Der Tod der Djatlow- Gruppe im Winter 1959 wurde durch eine Lawine verursacht (rus), die durch einen plötzlichen Wetterumschwung ausgelöst wurde, teilte der stellvertretende Leiter der Generalstaatsanwaltschaft des Föderationskreises Ural, Andrei Kurjakow, am 11. Juli 2020 mit.
Nach dem ersten Lawinenabgang beschloss die Gruppe, das Zelt zu verlassen. Am Ende starben sie an Erfrierungen und Knochenbrüchen durch die Last des Schnees.
„Nachdem sie das Zelt verlassen hatten, ohne Panik, bewegte sich die Gruppe etwa 50 Meter weit weg. Sie suchten Schutz unter einem Felsvorsprung. Sie haben alles richtig gemacht. Der Grund, warum die Gruppe gewissermaßen zum Tode verurteilt war und nie zurückkehrte, war, dass sie ihr Zelt nicht mehr wiedergefunden haben. Es war Nacht und die Sichtweite lag zwischen sechs und 16 Metern“, erklärte Kurjakow.
Kurjakow sagte, die Wanderer hätten eine Zeder gefunden und ein Feuer angezündet, das etwa anderthalb Stunden lang brannte. Zwei Mitglieder der Gruppe starben bereits dort an Erfrierungen. Der Rest beschloss, sich zu trennen, ergab die Untersuchung. Sie teilten sich in zwei Gruppen, eine angeführt von Igor Djatlow, die andere von Semjon Solotarew.
„Die von Djatlow angeführte Gruppe begann, den eigenen Spuren folgend, in Richtung Zelt zu kriechen. Außerhalb des Waldes erfroren sie, da die Temperatur bei 40 bis 45 °C unter Null lag und ein beißender Wind wehte“, erklärte er.
Die zweite Gruppe versuchte ebenfalls zum Zelt zu gelangen. Dazu wollten die Wanderer sich einen Weg schaffen. Dabei lösten sie jedoch versehentlich eine Lawine aus und wurden unter drei Metern Schnee begraben, so Kurjakow weiter. Sie erlitten durch die Tonnen von Schnee schwere Knochenbrüche. Diese Verletzungen führten später zu vielen Spekulationen über das Geschehen.
„Es war ein heldenhafter Kampf. Sie waren nicht in Panik. Aber unter diesen Umständen hatten sie keine Chance zu entkommen“, stellte Kurjakow fest.
Auf einer Route (rus), die von der zuständigen Kommission genehmigt worden war, sollte im Zeitraum Januar/Februar 1959 eine Expedition unter Leitung des Studenten Igor Djatlow von der Fakultät für Funktechnik des damaligen Polytechnischen Instituts des Uralgebiets stattfinden. 16 bis 18 Tage sollten die Teilnehmer auf Skiern unterwegs sein und dabei 300 Kilometer zurücklegen und die Gipfel der Berge Otorten und Ojko-Tschakur erklimmen. Alle waren erfahrene Wanderer und hatten die nötige Ausrüstung. Die Gruppe bestand aus Studenten und Absolventen der Universität und wurde von dem früheren Wanderführer Semjon Solotarew begleitet.
Kurz nach dem Aufbruch, musste einer der Teilnehmer, Juri Judin, wegen Beinschmerzen aufgeben und nach Swerdlowsk zurückkehren. Er war der einzige Überlebende dieser schicksalhaften Expedition (Judin starb 2013 nach langer Krankheit).
Die Gruppe sollte bis zum 14. Februar 1959 im Dorf Wischai eintreffen und von dort aus ein Telegramm senden. Sie sind dort nie angekommen. Am 20. Februar wurde ein Suchtrupp geschickt. Am 26. Februar entdeckte dieser Suchtrupp auf einem Gebirgspass, der später nach Djatlow benannt wurde, 300 Meter vom Gipfel des Cholat Sjachl, ein Zelt mit persönlichen Gegenständen und Dokumenten von Mitgliedern der Gruppe. Am nächsten Tag wurden die Leichen von vier Wanderern, darunter auch Djatlow, in beträchtlicher Entfernung vom Zelt gefunden. Die Leichen der übrigen Teilnehmer fand man zwischen März und Mai 1959.
Unmittelbar nach der Entdeckung der Leichen wurden Ermittlungen aufgenommen. Eine gerichtsmedizinische Untersuchung ergab, dass sechs Wanderer an Unterkühlung gestorben waren, während drei andere Frakturen erlitten, die durch enorme Krafteinwirkung entstanden sein mussten. Wodurch genau, konnte im Rahmen der Untersuchung nicht festgestellt werden.
Am 28. Mai 1959 schloss die Staatsanwaltschaft der Region Swerdlowsk den Fall ab und gab als Todesursache „höhere Gewalt“ an. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde der gesamte Fall zur Verschlusssache (rus), weil ein einziges Dokument in der Untersuchung geheime Informationen enthielt.
Die Öffentlichkeit in Russland und im Ausland erfuhr vom Tod der Studentengruppe erst in den 1990er Jahren. Es gibt zahlreiche Bücher sowie Dokumentationen und Spielfilme, die den Ereignissen am Djatlow-Pass gewidmet sind.
Insgesamt untersuchte die Staatsanwaltschaft 75 Theorien zu möglichen Ursachen, die zum Unglück am Djatlow-Pass geführt haben könnten. Die populärsten Vermutungen waren ein UFO, ein Raketentest, eine Atomexplosion, ein Wirbelsturm, ein Erdbeben im Nordural, eine Lawine und sogar ein Kampf mit ausländischen Saboteuren.
Die Theorie einer nuklearen Explosion wurde verworfen, da auf den persönlichen Gegenständen der Wanderer keine Spuren von Strahlung gefunden wurden.
Auch die Theorie eines Raketentests fand keine Befürworter: An den Tagen, an denen die Expedition begann, gab es zwar Aktivitäten auf dem Testgelände Kapustin Jar, aber weit entfernt vom Pass. Flugobjekte, von denen einige Augenzeugen berichtet hatten, wurden als Einbildung abgetan. Klimatologen erklärten, es habe zum fraglichen Zeitpunkt keinen Wirbelsturm in der Gegend gegeben. Auch Erdbebenaktivität sei nicht registriert worden, sagte Kurjakow.
Auf der Pressekonferenz erklärte die Generalstaatsanwaltschaft, dass der Hang, an dem die Gruppe unterwegs war, ein Lawinengebiet sei und schlug vor, dass das Notfallministerium und die Verwaltung der Region Swerdlowsk Sicherungsmaßnahmen ergreifen.
Die Uraler Föderale Universität rät Touristen von Expeditionen zum Djatlow-Pass ab.
„Formal war es das. Der Fall ist abgeschlossen“, erklärte Kurjakow.
Jewgeni Tschernousow, ein Anwalt der Djatlow-Stiftung zum Gedenken an die Verstorbenen, steht den Ausführungen der Staatsanwaltschaft skeptisch gegenüber.
„Die Angehörigen werden diese Schlussfolgerung nicht akzeptieren [die Lawinen als Unglücksursache], <...> nur eine technogene Ursache [ist möglich]. Tatsächlich hat diese Untersuchung nichts ergeben“, sagte der Anwalt.
Er wies darauf hin, dass die Untersuchung rechtswidrig gewesen sei, da der Fall schon zuvor abgeschlossen gewesen war. Ermittlungen und Untersuchungen könnten nur im Rahmen eines laufenden Verfahrens durchgeführt werden.
Diesen Standpunkt teilt Juri Kunzewitsch, der Leiter der Djatlow-Stiftung. Er erklärte, die Stiftung werde sich dafür einsetzen, dass die Ermittlungen im Fall der toten Wanderer offiziell wieder aufgenommen würden.
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