Die Politik der Ortsnamen
Die erste umbenannte Station war Uliza Kominterna (Komintern-Straße). Die 1919 gegründete Kommunistische Internationale (kurz Komintern) hörte während des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1943 auf zu existieren. Nach dem Krieg beschlossen die Moskauer Behörden, die nach der Organisation benannte Straße umzubenennen. 1946 erhielt die Station den Namen Kalininskaja. Nachdem sie 1990 mehrere Tage lang Wosdwischenka hieß, ist sie heute als Alexandrowski Sad (Alexandergarten) bekannt.
Bis 1957 hieß die Kropotkinskaja-Station Dworez Sowetow (Palast der Sowjets). In den frühen 1920er Jahren konzipiert, sollte der Palast ein Symbol des neuen Staates der Arbeiter und Bauern werden. Es war geplant, den Wolkenkratzer in der Nähe des Kremls an der Stelle der Christ-Erlöser-Kathedrale zu errichten. Deshalb wurde die Kathedrale 1931 gesprengt und der Grundstein für den Palast gelegt. Das ambitionierte Projekt wurde jedoch nie realisiert. Nach Stalins Tod wurde die Station nach der in der Nähe gelegenen Kropotkinskaja-Straße umbenannt.
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Aber der Hauptgrund für die Namensänderung war natürlich die Politik. Die Moskauer U-Bahn selbst wurde ursprünglich nach Lasar Kaganowitsch, Stalins Mitstreiter, benannt. Kaganowitsch überwachte den Bau der ersten U-Bahnlinie und war insgesamt für die Ausarbeitung eines Generalplans für den Wiederaufbau Moskaus verantwortlich, der 1935 verabschiedet wurde.
1955, während der Regierungszeit von Nikita Chruschtschow und seiner Politik der Entstalinisierung, wurde die Moskauer Metro zu Ehren von Wladimir Lenin umbenannt.
Stationen, die die Namen von Stalins Mitstreitern trugen, änderten auch ihren Namen unter Chruschtschow. Bis 1961 hatte die Moskauer U-Bahn eine Stalinskaja-Station, die mit einer fünf Meter hohen Statue des Staatsführers geschmückt war. Jetzt ist es die Semjonowskaja Station.
Die umfassendste Umbenennung von Stationen erfolgte 1990, als die neuen Stadtbehörden beschlossen, sowjetische Namen loszuwerden. Über Nacht erhielten elf vorher nach Revolutionären benannte Stationen neue Namen. Schtscherbakowskaja wurde Alexejewskaja, Gorkowskaja wurde Twerskaja, Ploschtschad Nogina - Kitai-Gorod und Kirowskaja - Tschistyje Prudy. Viele Passagiere waren verwirrt und ältere Generation der Stadtbewohner bezeichnen z.B. die Station Lubjanka immer noch als Dserschinskaja.
Gleichzeitig haben bestimmte Stationen ihre sowjetischen Namen beibehalten - zum Beispiel Marksistskaja und Kropotkinskaja - obwohl man diese auch umzubenennen plante.
2015 haben die Stadtbehörden erstmals eine Namensänderung der Station Wojkowskaja zur öffentlichen Diskussion eingereicht. Dem Bolschewiken Pjotr Wojkow, dessen Namen diese Station noch heute trägt, wird die Beihilfe zum Mord an der Zarenfamilie im Jahr 1918 nachgesagt. Für viele Anhänger des russisch-orthodoxen Glaubens trägt der Name ausschließlich negative Konnotationen. Laut der durchgeführten Online-Umfrage stimmten dennoch 53 Prozent der Menschen dafür, den alten Namen zu behalten.
Welche Stationen haben ihren Namen am häufigsten geändert?
Einige Stationen haben ihren Namen dreimal geändert. Abgesehen von dem oben erwähnten Alexandrowski Sad (Uliza Kominterna-> Kalininskaja-> Wosdwischenka -> Alexandrowski Sad) hatte dasselbe Schicksal die Station Partisanskaja im Osten Moskaus. Sie wurde 1944 eröffnet und trug zunächst den sehr langen Namen „Ismailowski Park für Kultur und Erholung, benannt nach Josef Stalin“. 1947 erhielt die Station einen kürzeren Namen - Ismailowskaja. 1963 wurde sie erneut umbenannt - diesmal in Ismailowski Park. Und 2005 wurde sie schließlich anlässlich des 60. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg in Partisanskaja umbenannt.
Eine weitere interessante Geschichte betrifft die Station Alexejewskaja. Den Namen schlug man ursprünglich für diese Station vor, die 1958 anstelle des hier einst gelegenen gleichnamigen Dorfes eröffnet wurde. Dann wurde beschlossen, die Station Schtscherbakowskaja zu Ehren von Alexander Schtscherbakow, einem Mitstreiter Stalins, zu benennen. Nikita Chruschtschow, der ein angespanntes Verhältnis zu ihm hatte, hörte davon, und buchstäblich einige Tage vor der Eröffnung der Station mussten die Bauarbeiter alle Schilder hastig ändern. Sie erhielt den politisch neutralen Namen Mir (Frieden). Der Name Schtscherbakowskaja wurde nach Chruschtschows Machtverlust im Jahr 1966 wiederhergestellt. Seit 1990 heißt die Station Alexejewskaja.
Die Station, die den Rekord für die meisten Namensänderungen hält, ist Ochotny Rjad, die 1935 auf dem Gelände einer Ansammlung von Marktgeschäften eröffnet wurde. Als das Moskauer Metrosystem 1955 zu Ehren Lenins umbenannt wurde, wurde diese Station als Entschädigung nach Kaganowitsch benannt. Zwei Jahre nach der Umbenennung fiel der Politiker bei Chruschtschow in Ungnade und der bisherige Name wurde wiederhergestellt.
Im Jahr 1961 jedoch erhielt die Station einen neuen Namen und diesmal zu Ehren von Karl Marx - Prospekt Marksa. Die Straße (russisch prospekt) wurde gerade in der Nähe gebaut. 1990 wurden zwei historische Straßennamen - Teatralny Projesd und Mochowaja-Straße - wiederbelebt, um Prospekt Marksa zu ersetzen, und die Station wurde erneut zu Ochotny Rjad.