Joe Biden: Der künftige US-Präsident ist in Russland gut bekannt

Reuters
Der 46. Präsident der USA, Joe Biden, ist in Russland kein Unbekannter. Angeblich hat er Putin einmal die Position des NATO-Generalsekretärs angeboten.

Der designierte US-Präsident Joe Biden ist schon sehr lange politisch aktiv. Auf der Liste seiner politischen Aktivitäten stehen auch Verhandlungen mit Moskau, sowohl zu Zeiten der Sowjetunion als auch des modernen Russlands. Hier ist ein Überblick der Beziehungen von Joe Biden zu dem Land, das er kürzlich als „die gegenwärtig größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten“ bezeichnet hat (eng).

1979

Joe Biden wurde 1972 US-Senator und besuchte (eng) ein Jahr später die UdSSR. Im August 1979 kehrte er zu einem offiziellen Besuch zurück. Sein Ziel war Leningrad (St. Petersburg). Biden wollte die US-Senatoren durch diesen Besuch davon überzeugen, das strategische Abrüstungsabkommen zwischen den USA und der UdSSR, SALT-II, zu unterstützen.

Es war eine Zeit, in der die beiden Supermächte komplexe Verhandlungen inmitten einer durch den Kalten Krieg beherrschten Atmosphäre des allgemeinen gegenseitigen Misstrauens führten. Biden war ein starker Befürworter von SALT-II. 

Angesichts dieses Misstrauens zwischen den USA und der UdSSR war es eine schwierige Aufgabe, die amerikanischen Hardliner von der Notwendigkeit zu überzeugen, Verhandlungen mit dem ideologischen Feind zu unterstützen. Verhandlungsführer war der damals noch junge Joe Biden. 

„1979 war Joe Biden ein Befürworter der Rüstungskontrolle im Allgemeinen und des SALT II-Vertrags im Besonderen. Sein Ziel war es vor allem, die schwankenden Senatoren davon zu überzeugen, dem Vertrag zuzustimmen, der im Juni unterzeichnet worden war, aber auf die Ratifizierung durch den Senat wartete“, erklärt (eng) Professor Peter Kuznick, Experte für amerikanische Geschichte des 20. Jahrhunderts.

„Es ist interessant zu sehen, welche Rolle der junge und damals offenbar progressivere Joe Biden zu dieser Zeit spielte. Biden glaubte fest an internationale Verträge. Er wollte tiefe Einschnitte bei den Atomarsenalen und konventionellen Waffen erreichen. Er bemühte sich, die Spannungen im Kalten Krieg zu entschärfen“, so Kuznick.

Während seines Besuchs im August 1979 traf Biden mit Schlüsselfiguren des sowjetischen politischen Establishments zusammen, darunter unter anderem der sowjetische Führer Leonid Breschnew, Ministerpräsident Alexei Kossygin und Außenminister Andrei Gromyko.

Jahre später erinnerte sich (eng) Biden in einer Rede, die er während eines weiteren Russlandbesuchs im Jahr 2011 vor russischen Studenten an der Staatlichen Moskauer Universität hielt, an seinen Besuch von 1979:

„Breschnew war damals kränker als wir dachten. Er entschuldigte sich und verließ das Treffen vorzeitig und überließ das Feld Premierminister Kosygin, der in seiner Eröffnungsrede etwas sagte, was ich nie vergessen werde: ‚Bevor wir mit der Diskussion beginnen, lassen Sie uns festhalten, Senator, dass Sie uns nicht vertrauen und wir Ihnen nicht. Und wir haben beide gute Gründe dafür.‘‘‘ 

Die sowjetische Presse berichtete über Bidens Reise in die UdSSR unter der Überschrift „Einführung in Leningrad“. Der Artikel in der Zeitung Prawda erwähnte Bidens Besuch auf dem Piskarjowskoje-Gedenkfriedhof, der den Verteidigern und Opfern der Blockade der Stadt im Großen Vaterländischen Krieg gewidmet ist. „Die Menschheit ist den Einwohnern von Leningrad für ihre große Leistung dankbar. Der Frieden, den sie gewonnen haben, sollte das Ziel unseres Lebens sein“, wurde Senator Biden zitiert.

Senator Joseph Biden (zweiter von links) und Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR Andrei Gromyko (zweiter von rechts) während der Verhandlungen im Kreml

Biden besuchte die UdSSR 1988 erneut als Mitglied des Senatsausschusses für auswärtige Beziehungen der Vereinigten Staaten. Eines der wenigen verbliebenen Zeugnisse von Bidens Besuch sind ein paar Schwarzweißfotos, die ihn zusammen mit dem sowjetischen Außenminister Andrei Gromyko zeigen.

Joe Biden und Andrei Gromyko

Jobangebot für Putin 

Als die Sowjetunion zusammenbrach, der Kalte Krieg endete und Biden die politische Karriereleiter hinaufkletterte, musste er sich als Vizepräsident der USA in der Obama-Regierung mit dem neuen, unabhängigen Russland auseinandersetzen.

In den ersten Jahren schlug die US-Regierung eine sogenannte Politik des „Neustarts“ der Beziehungen zwischen Moskau und Washington vor, die darauf abzielte, die Beziehungen zwischen den USA und Russland nach dem Russisch-Georgischen Krieg im August 2008 zu normalisieren. Mit Biden als Vizepräsidenten haben beide Länder 2010 den START-Vertrag zur Reduzierung von Atomwaffen unterzeichnet.

2011 besuchte US-Vizepräsident Biden Moskau und traf den damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew und Wladimir Putin, der damals russischer Premierminister war. 

Der russische Präsident Dmitri Medwedew und der Vizepräsident der Vereinigten Staaten Joe Biden in der Gorki-Präsidentenresidenz

Biden traf die notwendigen Vorbereitungen für Obamas bevorstehende Reise nach Russland, diskutierte den Neuanfang in den Beziehungen zwischen den USA und Russland und die Perspektiven der russischen WTO-Mitgliedschaft, traf sich mit russischen und amerikanischen Geschäftsleuten und hielt den oben genannten Vortrag vor den Studenten der Staatlichen Moskauer Universität. 

Einige russische Intellektuelle sahen noch andere Absichten hinter Bidens Besuch. Der renommierte Experte für internationale Beziehungen und Chefredakteur der Zeitschrift „Russia in Global Affairs“, Fjodor Lukjanow, veröffentlichte einen Artikel (rus), in dem von einem angeblichen Plan Bidens die Rede war, Putin die Position als NATO-Generalsekretär anzubieten.

Laut Lukjanow sollte Biden Putin, dem damaligen russischen Premierminister, während seines Besuchs in Moskau 2011 die prestigeträchtige Position im Bündnis als Gegenleistung für eine militärische Intervention Russlands in Libyen anbieten. So weit hergeholt das auch klingen mag, Lukjanow berief sich auf zwei unabhängige Quellen in Brüssel, die ihm dies bestätigt hätten.

Der US-Vizepräsident Joe Biden und der russische Premierminister Wladimir Putin

Wie wir wissen, lehnte Russland die militärische Intervention in Libyen ab, die kurz nach Bidens Besuch im Jahr 2011 stattfand, und Wladimir Putin, der 2012 wieder Präsident Russlands wurde, hat von einem solchen Angebot nie etwas erzählt. 

Seit 2011 steht Biden Moskau zunehmend skeptisch gegenüber. Er hat mehrfach die Außenpolitik Wladimir Putins kritisiert. Zuletzt bezeichnete er Russland während der US-Präsidentschaftsdebatten 2020 als „die gegenwärtig größte Bedrohung für die Vereinigten Staaten“. 

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!