„Moskwitsch“: Aufstieg und Niedergang des berühmten Moskauer Automobilwerks

Geschichte
JULIA AFANASSENKO
Der berühmte Autobauer hatte im Laufe seiner Geschichte viele Namen und Höhen und Tiefen. Erfahren Sie mehr über AZLK in unserer Fotodokumentation.

Das Automobilwerk Moskowski awtosborotschny sawod imeni Internatzionala Molodeschi, kurz KIM, wurde 1930 in Betrieb genommen. Im Werk sollten günstige und zugleich funktionale Autos für die Sowjetbevölkerung gebaut werden. 

Zuerst wurden dort in Lizenznahme Ford-Modelle vom Typ A montiert. Eigene Modelle baute KIM zunächst nicht, da den sowjetischen Ingenieuren Knowhow und Erfahrung fehlten. Das Werk begann mit der Montage von offenen Fahrzeugen ohne Verdeck. Die Komponenten wurden aus den USA geliefert. Später wurde auch der Ford-LKW-Typ AA gebaut.  

1940 begann KIM dann mit der Produktion eigener Fahrzeugmodelle. „KIM 10-50“ war das erste. Es war leichter als die Ford-Modelle und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 90 Stundenkilometern. Dieses Auto war eine Limousine, die vom britischen Ford „Prefect 1938“ inspiriert war. Auch ein offenes Modell, „KIM 10-51“, wurde konstruiert. Doch beide Modelle wurden nie zu einem Fahrzeug für die Massen, sie waren zu teuer. 1941 wurde das Werk umstrukturiert, um Kriegsausrüstung herzustellen.

Nach dem Großen Vaterländischen Krieg änderte das Werk seinen Namen in Moskauer Fabrik für kleinmotorige Automobile (russ. Moskovskiy Zavod Malolitrazhnikh Avtomobiley), kurz MZMA. Ein neues Modell wurde dort produziert: „Moskwitsch-400“. Der Name wurde anlässlich des 800. Jahrestages der Gründung der Stadt Moskau gewählt, der 1947 gefeiert wurde. Auch dieses Auto war keine Erfindung sowjetischer Ingenieure. Als Grundlage diente der „Kadett 1938“ des deutschen Autobauers Opel. Der „Moskwitsch-400“ war noch immer sehr teuer, galt aber als das erste erschwingliche Fahrzeug für das Volk. Im Jahr 1954 kam eine neue, modifizierte Version mit dem Modellnamen „Moskwitsch-401“ dazu. Das Fahrzeug hatte einen leistungsstärkeren Motor und war komfortabler. Beide Modelle wurden sogar für den Export hergestellt. Später erschienen weitere Modifikationen.

1957 konstruierten die MZMA-Ingenieure das Modell „Moskwitsch-423“. Das war ein brandneuer Fahrzeugtyp für die UdSSR. Es war das erste Auto, das ausschließlich einen sowjetischen Vorgänger zum Vorbild hatte. Es basierte auf dem „Moskwitsch-400“. 

Das Modell „Moskwitsch-407“ wurde von 1958 bis 1963 hergestellt. Es war mit einem leistungsstarken Motor ausgestattet. Das Auto konnte eine Höchstgeschwindigkeit von 115 Stundenkilometern erreichen, was zu dieser Zeit als gute Leistung galt. Es war ein komfortables Modell mit stilvollem Design. Das Werk hatte es geschafft, die Kosten für dieses Modell gering zu halten, so dass das Auto für viele Sowjetbürger erschwinglich wurde. Auch im Ausland war der „Moskwitsch-407“ sehr beliebt. Er wurde in andere sozialistische Länder und sogar nach Westeuropa exportiert.

Der „Moskwitsch-408“ wurde das nächste erfolgreiche Modell. 1965 wurde die Massenproduktion aufgenommen. Das Auto war leistungsstark und zuverlässig und konnte problemlos mit ausländischen Modellen wie dem „Kapitän A“ von Opel mithalten. Deshalb war es nicht nur in der UdSSR, sondern auch in europäischen Ländern äußerst beliebt.

MZMA hat auch eine Reihe von Rennwagen entworfen. Der „Moskwitsch G-4“ wurde erstmals 1965 entwickelt. Da es sich nicht um ein Massenmodell handelte, wurden nur drei Stück gebaut. Der Rennwagen basierte auf dem „Moskwitsch-407“. Der „Moskwitsch G-4“ hatte jedoch weniger Details, um die Breite und das Gesamtgewicht des Autos zu reduzieren.

1968 wurde das MZMA zum Awtomobilny sawod imeni Leninskowo komsomola (zu deutsch: Automobilwerk Leninski Komsomol), auch bekannt als AZLK. An diesen Namen erinnert man sich bis heute. Unter dieser Bezeichnung konstruierte und produzierte das Werk neue Modelle, bis 1986 den „Moskwitsch-2141“, auch bekannt als „AZLK-2141“ oder den „Aleko“. Es war das letzte erfolgreiche Auto von AZLK und das erste in der UdSSR mit Frontantrieb. Es gab noch verschiedene Modifikationen dieses Modells, aber keine hatte einen Motor von AZLK. Sie waren beispielsweise mit Motoren vom WAS (Wolschski awtomobilny sawod – Wolga-Autowerk in Toljatti) ausgestattet. 

Walentin Kolomnikow war von 1953 bis 1992 langjähriger Direktor des Automobilwerks und stand dem Werk auch in seiner Blütezeit vor. Im Jahr 2015 wurde ihm zu Ehren eine der Straßen am ehemaligen Standort des AZLK-Werks benannt. 

Der Tod von Kolomnikow fiel mit den Herausforderungen zusammen, vor denen das ganze Land nach dem Zerfall der UdSSR stand. 1992 änderte AZLK den Namen ein letztes Mal, und zwar in OAO Moskwitsch und wurde zur Aktiengesellschaft. Probleme hatte es bereits vor dem Untergang der Sowjetunion gegeben. AZLK konnte immer weniger mit anderen Werken mithalten. In den 1990er Jahren wurde die Produktion trotz Nachfragerückgangs fortgesetzt und in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schließlich gedrosselt. 

Aber am Ende half nichts. 1998 änderte OAO Moskwitsch seine Strategie radikal. Statt billiger Kleinwagen wollte man nun ins Premium-Segment einsteigen und konstruierte das Modell „Iwan Kalita“, benannt nach einem berühmten Moskauer Fürsten im 14. Jahrhundert. Dieses Auto basierte auf dem „Moskwitsch-2141“. Die Produktion endete 2001, weil die Qualität für die Premiumklasse nicht ausreichte. Zwei Jahre später wurde ein Insolvenzverfahren eingeleitet, das 2006 abgeschlossen war. Im Jahr 2010 wurde das Unternehmen geschlossen. 

Ein Museum erinnerte noch an alte Zeiten. Es wurde 1980 als AZKL-Museum eröffnet und hieß ab 1992 Moskwitsch-Museum. Die Exponate wurden zum Teil auch von den Mitarbeitern zusammengetragen. Sie haben alte Fahrzeuge ausfindig gemacht, sie restauriert und ausgestellt. So sollte die Geschichte des Automobilwerks bewahrt werden. Mit dem Bankrott 2006 wurde auch das Museum geschlossen. Die Autos wurden in andere Ausstellungen gegeben. Das Museumsgebäude wird von einer Organisation als Büro genutzt. 

2014 wurde ein Teil des früheren Werksgeländes von AZLK in Moskau von Renault übernommen. Einige Gebäude standen weiter verlassen. Die Moskauer Stadtregierung hatte beschlossen, die Industriezonen der Stadt neu zu organisieren. In den ehemaligen Gebäuden der AZLK entstand das Technologiezentrum „Moskwa“. Die nicht genutzten Abschnitte wurden nach und nach abgerissen.

Der Rest des Geländes wurde in ein Wohngebiet umgewandelt. Es gibt dort auch einige Baumärkte und Autowerkstätten. Vom ehemaligen Werk ist nur noch ein kleiner Teil übrig, der jedoch auch noch abgerissen werden soll. Die Geschichte von AZLK ist zu Ende. 

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