Denschtschik (Offiziersbursche)
In der russischen kaiserlichen Armee wurde ein Offiziersbursche (auch Ordonnanz oder Adjutant genannt) als Denschtschik (abgeleitet vom russischen Wort „день“, „Tag“; der Denschtschik ist eine Unterstützung im Alltag) bezeichnet. Er war der persönliche Diener eines Offiziers. Bezahlt wurden die Denschtschiks von der Armee. Sie waren unter anderem verantwortlich für die Uniform des Offiziers, seine Waffen und persönlichen Besitztümer und sein Pferd. Denschtschiks führten die Befehle ihres Vorgesetzten aus. In harten Kriegszeiten standen sie ihm treu zur Seite.
Hochrangige Offiziere, Oberste und Generäle konnten sogar Adelige als Denschtschiks haben. Diese konnten durchaus in den Rang eines Unteroffiziers oder Sergeanten aufsteigen. Ab 1881 wurde dieser Posten in der Kaiserlich Russischen Armee jedoch abgeschafft.
Rajoschnik (Guckkasten-Betreiber)
Ein Rajok war ein mobiler Guckkasten aus Holz. Eine Linse vergrößerte die Bilder, die auf der Rückwand der Konstruktion angebracht waren. Ein Rajoschnik, der Bediener des Guckkastens, drehte an einem Griff, so dass das nächste Bild erschien. Er gab zu den Abbildungen passende Anekdoten, meist in Reimform und als Sprechgesang, zum Besten. Der Rajoschnik konnte die Bilder und deren Reihenfolge beliebig zusammenstellen, je nach Publikum.
Anfänglich zeigten die Rajoks vor allem biblische Darstellungen etwa von Adam und Eva und der Vertreibung aus dem Paradies (daher vermutlich auch der Name: „раёк“, „winziges Paradies“). Später gab es auch andere Inhalte. Niedliche Abbildungen unterhielten die Kinder, Bilder von Schlachten und fernen Ländern waren für die Erwachsenen. Es gab sogar ausdrucksvolle, für die damalige Zeit unzüchtige, Darstellungen.
Der Rajok diente dem Vergnügen des einfachen Volkes und war auf Jahrmärkten und Volksfesten zu finden. Der Guckkasten verschwand zusammen mit den Rajoschniks Ende des 19. Jahrhunderts im Zuge der zunehmenden Alphabetisierung der Massen und der Entwicklung der Fotografie.
Burlak (Treidler)
Die Treidler waren Männer, die vom 17. bis 20. Jahrhundert vom Land aus, Lastkähne und andere Schiffe auf den Flüssen des Russischen Reiches zum Beispiel gegen eine schwache Strömung weiterzogen. Die Treidler schlossen sich zu Artels zusammen. Einheiten von 10, 15 bis zu 100 Männern. Innerhalb des Artels gab es eine Hierarchie, vorgeschriebene Regeln und Techniken.
Die Treidler zogen die Kähne mit Hanfseilen, die am Schiffsrumpf befestigt waren. Am anderen Ende waren Lederriemen, die sich die Treidler um Brust und Schultern legten. Pferde konnten damals nicht überall eingesetzt werden, da es entlang der Flussufer kaum geeignete Wege für die Tiere gab. Um einen Lastkahn zu bewegen brauchte es manchmal bis zu 300 Treidler.
Flüsse waren das wichtigste Transportmittel für Frachtgut im kaiserlichen Russland. Sobald Mitte des 19. Jahrhunderts Eisenbahnen (und Dampfschiffe) aufkamen, starb das Treideln aus.
Wasserträger
In russischen Dörfern kam das Trinkwasser für jedermann verfügbar aus Brunnen. In den Städten war die Situation komplizierter. Die erste Wasserleitung gab es in Moskau erst Ende des 18. Jahrhunderts. Leitungswasser in Stadtwohnungen war erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts weit verbreitet.
Bis dahin mussten die Menschen in den russischen Städten ihr Wasser von „Wasserträgern“ kaufen. Diese brachten das Wasser mit Pferdewagen in die Stadt. In grünen Tanks befand sich Flusswasser etwa zum Wäsche waschen. In weißen Tanks wurde Trinkwasser geliefert. Kleinere Fässer wurden zu Fuß in schwer zugängliche Gebiete transportiert. Im Winter kamen dabei Schlitten und im Sommer Handwagen zum Einsatz.
Ofenja (Handlungsreisender)
Ofenjas zogen durch Russland und verkauften Waren als es noch keine Eisenbahn im Land gab. Im Angebot hatten sie jedoch keine Lebensmittel, Süßwaren oder andere Kleinigkeiten. Ofenjas waren eine einzigartige russische Erscheinung, die vor allem in den Dörfern der Regionen Wladimir und Nischni Nowgorod auftauchten, aber auch im Rest des Landes unterwegs waren, sogar in abgelegenen Gegenden. Sie bewegten sich zu Fuß fort.
Im Gepäck hatten sie vor allem Bücher und Ikonen, oft solche der Altgläubigen. Diese waren offiziell vom Staat verboten und durften auch nicht gefertigt werden. Ofenjas pflegten jedoch heimlich Kontakte zu Ikonenmalern und verkauften die Werke zu horrenden Preisen in den abgelegenen Dörfern der Altgläubigen. Der Verkauf war eine Straftat.
Einige Ofenjas gehörten tatsächlich der Unterwelt an. Sie entwickelten sogar eine eigene Geheimsprache, um ungestört in Gegenwart von Außenstehenden miteinander kommunizieren zu können, ohne ihre Gesprächsinhalte zu offenbaren. Auch heute noch verwenden einige Russen diese Sprache. Sie ist die Grundlage für den zeitgenössischen russischen kriminellen Slang, der auch Einzug in die alltägliche russische Umgangssprache gehalten hat. Viele heutige Russen wissen nicht einmal, dass sie sehr oft Ofenja-Sprache verwenden!