Die Festung Brest an der Westgrenze des sowjetischen Belarus war am 22. Juni 1941 das erste Ziel der deutschen Armee. Es war auch die erste unangenehme Überraschung für den Feind, der erkannte, dass das Eindringen in die UdSSR kein einfacher Spaziergang werden würde.
Die Festung wurde während des Zaren-Regimes, Mitte des 19. Jahrhunderts, erbaut und war zu Beginn des Zweiten Weltkrieges bereits veraltet. Die am Zusammenfluss von Westlichem Bug und Muchawez gelegene Insel-Zitadelle und mehrere Forts dienten hauptsächlich als Kasernen und Lagerhäuser. Infolge des sowjetisch-polnischen Krieges von 1919 – 1921 wurde die Festung von den Polen übernommen, die sie unter anderem als Gefängnis nutzten.
Am 2. September 1939, dem zweiten Tag nach Beginn des deutschen Blitzkrieges in Polen, begannen die ersten Bomben auf die Festung Brest zu fallen. Ähnliche Kämpfe fanden vom 14. bis 17. September statt. In diesem Fall konnte die polnische Garnison mit ihren 2.500 Mann siebenmal die Attacken des Feindes abwehren, der sie zahlenmäßig um das Doppelte übertraf und von seiner Luftwaffe und 160 Artilleriegeschützen unterstützt wurde. Nach der Niederschlagung des polnischen Widerstands wurde die Festung gemäß dem sowjetisch-deutschen Abkommen an die UdSSR übergeben.
Die Schlacht, die sich hier zwei Jahre später entfaltete, war viel größer. Sie sollte von der 45. Division der Wehrmacht, der ehemaligen Division des österreichischen Heeres, die bis zu 15.000 Mann zählte, geführt werden. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in der Festung 9.000 bis 11.500 Soldaten der sowjetischen 4. Armee, Grenzschutzbeamte sowie bis zu 600 Familienangehörige des Führungsstabs. Da viele Dokumente des Hauptquartiers der Armee entweder während der Kämpfe verloren gingen oder von den Stabsmitarbeitern selbst vernichtet wurden, gibt es keine verlässlichen Daten über die Größe der dortigen Einheiten.
Nachdem die Festung massiv durch die deutsche Artillerie beschossen worden war, griffen die ersten feindlichen Infanterie-Einheiten an. Trotz der Tatsache, dass sich die Besatzung der Garnison infolge des unerwarteten Angriffs in mehrere separate Verteidigungsstellungen aufspaltete, konnten die Verteidiger acht deutsche Angriffe abwehren und den Feind teilweise vernichten und zurückdrängen.
Ein Teil der Garnison konnte sich am 22. Juni vor 9 Uhr morgens aus der Festung zurückziehen, bevor sie vollständig vom Feind eingekreist war. Im Inneren kämpften die Überreste mehrerer Schützenregimenter, ein Bataillon der Begleittruppe des Geheimdienstes NKWD und Grenzschutzkommandos weiter. Sie leisteten heftigen Widerstand und erlaubten dem Feind nur in einigen Teilen der Zitadelle Fuß zu fassen. Mehr als einmal kam es zum Nahkampf.
Nach Verlusten zog der Feind in der Nacht zum 23. Juni seine Truppen an die Außenmauern der Festung zurück und setzte den Artilleriebeschuss fort. 1.900 Sowjetische Soldaten nahmen das darauf folgende Kapitulationsangebot an.
Eines der größten Widerstandsgebiete war der Abschnitt der ringförmigen Kaserne im östlichen Teil der Zitadelle, der von den Deutschen Haus der Offiziere genannt wurde. Nach dem von hier aus die deutsche Infanterie ausgeschaltet worden war, bildeten mehrere separate Truppenteile eine einzige Kampfgruppe, die bald darauf versuchte, aus der Festung auszubrechen, aber scheiterte. Die Kaserne hielt sich bis zum 26. Juni, als deutsche Pionierkräfte die Befestigungsanlagen unterminierten und sie zum Einsturz brachten.
Am 30. Juni war der Widerstand der organisierten Truppenteile in der Festung beendet, aber einzelne Soldaten kämpften noch lange weiter. Auf einer der Festungsmauern ist die Inschrift zu lesen: Ich sterbe, aber ich ergebe mich nicht! Leb wohl, Vaterland. 20/VII-41.
Nach deutschen Angaben wurden bei der Erstürmung der Festung Brest mehr als siebentausend Soldaten der Roten Armee gefangen genommen, etwa zweitausend starben, einige schafften den Durchbruch nach außen. Die Wehrmacht hatte mehr als fünfhundert Tote und etwa siebenhundert Verwundete zu verzeichnen. „Die Russen in Brest-Litowsk kämpften extrem standhaft und hartnäckig. Sie zeigten eine hervorragende Infanterieausbildung und bewiesen einen bemerkenswerten Kampfwillen“, schrieb Generalleutnant Fritz Schlieper, Kommandeur der 45. Infanterie-Division. Die Kunde von diesem unerwartet starken Widerstand drang bis nach ganz oben – Ende August besuchten Adolf Hitler und Benito Mussolini die Festung.
Aufgrund des Chaos der ersten Kriegsmonate hatte niemand in der Sowjetunion eine Ahnung von der heldenhaften Leistung der Festungs-Verteidiger. Aber davon erfuhr man erst im Februar 1942, als die Rote Armee in der Nähe von Orjol das Archiv des Hauptquartiers der besiegten deutschen 45. Division beschlagnahmte. Die heroische Verteidigung wurde erst in den Fünfzigerjahren weithin bekannt und zu einem der wichtigsten Symbole des Sieges.
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