksamkeit der Franzosen und Engländer auf sich gezogen. Die Russen konnten ihnen nicht erlauben, auf der Halbinsel Fuß zu fassen. Und so befahl Katharina II. (Katharina die Große) den Kolonialisten zurückzukehren - aber nicht als Eroberer, sondern in friedlicher Absicht. Der Plan ging auf. Der Handel zwischen den Kosaken und den Tschuktschen begann zu florieren. Jedes Jahr gab es große Märkte, bei denen Waren ausgetauscht wurden und schließlich sprach man eine gemeinsame Sprache.
Die Indigenen zahlten jedoch nie Tribut und ihr Status als Untertanen des Zaren war kaum mehr als eine Formalität.
Die formelle Annexion der Tschukotka-Halbinsel erfolgte erst viel später, zu Sowjetzeiten.
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!